Früher war mehr Lametta
Über die Eigenart der Komik, Loriots geniale TV-Animationen und wie eine Homage zur Blamage wird.
Vicco von Bülow aka Loriot aka der Mann, der die deutsche DNA aufs Papier brachte, kommt mit tosendem Gegähne in die Kinos. Pünktlich zum 100. Geburtstag des verstorbenen Karikaturisten werden in 80 Minuten Zusammenschnitte aus 30 Jahren Animationsgeschichte im neuen Kinofilm zusammengebracht. Doch “Loriots Große Trickfilmrevue“ wird zu einem einzigen großen Trick: die hohen Erwartungen der Zuschauer*innnen in deprimierte Enttäuschung zu verwandeln.
Homemade Humour
Berühmt geworden durch sein Wirken in Literatur, Theater, Fernsehen und Film etablierte Loriot sein Standing als einer der bekanntesten deutschen Humoristen der 1950er-Jahre. Für die Stoffe seiner Werke nutze er seinen außergewöhnlichen Beobachtungssinn, um das deutsche Bürgertum gesellschaftlich zu entblößen und auf humorvollste Weise zu porträtieren. In seiner Komik geht es darum, sich selbst und seine Umwelt wiederzufinden und durch Überspitzungen die Absurdität der Situation zu begreifen. Denn wie Vicco von Bülow schon sagte: „Wer glaubt, Humor bestehe darin, sich über andere lustig zu machen, hat Humor nicht verstanden. Um komisch zu sein, muss man sich vor allem selbst zu Disposition stellen.“ Seit April spielen seine TV-Specials sowie Beiträge zu anderen Fernsehshows und Werbespots nun erstmals im Kino… nur leider im ganz falschen Setting.
Loriots Komik, beruhend auf deutschen Eigenarten, spielt zwar im öffentlichen Raum von Fernsehstudio bis Trabrennbahn, jedoch wird die Komik selbst nach Hause in die eigenen vier Spießer-Wände geliefert und das unverblümt peinlich-ehrlich durch den Öffentlich-rechtlichen. Denn anders als zum amerikanisch-britischen Humor lachen die Deutschen nicht ausgelassen von den Zuschauerrängen der Theater, Kinos oder aus dem Hintergrund von Komödienverfilmungen. Sie amüsieren sich lieber ganz profan auf der durchgesessenen Couch um 20:15 im engeren Kreis, denn so wie es Loriot selbst zum Besten gibt, liegt der Schatz der Komik im Ernsten und nicht in der Albernheit.
Kunstkiller: Innovation?
Ein weiteres Zeichen dafür, dass der Kinofilm das falsche Medium darstellt, um Loriot wieder aufleben zu lassen, zeigt sich anhand seiner berühmten Sketches. Wegen der unzureichenden Materiallage seiner Filme entschied man sich, Anpassungen hinsichtlich der fürs Kino geeigneten Bildqualität vorzunehmen und neu zu kolorieren. Doch den im Original leicht flimmernden handgezeichneten Sketches wurde durch sterile Computer-Animationen das Leben entzogen. In diesem Fall reicht nicht die faule Aussage: „Neuproduktionen haben es auch einfach schwer“, denn es wird kein künstlerisches Werk neu interpretiert, sondern sich an der Renommee Loriots Zeichenstils bedient und abgedroschen kopiert.
So wie Elefanten nicht in einen Zoo gehören, Street-Art nicht in ein Museum, gehören Loriots TV-Shows nicht in einen 80-minütigen Kinofilm gestopft. Die kurzen Animationen leben gerade von der Störung der abendlichen Stumpfsinnbeschallung aus Werbung, Talkshows und Reportagen. Trotzdem soll aus reinen Nostalgiegründen Loriot nicht in Vergessenheit geraten. Es muss nur ein geeignetes Medium her, ein Ort, an dem aktuell das deutsche Spießertum zu überraschen ist, und das stirbt ja schließlich nie aus.