Mirror, mirror on the wall - who is the hottest of them all?

Fugue Four:Response im Volkstheater sagt patriarchalen Körperbildern den Kampf an. Eine Performance über Sex, Selbstoptimierung und den Körper als Produkt.

(c) Julian Lee Harather

Die Performer*innen von Fugue Four:Response begrüßen uns im Volkstheater mit einem entwaffnend ehrlichen Fake-Lächeln. Olivia Scheucher (Konzept und Regie), Ensemble-Mitglied Nick Romeo Reimann (Co-Regie) und ihre zwei Mitperformer*innen (Luca Bonamore, Thea Ehre) nehmen den Kampf auf, und zwar jenen zwischen dem eigenen Körper und dem Kapitalismus. Zunächst mit schweißtreibender Terraband-Akrobatik – der Körper will schließlich perfektioniert sein, für den Sex, für das Leben. Es folgen eine Siegesrede eines gewinnlosen Gewinners, der es nach hartem Training „nun endlich ewig kann“. Applaus und Blumenstrauß mit Fleischwürsten darin. Danach macht Thea ein tiefgreifendes Geständnis:

„You know what? I am the hottest person in this room“.  

Dafür muss man sich jedoch im nächsten Moment gleich wieder entschuldigen, um keine Sympathiepunkte zu verlieren: „Oh, you are hot too, we are all so beautiful people“. Fazit: Nichts ist vor der Vereinnahmung durch den Kapitalismus sicher, am allerwenigsten der Sex. Fugue Four:Response führt die Zuschauer*innen in eine wirre Performance voller Pseudo-Intimität, Optimierungswahn und der großen Frage nach dem eigenen Selbstbild.

Denn statt Intimität kommt das Stöhnen aus der Voice-Box, statt um Nähe geht es nur um die eigene Performance. Eine Stimme aus dem Off liefert dazwischen immer wieder den theoretischen Rahmen: Das junge Mädchen gilt als ultimatives Produkt, als Fazit internalisierter Marktlogik. Eine faszinierend schlaue, jedoch ziemlich abstrakte Systemkritik.

Ein Spiel zwischen Intimität und Distanz

Teilweise wirkt es so, als hätten die Performer*innen dieser fatalistischen Realität nichts entgegenzusetzen. Und so bleibt - selbst in der kleinen Black Box des Volkstheaters – eine Distanz zwischen den Performer*innen und dem Publikum.

Ein Austreten aus dieser Welt wird nur in wenigen Momenten versucht, etwa wenn ein Blumenstrauß an eine Person im Publikum übergeben wird. Ein Verlassen der Bühne und Übertreten der bestehenden Grenzen bleibt aber unmöglich. Dieser Effekt ist natürlich gewollt – wirkt aber leider an manchen Stellen auch genauso konstruiert.  

Auch zwischen den Performer*innen ist – wie überhaupt in diesem System permanenter Selbstdarstellung – zunächst kein Zusammenspiel möglich. Die Leibesübungen absolviert jede*r für sich.

In den Momenten jedoch, wo sie miteinander in herrliche Dialoge treten, kommt das System ins Kippen.

Nicht nur in sprachlichen Annäherungen, sondern vor allem im körperlichen Gegenüber: Im gegenseitigen Zuhören, Auffangen, in kleinen Berührungen steckt die Möglichkeit eines Auswegs. Allein für die Spielfreude, die die vier schließlich gemeinsam entwickeln, lohnt sich diese dann doch gemeinsam verbrachte Zeit mit ihnen.

Am Ende brechen die Performer*innen aus dem um sie herum geschaffenen Bannkreis aus. Aus einem vorher eingrenzenden Kreis aus Erde, schaffen sie Skulpturen, halten sich aneinander fest, sind ineinander verkrallt und verschmelzen. Vielleicht kann der systematische Spiegel sie so nicht mehr sehen?

Erleben kann man die Performance erneut am 10. und 29. November im Volkstheater Wien.

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