Vive la France!
Die Wiener Symphoniker geben ihr Post-Corona-Musikverein-Debüt mit einem energiegeladenen Programm aus Frankreich. Nix wie hin, voller Vorfreude!
„Ravel, das Orgelkonzert von Poulenc, eine Sinfonie von Roussel und dann noch einmal Ravel – und das ohne Pause?! Na denn, Prost!“ So schallt es einem am 26. Mai im Treppenhaus des Musikvereins entgegen. Ein erster Eindruck, der die Vorfreude trüben könnte. Dann entdeckt man einen Fehler im Programmheft: Über der Bildlegende zu Maurice Ravel prangt ein Bild Francis Poulencs. Doch die Laune ist zu gut, um sie sich von solchen Kleinigkeiten verderben zu lassen – die Vorfreude auf die Wiener Symphoniker, die das erste Mal seit langem wieder im Musikverein musizieren, ist zu groß.
Duftende Klangwolken und Doppelohrblätter im Rampenlicht
Sichtbar erfreut betritt auch Dirigent Stéphane Denève die Bühne und eröffnet den Abend mit Ravels Suite Le Tombeau de Couperin, einer Hommage an die französische Musikwelt des 18. Jahrhunderts. Er entlockt dem klein besetzten Orchester die wunderbarsten Klangfarben und kreiert eine intime Dynamik, die nicht zaghaft sondern nostalgisch und warm gefärbt ist. Getragen wird die französische, perlende Klangwolke mitunter auch von der fordernden Oboenpartie, die Paul Kaiser bravourös meistert. Sein Nebenspieler am Englischhorn wirkt hingegen etwas überfordert (was er – ganz getreu dem Klischee – mit einem stutzigen Blick auf das Instrument und einem laut hörbaren Luftstoß durch die Mechanik quittiert).
Danach ist es vorbei mit der duftenden Leichtigkeit: Bereits die ersten Akkorde von Francis Poulencs Orgelkonzert sind erschütternd bis ins Mark und wirken beinahe bedrohlich. Olivier Latry lotet die Dynamik der Musikvereinsorgel nach oben aus und übertönt hie und da das nur mit Streichern und Pauken besetzte Orchester – wie es in beinahe jeder Aufführung dieses Werks der Fall ist. Nichtsdestotrotz macht das rhapsodisch gehaltene Konzert unglaublich Spaß. Latry entlockt dem Instrument unter Berücksichtigung sämtlicher Register eine Klangvielfalt, die von beißend über augenzwinkernd bis hin zu nachdenklich reicht. Da erzittert schon mal der Boden des Goldenen Saals, wie vom Donner gerührt, als die mächtigen 32-Fuss-Pfeifen zu klingen beginnen.
Volles Rohr: Die Königin der Instrumente packt aus
Immer wieder schleichen sich lyrische Melodien und versöhnliche Kadenzen in die ansonsten von konziser Rhythmik geprägte Musik, die symbolisch für Poulencs musikalischen Schalk stehen. Doch am Ende wird es wieder ernst. Die Orgel verspricht mit ihrer perfekt registrierten Melancholie einen gefühlvollen Abschluss, bevor das Orgelkonzert mit einem herben, abgerissenen Akkord endet, gefolgt von verdientem, tosendem Applaus für Latry, seines Zeichens Titularorganist an der Notre-Dame in Paris.
Die zweite Konzerthälfte knüpft an die harschen Orgelklänge an. Albert Roussels wohl bekanntestes Werk, seine dritte Sinfonie, startet mit einem wilden Ritt, in dem der Höhepunkt des Abends, was die Orchesterlautstärke angeht, erreicht wird. Es folgen ein lyrisch ausgedehnter zweiter Satz mit schier ohrenberstendem Höhepunkt und ruhigem Ausklang der Sologeige – klanglich brillant: Konzertmeister Dalibor Karvay –, sowie ein kurzweiliger Walzer als dritter Satz. Auch durch das folgende Handyklingeln (es war nicht das einzige...) lässt sich Denève nicht seine Stimmung verderben und beendet die Sinfonie mit dem abwechslungsreichen Rondo-Finale, das vor allem durch die prägnanten Fanfaren der Blechbläser in Erinnerung bleibt.
„Sehr schön! Energetisch! Schwungvoll!“
Als Ausklang folgt mit Maurice Ravels La Valse ein Klassiker des Konzertrepertoires, den Maestro Denève mit detailliert ausgestalteten Tempofinessen präsentiert. Und dann ist es bereits vorbei. „Sehr schön! Energetisch! Schwungvoll!“ hört man im Foyer – und stimmt still nickend und glücklich lächelnd zu.