Kunterbunte Exzellenz
Ein heiß umworbener finnischer Jungstar, ein russischer Schwerpunkt und viele spannende Debüts - Was uns in der nächsten Saison im Wiener Konzerthaus erwarten wird, inklusive Kurzinterview mit Matthias Naske.
Das Wiener Konzerthaus ist seit Jahren eine Bastion der bunten Programmierung. Neben all den großen und noch nicht ganz so großen Namen der klassischen Musik bietet es Pop, Jazz, Lesungen, Filme mit Livemusikbegleitung und Programme für Kinder aller Altersstufen sowie für Menschen mit Behinderung. Das sei einfach „die logische Antwort auf die Vielfalt der Interessen des Publikums“, so die banale, aber logische Erklärung von Matthias Naske, dem Intendanten des Hauses.
570 Konzerte, 230 Debüts
Das gestern vorgestellte Programm für die Nächste Saison folgt dieser Linie. Unter den fast 600 Konzerten gibt es Juwelen aus allen erwähnten Bereichen. Und 230 Debüts. Zum Beispiel das der Pianistin Yulianna Avdeeva, die 2010 den renommierten Chopin-Wettbewerb gewann. Sie wird am 12. September Prokofjews Klavierkonzert Nr. 3 spielen, mit Teodor Currentzis und dem SWR-Orchester.
Auch der gefeierte Tenor Benjamin Bernheim wird zum ersten Mal im Konzerthaus auftreten, am 10. März mit Carrie-Ann Matheson und einem spannenden Liederprogramm im Mozart-Saal. Das Debüt der Popsängerin Pomme am 3. Mai wird etwas französische Melancholie nach Wien bringen. Ein Debütant, der Matthias Naske besonders am Herzen zu liegen scheint, ist der junge finnische Dirigent Klaus Mäkelä. In einem bisher unveröffentlichten Teil meines Interviews mit dem Intendanten erzählte er mir über den feschen Finnen und über den russischen Schwerpunkt der nächsten Saison.
Matthias Naskes persönliche Highlights
N: Was ich sehr gerne habe ist, dass wir auch nächstes Jahr Programmschwerpunkte mit jungen Künstler*innen haben. Zum Beispiel dieser wunderbare junge Künstler, Klaus Mäkelä, Chefdirigent von Oslo Philharmonic.
Er wird ein Porträtkünstler bei uns. Mäkelä hat sich gewünscht, alle Sibelius-Sinfonien zu machen. Jetzt ist Sibelius nicht unbedingt das aller, aller beliebteste Stammrepertoire dieser Stadt, aber bei einer solchen Authentizität der Interpretation, wie bei Mäkelä mit Oslo Philharmonic, da macht das total Sinn. Die Sibelius-Sinfonien werden an drei aufeinanderfolgenden Abenden im Mai 2022 gegeben (21., 22., und 23.).
Und wir werden einen Schostakowitsch-Schwerpunkt mit Valery Gergiev haben. Dafür bekomme ich keinen Originalitätspreis, aber Valery hat so ein kluges Programm zusammengestellt, mit Solokonzerten (mit Denis Matsuev, Gautier Capuçon und Emmanuel Tjeknavorian, 12., 13., und 14. Dezember). Wir haben überhaupt sehr viele wunderbare Musiker*innen aus Russland. Temirkanov mit den St. Petersburger Symphonikern (mit Tjeknavorian, Kian Soltani, Brahms-Doppelkonzert und Tschaikowsky 5. am 19. März, das wird ein Leckerbissen Anm.), viel Currentzis. Und das Mariinsky-Orchester.
B: Auch viele russische Solist*innen?
N: Ja, alle. Matsuev sowieso. Sokolov ist jedes Jahr da. Das war auch ein Krimi, er hätte ja glaub‘ ich Anfang Dezember hier sein sollen, dann haben wir’s zweimal verschoben, aber er kommt auch schon in dieser Saison. Da es dieses Jahr so spät ist, wird er eine Hälfte seines Programms zweimal geben. Aber ich hab‘ mir gedacht, wer nicht kommen will, der soll nicht kommen. Ich höre mir das sehr gerne zweimal an. So ist er nun mal, dass er das Jahr immer in zwei Hälften teilt und immer die Hälfte des Programms austauscht. Ich hätte nur als Alternative gehabt, auf ein Konzert zu verzichten.
B: Bitte nicht...
N: Igor Levit kommt, Arcadi Volodos auch. Den werden wir ab jetzt auch jedes Jahr einladen. Das ist alles überhaupt sehr russisch. Sokolov (8. 12.), Pogorelich (13. 1., mit Chopin), Trifonov (1. 4., mit Bach, wird spannend Anm.), Volodos (17. 5.). Jan Lisiecki wird ‚Klavier im großen Saal‘ eröffnen (5. 11., Chopin), es kommen auch Leif Ove Andsnes und Marc André Hamelin (28. 2., vierhändig) Yuja Wang (26. 04.), Khatia Buniatishvili (13. 06, viel Liszt).
B: Ich meine, wer fehlt da eigentlich?
N: Also viel fehlt nicht, oder? (Lacht.) Im Mozart-Saal haben wir die starken Jungen. Lucas Debargue (18. 12.), Víkingur Ólafsson (30. 1.), Alexandre Kantorow (9. 5.).
Welchen Namen sich das Konzerthaus mittlerweile bei Jazzmusiker*innen erarbeitet hat zeigt, dass seine Exzellenz Wynton Marsalis am Abend seines 60. Geburtstages am 16. Oktober nicht in irgendeinem hippen East-Coast-Club, sondern im Großen Saal auftreten wird. Bei all der Buntheit steht doch die klassische Musik im Zentrum. Es werden über 30 Gastorchester auftreten, wobei die drei großen Orchester der Stadt (Philharmoniker, Symphoniker und RSO) „das Rückgrat des Programms“ bleiben, betonte Naske. Der schöne (gut ist er auch, keine Sorge...) französische Cellist Gautier Capuçon wird ein weiterer Porträtkünstler, ihn werden wir mit Orchester, als Kammermusiker und auch Solo erleben dürfen. Naskes Stimme wurde etwas weicher, als er über die Capuçon-Brüder sprach, er kennt sie noch aus seiner Zeit beim Gustav Mahler Jugendorchester in den 80-ern. Auch Geiger Renaud Capuçon kommt einmal vorbei.
Es mag etwas gewagt klingen, doch das Konzerthaus plant mit einer vollen Auslastung seiner Säle ab der nächsten Saison. Erst so könne die wirtschaftliche Basis für die ganz aufwendigen Produktionen, wie konzertante Opern, erreicht werden. Schön wär’s! Geht alle fleißig impfen, dann wird daraus vielleicht etwas...