Barocke Kurzweil mit Händel und Puppen
Tausendsassa Nikolaus Habjan lud im Mozart-Saal zu einer erquickenden Reise durch Händels Zauberoper Alcina, die sowohl für Neulinge als auch für Liebhaber von Barockopern etwas zu bieten hatte.
„Die Geschichte, die ich Ihnen erzähle, ist nicht ganz einfach...“ Dieser einleitenden Aussage des Erzählers (Peter Jecklin) würden in Bezug auf Barockoper wohl viele zustimmen. Und dennoch gelang es Dienstag Abend im Konzertsaal, Alcina als konzises, unterhaltsames und leicht zu verfolgendes Spiel auf die Bühne zu bringen. Auf der linken Seite des Podiums die Berner Freitagsakademie, in der Mitte ein schwarz verhüllter Tisch, auf der rechten Seite der Erzähler an einem Overheadprojektor als Kanzel, am Rand noch ein paar Büsche positioniert - das war die ganze Szene des Schauspiels.
Habjan der Alleskönner: Kunstpfeifer, Puppenspieler und Regisseur
Verantwortlich für den Abend war Nikolaus Habjan, Puppenbauer und -spieler, Kunstpfeifer und Regisseur in Personalunion, der wohl in den letzten Jahren einen so kometenhaften Aufstieg in der deutschsprachigen Kulturszene (vom kleinen Wiener Schuberttheater bis nach Bayreuth) hingelegt hat wie wenige andere. Er konzipierte gemeinsam mit Stefan Suske eine gekürzte Fassung von Alcina, in der zwischen den wichtigen musikalischen Nummern zusätzliche Texte gesprochen wurden. Sämtliche Sänger*innen führten die Puppen ihrer Figuren (relativ kleine, gedrungene Gestalten - einzig Alcina war als typische Klappmaulpuppe in Lebensgröße gefertigt), sprachen, sangen und interagierten auch mit ihren eigenen Alter Egos. In Momenten besonderen emotionalen Tiefgangs wurden auch bisweilen die Puppen beiseite gelassen und die Sänger*innen, die sonst im wahrsten Sinne des Wortes hinter den Puppen verschwanden, traten selbst in den Vordergrund.
Wenn nun der Erzähler das Spiel unterbrach, um noch einmal auf seinem Overhead die komplizierte Personenkonstellation zu verdeutlichen, als Allwissender das Geschehen geschickt kommentierte, oder - die vierte Wand durchbrechend - dem Publikum davon erzählte, dass gewisse Personen in dieser Fassung gestrichen worden waren, ergab sich so ein unglaublich vielschichtiges Geflecht an Bedeutungsebenen.
Kleines aber spritziges Orchester und eine koloratursichere Alcina
Das Orchester, obwohl einzeln besetzt, spielte beherzt auf und schaffte es so, den Saal klanglich zu füllen. Einzelne Intonierungsprobleme seien auf den historischen Instrumenten verziehen - die Freitagsakademie bildete insgesamt eine solide wie spritzige Basis für die Sänger*innen. Unter diesen fiel Julia Kirchner als Alcina am positivsten auf. Ihr Sopran klang natürlich und bewältigte auch die meisten Koloraturen souverän. Nicht damit mithalten konnte Olivera Tičević in der Rolle von Alcinas Schwester Morgana. Schade, denn ihre Arie Tornami a vagheggiar stellt normalerweise eines der Highlights einer jeden Aufführung der Oper dar. Anna Manske (Bradamante), Countertenor Jan Börner (Ruggiero) und Michael Feyfar (Oronte) erledigten ihre Aufgaben gut, ohne speziell hervorzustechen.
Für mich kam es an diesem Abend aber tatsächlich weniger auf die Qualität der musikalischen Darbietung an. Denn es wurde eine erfrischende neue Perspektive auf Barockoper geboten, die einerseits jene begeistern konnte, die aus Furcht vor der Langeweile für gewöhnlich einen Bogen um diese Werke machen, aber genauso interessant für jene war, die das Werk schon kannten. Und allen Unkenrufen und Fragen, ob es denn wirklich noch mehr von Habjan brauche, kann ich nun entgegnen: Wenn das Konzept so aufgeht wie hier - dann ja, braucht es!