Ein Spielplatz der Solidarität
Eine aktuelle Ausstellung der Kunsthalle Wien lädt ein zu einer Reise in die Geschichte Skopjes, die vor Augen führt, wovon die Welt auch aktuell wieder mehr braucht: Solidarität.
Zugegeben, zwischen den bunten und grellen Plakaten, die aktuell im MuseumsQuartier hängen, scheint jenes der Ausstellung No Feeling is Final – The Skopje Solidarity Collection vielleicht fade. Ist man aber einmal im gekühlten Ausstellungsraum angekommen, genügt ein Blick hinein, um eines Besseren belehrt zu werden. Die Menge und Diversität der ausgestellten Arbeiten ist überwältigend: Von Wandteppichen, Installationen, Fotografien, über zeitgenössische Werke, Plastiken bis hin zu Videos, die ihre Geräusche durch den Raum tragen. Die Idee ist, dass vier internationale Künstler*innen und ein Duo jeweils ein Display zu modernen Werken aus der Sammlung des Museums für zeitgenössische Kunst Skopje erstellen und somit die Arbeiten aus dem 20. Jahrhundert aus zeitgenössischen Perspektiven betrachten. Außerdem dokumentiert die Wiener Fotografin Elfie Semotan das heutige Skopje als urbane Stadt, an der sich eine Geschichte der Stadt in der Ausstellung ablesen lässt. Eine Geschichte der Solidarität, die man beschützen lernen muss.
Beim Schweifen des Blickes durch den Raum zieht es einen wohl zunächst zur riesigen Luftmatratze, die ein Museumsmitarbeiter alle 10 Minuten ohrenbetäubend laut mit Luft nachfüllt. You are very welcome to sit or lie down. Please do not wear shoes or jump. Thank you! Der Künstler Brook Andrew aus Melbourne wählt für sein Display zum Beispiel Picassos Woman’s Head von 1963 neben seiner Arbeit mulunma wiling mangi gudhi (inside the lip of a stolen song). Diese fällt vor allem durch ihr schwarz-weißes Muster mit Bezug auf ein Schnitzmuster der Wiradjuri aus dem indigenen Wiradjuri Country in Australien auf. So rekontextualisiert der Künstler die modernen Werke und das Wertesystem des männlich geprägten 20. Jahrhunderts der Kunst und schlägt eine Brücke zwischen indigener Kultur, Solidarität und dem westlichen Modernismus. Er selbst sagt, sein indigenes Erbe habe schon immer Gemeinsamkeiten, Solidaritäten und komplexe Verbindungen mit ausländischen Orten gefunden.
So hat es auch Skopje nach einem der dunkelsten Tage in seiner Geschichte, der nicht nur Mazedonien, sondern auch die internationale Gesellschaft prägen würde. Am 26. Juli 1963 erschüttert ein schweres Erdbeben die mazedonische Stadt im Morgengrauen. Viele Menschen verlieren ihr Leben oder ihr Zuhause und 80 Prozent der Innenstadt wurden zerstört. Es folgt eine überwältigende internationale Solidarität inmitten des Kalten Krieges. Die internationale Gemeinschaft möchte helfen die Stadt so schnell wie möglich wiederaufzubauen und auch modernistische Künstler*innen möchten ihren Teil leisten. Sie spenden gemeinsam so viele ihrer Werke, dass die Sammlung des neugegründeten MoCA Skopje entsteht.
Das Kollektiv What, How & for Whom (WHW) hat die Ausstellung kuratiert und präsentiert eine weitere spannende Frage nach Solidarität. Im von Gülsün Karamustafa erstellten Ensemble kleiner Keramikfiguren aus der Sammlung und einem eigenen Gemälde, sowie einer skulpturalen Installation wird diskutiert, wann und wie Solidarität möglich ist und wie die Vergangenheit der Werke mit der Gegenwart zusammenhängt. Die Künstlerin grenzt die verschiedenen Werke dafür mit weißen Linien voneinander ab, bringt sie aber gleichzeitig in einer Art privaten Wohnzimmerszene zusammen. Es entsteht ein begehbarer Raum, in dem Fragen zu den Bedingungen der Solidarität nachvollziehbar werden.
Es werden weitere Positionen vom Duo Yane Calouski und Hristina Ivanoska, Sinisa Ilic und Iman Issa versammelt, die allesamt nicht nur Perspektiven bieten, sondern dazu aufrütteln nach der Solidarität in der Welt zu fragen und auf sie Acht zu geben. Auch Heute braucht die Welt Empathie, auch wenn man sie manchmal erst wiederentdecken muss. Dazu lädt diese Ausstellung ein und verzichtet dabei darauf, die westliche Moderne noch ein weiteres Mal entlang ihrer selbst zu erzählen. Die Ausstellung ist noch bis zum 28. Januar 2024 in der Kunsthalle Wien zu sehen.