Back in the Summer of ’19

Die Wiener Band Siamese Elephants lädt mit eingängigen Gitarrenriffs und kultigen Texten zu einem Perspektivenwechsel in den Social Club.

Foto: Julia Elzea

Foto: Julia Elzea

„What Happened at the Social Club.“ Dieser Frage gehen Alex Kriz, Areg Barseghian, Omar Abdalla und Markus Schwarz auf ihrem Debütalbum nach und wandern – mal nüchtern, mal trunken – zwischen realen und virtuellen Orten. Zum Album-Release am 23. April haben sie mir einige Fragen beantwortet.

Bohema: Euer erstes Album ist gerade erschienen. Wie fühlt ihr euch?

Alle: Erleichtert.

Alex: Wir haben das schon sehr lange herumgetragen. Auch weil der Release ständig verschoben worden ist in der Hoffnung, dass wir dann gleich ein Konzert veranstalten können. Jetzt ist es trotzdem im Lockdown rausgekommen. Vielleicht ist es aber auch angenehmer, dass die Leute das Album vor den Konzerten hören, weil sie sich dann umso mehr auf bestimmte Songs freuen können.

Eine Hausaufgabe bis zum nächsten Gig: Texte lernen.

B: Stimmt es, dass ihr das Album vor Corona geschrieben, aber während der Pandemie aufgenommen habt?

Areg: Zu 90% war es schon geschrieben und während Corona gab es dann natürlich Produktionsschritte, wo auch Songwriting nochmal drinnen war.

Alex: Nach dem Ausbruch der Pandemie haben wir zwei Songs fertiggeschrieben, da haben wir schon die Studiotage ausgemacht. Es gibt einem dann immer so einen Schub, wenn man kurz vor dem Studio steht. Manche Texte waren da noch nicht vollständig und ich dachte mir „verdammt, wir sind in einer Woche im Studio, ich muss das einsingen.“ Teilweise sind auch da noch ein paar Zeilen entstanden. Aber so im Kopf war das ganze Album schon vor der Pandemie.

Vier fesche Hotelboys à la Grand Budapest Hotel

Als Lockdown-Sportler, Meeresbewohner oder Hotelboys vertonen die vier Bandmitglieder in kreativen Visuals die größeren und kleineren Probleme der „Millennial-Generation“ – und somit auch ihre eigenen: Individualismus, Einsamkeit, Fear of Missing Out. „Anybody’s waiting here / just before they dissapear.“ So sehr Social Media die Menschen auch vernetzt, so scheint es sie auch zu entfremden, wie das Video zu Heartbreak Hotel eindrucksvoll zeigt.

B: Inwiefern beeinflusst Corona den ursprünglichen Inhalt des Albums?

Markus: Schon sehr. Da sind wir eigentlich auch erst dann draufgekommen als das Album schon fast fertig war, dass viele Songs eine neue Bedeutung bekommen haben. Zum Beispiel Videochat Romance – das ist auch ein Song, der vor Corona entstanden ist. Alex kennt Leute, die während der Pandemie online zusammengekommen sind, die sich davor noch nie gesehen hatten.

Omar: Das war auch bei mir so.

Areg: Ich glaub Corona hat eine neue Perspektive auf das Album gebracht, die wir alle nicht hatten, weil sich das niemand hätte vorstellen können.

Alex: Auf Fishbowl davon zu singen „zur Abwechslung mal zuhause zu bleiben“ während wir dazu gezwungen sind – das ist hinsichtlich des Texts echt der zachste Song.

Areg: Fear of missing out haben wir mittlerweile beim Impfstoff (lachen).

B: Auf Few Problems fallen die Worte „Summer of 19‘“. Wird das vielleicht der neue „Summer of 69‘“?

Markus: Da war die Welt noch in Ordnung (lachen). Es gibt Lines, bei denen spürt man schon, dass das kein belangloser Satz ist, aber man kann’s auch nicht so ganz fassen. Manchmal versteht man die Bedeutung erst im Nachhinein. Oder sie verändert sich.

Alex: Die Line war schon damals cool, jetzt finde ich sie noch cooler.

In ihrem jüngsten Video finden sich die Siamese Elephants im beengenden Spiegelkabinett des „Social Clubs” ein, um die vernachlässigten Tanzmoves zu funky Gitarren abzuprüfen. Dabei werden sie auf Schritt und Tritt verfolgt. „Bad reputation / All is in rotation / Everybody knows about you.”

B: Wie ist das Konzept zum “Social Club” entstanden?

Markus: Wir wollten kein Album ausschließlich über Social Media schreiben, aber es gab mehrere Themen, die uns auch auf persönlicher Ebene beschäftigt haben und die damit zu tun hatten. Wir hatten viele angefangene Songs und als wir uns mal die Texte angeschaut haben, sind wir draufgekommen, dass sich da ein roter Faden durchzieht. Von da an haben wir bewusst geschaut, wie wir miteinander kommunizieren. Es war interessant, sich für das Album selbst zu beobachten.

Alex: Ich fand es schon immer cool, ein Konzeptalbum zu machen, wo es eine Überschrift gibt, um die sich alles dreht. Ich glaube der Deckel auf dem Topf war der Song Social Club. Da hatten wir schon die Melodie und beim Proben ist dann plötzlich der Titel rausgekommen und wir dachten uns, das könnte das Thema sein.

Soundtrack für Nächte, die uns so fehlen

What Happened at the Social Club ist ein Soundtrack für Nächte, die man so derzeit nicht erlebt: Von der Entscheidung, das Haus zu verlassen (Fishbowl), über Schlange stehen vor der Location ([what happened at the]) und entfesselten Moshpits (Coca Cola Punk), bis hin zur Heimfahrt (Nightbus). Mit leicht verwischtem Stempel auf dem Unterarm zuhause angekommen noch schnell eine Portion Ramen zubereiten. In Zeiten wie diesen umgibt das Album eine bittersüße Nostalgie. 

B: Nightbus hat für mich die wehmütige Stimmung eines Strokes-Songs. Eure Musik wurde schon öfter mit der von den Strokes verglichen. Was haltet ihr davon?

Alex: Das war bei der EP davor noch mehr der Fall, dass Leute gesagt haben, es erinnert sie an die Strokes, was ich sehr lustig fand, weil ich sie da noch gar nicht so gehört habe.

Omar: Gerade jetzt bei dem Album habe ich nie das Gefühl gehabt, dass wir annähernd versucht haben, etwas ähnliches zu den Strokes zu machen. Es kommt aber immer so an.

Areg: Wenn, dann kann man in der Stimme die größte Ähnlichkeit sehen, die wir mit den Strokes haben und die ist jetzt auch nicht so riesig. Ich finde Casablancas (Sänger der Strokes, Anm.) hat eine einzigartige Stimme und Alex hat eine einzigartige Stimme. Natürlich ähneln sich gewisse Sachen, aber wenn man das auf alles anwendet, kann man sagen „Markus spielt 4/4-Takt, deswegen sind wir wie die Beatles.“

Indie-Rock lebt!

B: Ihr seid mit dem Indie-Rock der 2000er aufgewachsen. Ich habe in der Musikpresse schon öfter gelesen, dass Indie-Rock tot sei. Wie steht ihr heute zu dem Genre?

Alex: Dieser Begriff ist schon so spannend.

Markus: Er ist schon so aufgeladen mit einem gewissen Image, das mehr mit Ästhetik zu tun hat …

Omar: als mit Musik!

Alex: Und es ist ein Gefühl. Indie Rock muss immer ein bisschen anders sein als andere.

Areg: Ich glaube, wenn du sagst, du bist in einer Rockband, erwarten sich alle …

Alex: Guns’n’Roses.

Omar: Wenn du Indie Rock sagst, …

Areg: Dann hast du viel größere Freiheiten.

Omar: Wenn man musikalischer denken würde, dann ist Indie Rock nicht gestorben, sondern entwickelt sich ganz normal wie jedes andere Genre weiter.

Markus: Wir versuchen für alles offen zu sein und Einflüsse von überall reinzunehmen, dabei aber authentisch zu bleiben, damit wir diese Songs performen können und man uns das auch abkauft.

Ihr findet What Happened at the Social Club? auf Spotify, YouTube und Bandcamp.

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