Von Bussi-Bussi-Gesellschaft und Bananenbrot
„Es ist halt kollektiv für alle scheiße“ – Schauspielerin Alice Peterhans und Leiterin Veronika Steinböck vom Kosmos Theater sprechen über vermisste Oberflächlichkeiten und Wellen der Solidarität.
Der Sesam (naja, die gläserne Türe…) öffnet sich, als mich die Künstlerische Leiterin Veronika Steinböck in den Eingangsbereich des Kosmos Theaters bittet. Ein Privileg in diesen Zeiten – seit rund sechs Monaten hat das Publikum hier schon Hausverbot. Einen (negativen!) Nasenbohrer-Covid-Test später nehmen wir, gemeinsam mit der Schauspielerin Alice Peterhans, an einem großen Tisch vor dem Bühneneingang der Techniker:innen Platz. Ich stelle die plakative Frage: Was macht ein Theater, wenn die Zuschauer:innen ausbleiben?
Debakel der freien Szene
Im Kosmos Theater laufen derzeit Proben zur dreiteiligen Pop-Action-Serie KA-TSCHING! The $weet $ound of Ca$h von Jonas Schneider. Dass trotz unsicherer Zukunftsprognosen weiter Neues erarbeitet wird, entspringt laut Steinböck auch dem Verantwortungsgefühl gegenüber Künstler:innen der freien Szene: „Wir arbeiten im Moment viel, weil ich auch meine, dass ich das Geld, das ich gefördert bekomme, weitergebe, indem ich Menschen hier arbeiten lasse. Selbst wenn wir uns nicht ganz sicher sind, in welcher Form, und ob, und wann und wie das gezeigt werden kann, finde ich es als Signal total wichtig.“
„Selfimprovement, Gschisti Gschasti“
Alice Peterhans, die in KA-TSCHING! auf der (Proben-) Bühne steht, begrüßt diese Einstellung: „Man muss ja als freie Künstlerin schon normalerweise flexibel sein. Aber jetzt ist schon ein Grad an Flexibilität erreicht, der ist wirklich hart. Da gibt´s auch Schwarzmaler, die fragen: Alice, hast du dir schon überlegt, welchen Job du jetzt machen möchtest?“ Sich wirklich von der Schauspielerei zu verabschieden, sei für Peterhans – zum Glück – keine Option. Es sei „halt kollektiv für alle scheiße“, was wenigstens dazu führe, die Schuld nicht bei sich selbst zu suchen. Aus anfänglichem Bananenbrot-Faible und „Selfimprovement, Gschisti Gschasti“ sei in der Branche nun doch deutlich Müdigkeit zu spüren.
Nicht nur das fehlende Publikum reißt ein Loch in das gesellige Theaterleben, sondern auch gestrichene Premierenfeiern und fehlende Gespräche mit „Theatermenschen“ an der Bar, so Peterhans – die Bussi-rechts-Bussi-links-Events unter Kolleg:innen und Zuschauer:innen würden die Freude an der Theaterwelt auch ausmachen. Steinböck ergänzt gerade im Hinblick auf das Kosmos Theater: „Wir sind ja nicht so ein großes Haus und wir leben schon sehr vom persönlichen Kontakt mit den Menschen. Ich liebe diesen familiären Touch und ich finde, das ist etwas, was sich à la longue bezahlt macht.“
Online-Theater als Ausweichmanöver
Trotz der Liebe zum persönlichen Flair setzte das Theater früh auf ein Programm im Internet. Schon das 20-jährige Kosmos-Jubiläum wurde 2020 in ein Online-Event verwandelt, eine Woche täglich Netztheater. Es folgten Theater-Streamings, Online-Publikumsgespräche und Panel-Diskussionen mit über 100 Zuhörer:innen. Die virtuellen Theaterkarten gibt es im Kosmos nach dem Konzept „Pay-as-you-wish“ – mit großem Erfolg verrät Steinböck: „Ich war richtig entzückt. 5, 10, 15 Euro, auf freiwilliger Basis gespendet. Da krieg ich Gänsehaut, weil das ist so eine Solidaritäts-Kundtuung, die finde ich großartig.“
Die technischen und personellen Möglichkeiten eines Theaters können allerdings zur Hürde werden, wenn es um Online-Angebote geht: „Ich hatte ganz viele Ideen, die ich gerne gemacht hätte: Hey, ich mach’ ein Hörspiel, ich mach’ einen Podcast, eine Führung durch Wien mit Kopfhörern. Theater in anderen Formen find ich super, das gelingt mir aber nicht, wenn ich kein Ensemble habe, wenn ich mir die Leute jeweils neu zusammensammeln muss, sie bezahlen muss.“
360 Grad Roomtour
Im Anschluss an unser Gespräch zu dritt folge ich Veronika Steinböck durch die Räumlichkeiten. Mein Smartphone immer in Händen – exklusives Backstage-Material soll aufgespürt werden. Wir gehen in das untere Stockwerk, vorbei an der verwahrlosten Bar, die seit einem Jahr nicht zur Ausschank verwendet wurde, vorbei an der leeren Garderobe und der kleinen Kaffeekassa an ihrer Front, bis wir im Theatersaal landen.
Ein Teil des Bühnenbildes von KA-TSCHING! steht, zwei Techniker probieren Licht und Ton aus. Sie sitzen auf der Zuschauer:innen-Tribüne am Technikplatz, tragen so wie Veronika Steinböck und ich FFP2-Masken, und besprechen sich. Spieltermine für die Folgen 1 und 2 sind bereits für Anfang Juni angesetzt: Do, 03. Juni, 18:00, Fr, 04. Juni, 18:00 und Sa, 05. Jun. 18:00. Folge 3 soll Ende Juni zu sehen sein. Bleibt zu hoffen, dass wir einen der 94 Sitzplätze im Kosmos Theater ergattern können, in dieser Zukunft, die inspirierende Theaterabende verspricht.
Was die Staatsoper und das Kosmos Theater verbindet
Aus der Reihe „Unnützes Wissen“ zum Schluss: Der Bühnenboden im Kosmos ist derselbe wie in der Staatsoper, aus hochwertigstem Holz, und der ganze Stolz der Gründungsintendantin Barbara Klein.