Ein japanischer Traum trifft österreichische Realität

Theaterstück, Roman, Bühne, Tribüne, Schauspiel, Musik und Tanz, Japan, Österreich, Alt, Neu, Börse, Theater. All diese Welten kollidieren im Odeon Theater dieser Tage und öffnen die Tür zu einer unheimlichen und wunderschönen Bibliothek zwischen Traum und Realität.

(c) Martina Stapf /// Odeon Theater

Haruki Murakami, auf der Bühne, in Wien?!“, das war wohl das Erste, was ich dachte als ich im Vorübergehen das Plakat zum Stück entdeckte. Ein zeitgenössischer japanischer Buchautor wird in Österreich, in einer oft unzeitgenössischen Stadt und unzeitgenössischen Szene, der des Theaters, für die Bühne adaptiert. Wer Murakami kennt und mag, kann sich die Welturaufführung eines Buches von Ihm nicht entgehen lassen. Ich bin so einer. Und so ließ ich mir Die unheimliche Bibliothek, für die Bühne inszeniert durch Jacqueline Kornmüller, nicht entgehen. 

Wer ist Haruki Murakami und was macht er auf einer Bühne?

Haruki Murakami ist ein 1949 in Kyoto geborener japanischer Autor von Romanen, Erzählungen und Sachbüchern. Er ist einer der, wenn nicht sogar der erfolgreichste, lebende, nicht westliche Schriftsteller. Für mich ist er vor allem ein Autor der unfassbar viel, gefühlvoll, surreal schreibt; dessen Bücher man nicht aktiv lesen muss, sondern von diesen besprungen wird. Seine Bücher ziehen einen in sich hinein. Sie ziehen einen in die Köpfe, in die Innenwelt der Charaktere, welche man Gedankengang für Gedankengang, Satz für Satz, mitlesen kann. Wie Tolkien in Der Herr der Ringe jeden Stock und jeden Stein in der Landschaft beschreibt, tut Murakami dies in der Beschreibung der Innenwelt seiner Charaktere. Und so verstand ich was Murakami so interessant für eine Bühneninszenierung machte: die endlosen Sätze in denen er die Gedanken und Gefühle seiner Charaktere beschrieb, konnten in einer Haltung, in einem Ausdruck und in einer Bewegung von einem guten Schauspieler gezeigt werden. 

(c) Martina Stapf /// Odeon Theater

Schauspielgedanken

Und die Schauspieler waren gute und sie konnten die Gedanken und Gefühle der Charaktere in Haltungen und Bewegungen Ausdruck verleihen. Dies irritierte mich jedoch zunächst, da sie, für mein ungeübtes Auge, so schienen als würden sie in ihrem Schauspiel übertreiben und künsteln. Sie bewegten sich ständig auf der Stelle, hatten eine eigenartige Haltung, sprachen höchst verschieden. Doch wenn ich meinen eigenen Kopf ausschaltete und ihnen nur zusah, las ich auf einmal ihre Gedanken. Ich bemerkte trotz weniger, bei einer Figur garkeiner Worte, wovor sie wirklich Angst hatten. Dass sie trotz einer bösen Aufgabe ein gutes Herz hatten oder wie aussichtslos ihre Situation für sie schien. 

Welten kollidieren

Ein Zitat des Stücks, an das ich mich erinnern kann, besagte, dass wir alle in unserer eigenen Welt leben, jeder für sich. Manche Welten existieren für einen selber nicht, manche vermischen sich. Diese Vermischung der Welten beschreibt für mich die Inszenierung wunderbar. Am offensichtlichsten ist die Vermischung von Theater und Roman. Aber auch mischten sich andere Kunstformen miteinander: Musik, live gespielt von den Strottern und Peter Rom, mit Tanz der Tänzerin Manaho Shimokawa und Schauspiel von Nils Arztmann, Yoshie Maruoka, Christian Nickel und Peter Wolf. Gerade die Musikstücke, welche immer wieder Szenen voneinander trennen, erinnern mich an die deutsche Ausgabe des Romans Die Unheimliche Bibliothek welche ebenfalls mit Bildern der Künstlerin Kat Menschik geteilt wird. Von Ihr stammt auch das Plakat zum Stück. Auch die oft durch Welten voneinander getrennten Räume der Bühne und Tribüne vermischen sich. So war nicht immer klar, was jetzt genau die Bühne und was die Tribüne ist. So betritt man über die Bühne die Tribüne, einige Schauspieler*innen drehten dieses Spiel um und saßen unter den Zuschauern. 

(c) Martina Stapf /// Odeon Theater

Absurdität in Traum und Realität

Die schönste Vermischung war die von Traum und Realität. Als ich nach der Aufführung meinen Mitbewohnern die Geschichte des Buches erzählte, musste ich danach noch hinzufügen, dass ich nicht die Inszenierung, sondern tatsächlich das Buch beschrieben habe. So absurd wirkt die Geschichte wie man es sonst nur von Theaterinszenierungen gewohnt ist, bei denen ein es mal vorkommen kann, dass der Sommernachtstraum von Shakespeare im Atelier von Andy Warhol spielt oder wie im Idomeneo-Skandal Jesus, Mohammed und Buddha geköpft werden, welche in Idomeneo nicht einmal vorkommen.   Ein Mädchen mit ausgerissenen Stimmbändern, ein Buch über Steuereintreibung im osmanischen Reich, mit Wörtern gefüllte und dadurch wohlschmeckende Gehirne oder ein Riesenvogel sind dabei nur einige. Die Inszenierung hat es geschafft dieses absurde Buch nicht noch absurder zu machen, sondern es in eine Umgebung und Form einzubetten, welche die realen Motive in ihrer surrealen Umgebung sichtbar macht. Es war mir klar wieso ein Schafsmann das Essen bringt, wer denn auch sonst. So konnte ich aufhören über die Existenz des Schafsmannes zu grübeln und anfangen über seine Sorgen, seine Geschichte oder seine Sätze nachzudenken. 

(c) Martina Stapf /// Odeon Theater

Theaterstück, Roman, Bühne, Tribüne, Schauspiel, Musik und Tanz, Japan, Österreich, Alt, Neu, Börse, Theater. All diese Welten kollidieren im Odeon Theater dieser Tage und öffnen einen Tür zu einer unheimlichen und wunderschönen Bibliothek zwischen Traum und Realität. 

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