“Ich bin ein Verfechter von Pluralismus”

Am 15. Mai beendete die „Wiener Soul“-Band 5/8erl in Ehr´n die Tour zum neuesten Album im Porgy & Bess in Wien. Einen musikalischen Twist brachte der Platte Live in der Wachau die Kooperation mit dem Jazzorchester Vorarlberg, die den alten, bekannten Songs einen neuen Sound verlieh.

Max Gaier von 5/8erl in Ehr’n /// Emma Marnoch (c)

Seit 2006 kreieren Robert Slivovsky (Gesang), Max Gaier (Gesang), Hanibal Scheutz (Bass), Miki Liebermann (Gitarre) und Clemens Wenger (Piano, Akkordeon) einen Stil, der sich an Soul, Jazz, Pop, Afro-Cuban und Wienerlied bedient. Bekannt sind sie unter anderem wegen ihres Humors, ihrer Doppeldeutigkeit in der Sprache und der politischen Textelemente, die sie in ihren Liedern einarbeiten. Nicht zuletzt die über 1000 Konzerte lange Geschichte spiegelt wider, dass sie auch live als Band gut funktionieren. Nach 6 gewonnenen Austrian Amadeus Music Awards in der Kategorie „Jazz/World/Blues“ und 6 Studioalben zählt 5/8erl in Ehr´n mittlerweile zu den bekanntesten Bands Österreichs.

Ich hatte das Vergnügen, mit Max Gaier bei einem Kaffee zu plaudern:

Bohema: Wenn du nicht Musik machen würdest, was würdest du sonst machen?

Max Gaier: Das ist eine gute Frage. Florist finde ich sehr schön. Könnte mir auch vorstellen, Koch zu sein. Hauptsache kochen oder etwas mit Garten oder Blumen.

B: Warum genau diese Berufsfelder?

MG: Wahrscheinlich, weil es sinnliche Tätigkeiten sind, die jemand anderem was bringen und mir selbst auch. Ich esse gerne und mag gerne Blumen, also irgendwie passt das schon ganz gut zusammen

B: Wie habt ihr es geschafft von eurer Musik leben zu können?

MG: Dass wir von der Musik leben können, liegt schon daran, dass wir live spielen. Wir sind auch nie zu einem Majorlabel gegangen. Hätten wir das gemacht, würde das nicht so eine Erfolgsgeschichte sein. Wir könnten dann auch nicht davon leben, weil es ein urausbeuterisches und kapitalistisches Geschäft ist und da versuchen wir, ein wenig dagegen zu arbeiten, auch über Spotify und die anderen solchen Kanälen. Andererseits bringt mir es auch nix, wenn ich meine Musik nur einer elitären Gruppe zur Verfügung stelle.

B: Wie war es für euch, zu eurem Sound zu finden? Oft kommen ja Musiker*innen mit verschiedensten Einflüssen zusammen.

MG: Die Antwort ist schon in der Frage drin, weil wir so verschieden sind und von wo anders herkommen. Ich bin ein Verfechter von Pluralismus und fände es traurig, wenn man alles einem „normal“ anpassen müsste. Und so ist es bei der Band: je heterogener die Gruppe, desto qualitativer der Inhalt.

MG: Vielleicht ist es manchmal anstrengender, weil man ein bisschen streiten oder sich genau finden muss, aber es zahlt sich voll aus und macht auch glücklich, Dinge zusammenzuführen, die vielleicht nicht unbedingt auf den ersten Blick zusammenpassen würden.

Wir fünf als Band haben zwei Sänger, das ist schon relativ unkonventionell. Und ich finde, dass wir es immer wieder schaffen, live wie ein Klangkörper zu klingen. Das haben wir jetzt auch mit dem Jazzorchester gut geschafft. Da sind wir zu 14. Es klingt nicht nach einer Kollaboration. Es klingt immer noch nach einem „wir“.

B: Ihr habt ja manchmal englische Passagen in den Liedern. Wann singt ihr auf Englisch und wann auf Deutsch?

MG: Es ist schon oft eine Klangmalerei. Eine textliche Ebene ist nicht immer nur Inhalt, sondern auch eine Form. Man kann dann noch ein paar andere Ebenen reinbringen. Also Englisch, gehört auch schon zur Umgangssprache dazu. Es kann leicht sein, dass in Zukunft einmal auch ein kroatisches Wort dabei ist, und italienisch haben wir ja auch schon gesungen. Je mehr Deutungsebenen, desto vielfältiger und desto besser. Pluralismus ist, wie gesagt, immer gut.

B: Ihr sprecht ja auch manchmal politische Themen an. Gibt es da Grenzen oder Themenvertiefungen, die ihr nicht anrührt? Wo ihr sagt: Ok so weit gehen wir nicht, dieses Thema ist uns zu heikel.

MG: Prinzipiell gibt es gar keine Grenzen. Man muss sich immer die Frage stellen, ob man jemandem eine Bühne geben möchte. Dann ist die Frage, ob sie dann auch in einem Lied vorkommen müssen. Da ist die feine Klinge die bessere Variante als zu aktuell und zu plakativ. Das kann auch nach hinten losgehen und ist jetzt nicht unbedingt etwas, das zu den Achterl gehört. Gerade so tagesaktuelle politische Sachen sind eh meistens ein bisschen fad.

B: Seid ihr auch außerhalb vom Musikmachen, politisch aktiv?

MG: Ich glaube, dass man sich das gar nicht aussuchen kann, also selbst eine passive Haltung wäre in dem Kontext etwas Aktives also, weil dann bin ich quasi zufrieden mit der vorherrschenden Matrix. Ich bin ein Oberösterreicher, ein Linzer, und ich kann mich noch erinnern, wie wir am Familientisch saßen und die Oma sagte „Tun wir nur nicht politisieren, tun wir nur nicht politisieren“. Diese Generation hätte das einfach machen müssen. Wir müssen das jetzt einfach machen. Also darum bin ich immer ein bisschen skeptisch, wenn Leute glauben, sie können sich entscheiden, ob sie politisch sind oder nicht.

MG: Ich finde das ein bisschen gefährlich, weil dann geht es sofort in so was Elitäres: Man muss irgendwas können, um über Politik zu reden, oder man muss irgendwas wissen, um etwas Bestehendes zu kritisieren. Ich finde, das muss man überhaupt nicht. Und ja, wir sind dahin gehend schon politische Menschen.

B: Bringt es überhaupt etwas, über politische Sachen zu singen, und das in die Außenwelt zu tragen?

MG: Ja, es muss etwas bringen. Es war doch auch immer schon so, dass Demokratie Instanzen braucht, die funktionieren und da ist die Kultur auch dabei. Ob es evaluierbar ist, dass man ein Lied geschrieben hat, und das hat das gebracht, ist natürlich nicht so. Wenn wir es nur geschafft haben, dass sich irgendwer begegnet, oder wenn man es nur schafft, dass man wen berührt, das sind schon schöne Sachen.

B: Es ist ja generell so, egal was man von sich in die Außenwelt trägt, es hat irgendeinen Einfluss auf irgendjemanden.

MG: Eben. Es ist wichtig, über solche Sachen zu singen und das anzusprechen. Mindestens genauso wichtig wie jedes Liebeslied eigentlich. Ein schönes Liebeslied ist letztendlich auch etwas, das die Welt verändert. Slivo hat da eine schöne Metapher: Wir sind wie ein Schwamm. Jetzt waren wir wieder zwei Jahre unterwegs und saugen Dinge auf, die kommen dann in die 5/8erl Waschmaschine und dann kommen wir mit so einem Wirl raus. Es ist etwas Menschheitsimmanentes, dass wir miteinander kommunizieren, dass wir uns austauschen.

MG: Ich glaube Kommunikation ist überlebenswichtig für uns alle. Wir sind einfach soziale Wesen, als Menschen.

B: In einem Interview habt ihr einmal darüber gesprochen, dass ihr keine richtigen musikalische Vorbilder habt, sondern eher Menschen an sich. Was ist damit gemeint?

MG: Ein Vorbild muss kein Musiker sein. Ich habe einen Nachbarn, der sehr unmusikalisch ist. Er ist aber einfach menschlich ein Vorbild: wie er die Welt sieht, seine Gedanken, wie er auf andere zugeht. Ich schätze oder bewundere schon viele verschiedene Menschen, die ganz viel verschiedene Sachen machen, und nicht unbedingt nur Sänger*innen oder Musiker*innen. Das glaube ich, haben wir damit gemeint.

B: In eurem letzten Projekt habt ihr mit dem Jazzorchester Vorarlberg gearbeitet. Was waren Herausforderungen und wie war die Zusammenarbeit generell?

MG: Mah, ich bin ja noch ganz beseelt von dem, weil wir gerade jetzt fertig sind mit der Tour. Es war wirklich wunderschön, weil wir so zusammengewachsen sind. Am Anfang war es schon ungewohnt, dass wir nicht mehr nur fünf sind, sondern 14. Da wurlts einfach voll auf der Bühne und im Proberaum. Aber ich finde, das haben wir schön hinbekommen. Es ist ein bisschen mehr Aufwand. Ursprünglich hatten wir das Programm schon vor Corona geplant, wir haben sogar noch ein Konzert gespielt und dann ist alles zugesperrt worden. Darum sind wir erst zwei, drei Jahre später auf Tour gegangen. Es waren alle sehr froh, dass wir das machen, und das hat man auch voll gespürt. Dann ist es auch eine wirklich schöne Arbeit!

B: Das ist schön. Werdet ihr nochmal mit ihnen zusammenarbeiten?

MG: Auf jeden Fall, jetzt waren am letzten Abend alle sehr traurig. Wir haben schon ein Konzert irgendwann im Herbst ausgemacht und es wird auf jeden Fall Wiederholungen geben! Jetzt haben wir die Möglichkeit, anders zu komponieren, weil wir diesen Klangkörper zur Verfügung haben. Wir sind da schon recht zusammengewachsen.

B: Wie sieht generell eure Zukunft aus? Ihr habt ja auch schon ziemlich viel ausprobiert. Habt ihr einen musikalischen Meilenstein?

MG: Jetzt werden wir irgendwann mal eine neue Platte machen. Die wird wahrscheinlich nächstes Jahr dann rauskommen. Thementechnisch wird es um das, was gerade passiert gehen. Ich finde, das Bedrohlichste ist die Vereinzelung der Welt, diese unsolidarische Haltung, und natürlich die heteronormative Matrix. Da haben wir alle damit zu kämpfen, egal von wo man kommt oder wie man spricht. Wir brauchen eine neue Sprache, wo sich jede Person angesprochen fühlt und auch benannt wird. Wir müssen uns überlegen, wie Sprache funktioniert, die nicht Leute mit irgendwelchen Normen einteilt. Sprache soll kein Gefängnis sein und ich freue mich auf die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Entschleunigung ist auch immer Thema oder was ist heutzutage Kommunikation? Bin ich wirklich interessiert an meinem Gegenüber oder nicht?

MG: Es ist eine wirklich spannende Zeit! Und da brauchts, glaube ich, jede Kraft, damit wir nicht völlig wahnsinnig werden und uns alle die Schädel einhauen. Themen gibt es genug zum drüber singen.

B: Wie ist generell deine Wahrnehmung der Musiklandschaft in Österreich, auch über die letzten Jahre gesehen: Hat sich da was verändert?

MG: Der kreative Output, ist in Wien und generell in Österreich immer super! Es gibt viele tolle Sachen, das lässt sich nicht umbringen. Es gibt neue, mutige Bands, es wird alles ein bisschen queerer und ein bisschen gerechter. Es sind mehr Frauen sichtbar, was ich sehr toll finde. Nur Männerbands sind richtig fad (lacht – Red.). Also es gibt mehr Vielfalt.

B: Habt ihr sonst noch Ziele als Band, wo ihr einmal hinwollt?

MG: Ich finde, die Achterl sollten einmal die Wiener Festwochen eröffnen, das ist schon längst überfällig. Ansonsten schauen wir, wo man uns zuhört. Ich spiele auf jeder Bühne ganz gerne, solange wir Platz haben und etwas Gutes zum Essen bekommen. Wenn der Sound gut ist und nicht nur pfeift, spielen wir alle gerne. Unsere Ziele sind, gute Lieder zu schreiben und unseren Job machen. Also Leute berühren. Und uns selbst.

B: Könntest du dir vorstellen, das für immer zu machen?

MG: Schon. Der Gärtner und der Koch sind immer noch eine Möglichkeit, aber das geht sich auch nebenbei aus. Ich kann nicht aufhören zu singen, das kann ich mir nicht vorstellen.

Hier könnt ihr 5/8erl in Ehr’n auf Spotify und YouTube folgen.

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