Jansen brilliert mit den Symphonikern
Janine Jansen demonstrierte im Konzerthaus in einem romantischen Programm der Wiener Symphoniker, warum sie als eine der größten Geigerinnen unserer Zeit gilt. Wenn sie doch nur eine Zugabe gespielt hätte...
Auftritt Jansen im langen weißen Kleid. Paukenwirbel, ein sauberer Akkord der symphonischen Holzbläser. Die Solovioline setzt ein, sie beginnt in Max Bruchs Violinkonzert mit der leeren G-Saite. Allein schon in der ersten kurzen Phrase, nur wenige Augenblicke dauernd, zeigte Jansen, woran wir uns den Rest des Konzerts erfreuen durften. Kraftvoll, vor Energie bis in den letzten Zentimeter ihres Bogens nur so strotzend, aber doch weich und strahlend zugleich. Die Akkordbrechungen klar, nie hart, die schnellsten Läufe lupenrein und flink bis in höchste Höhen, so bewegte sich Jansen spielerisch durch den ersten Satz des Konzerts.
Janine Jansen verschmolz mit dem Orchester, um sich dann mit Leichtigkeit von ihm abzuheben
Die Symphoniker unter Chefdirigent Andrés Orozco-Estrada gaben hierfür einen guten Partner ab. An den leisen Stellen verschmolz der Klang der Solistin förmlich mit dem der Orchesterstreicher, nur um sich dann mit Leichtigkeit wieder von diesen abzuheben. Gegen Ende des ersten Satzes, wo das Orchester ohne Sologeige kurz für sich allein steht, wurde allerdings deutlich, dass Orozco-Estrada noch nicht immer das passende Rezept für deutsche Romantik haben mag. Etwas schwer und unbeholfen klang das Ganze, vielleicht auch einfach etwas altmodisch.
Im Adagio wurde erneut die ganze Klasse von Janine Jansen deutlich. Der glasklare Klang ihrer Rivaz, Baron Gutmann-Stradivari füllte auch im Piano jeden Winkel des Großen Saales und so schuf Jansen hier Momente tiefster Innigkeit. Im abschließenden Finale (Allegro energico) bewies Jansen, dass ihr Spiel auch die geforderte „Wildheit“ besitzen kann, ohne jedoch je an Noblesse zu verlieren. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht (Als würde sie sich denken: „Ich spiele das Orchester jetzt in Grund und Boden!“) meisterte sie mit blitzsauberen Dezimen das funkensprühende Finale. Jubel aus dem Publikum - zu einer Zugabe ließ sich Jansen leider trotzdem nicht bewegen.
Orozco-Estrada tänzelte wie gewohnt als Energiebündel am Pult
Andrés Orozco-Estrada hätte (ohne Corona) ja eigentlich auch Haydn ins Zentrum seiner Arbeit mit den Symphonikern gestellt. Doch stand nun nicht Haydn, sondern die Haydn-Variationen von Brahms als Mittelstück am Programm. Orozco-Estrada legte mit relativ zügigem Tempo vor und tänzelte wie gewohnt als Energiebündel am Pult mit. Solide musiziert (toll wie immer die Bläser der Symphoniker) blieb bisweilen etwas an Exaktheit und Überblick auf der Strecke. Der große Bogen war nicht immer ganz ersichtlich. Das Finale gelang hierbei schon sehr schnulzig, aber ok, ist ja doch Brahms und nicht Haydn.
Nach einer unerwarteten, aber sympathischen Ansage des Dirigenten, seine Frau sei während der Proben des Konzerts Mutter geworden, weswegen man die ursprünglich angesetzte Ouvertüre von Juan Crisóstomo de Arriaga gestrichen hätte, weswegen der intendierte Bogen von spanischer Ouvertüre zu Rimski-Korsakows Capriccio espagnol so nicht mehr vorhanden war, freute man sich doch umso mehr auf den zweiten Teil desselben. Und hier spielte Orozco-Estrada auch ganz seine Stärken (und die des Orchesters) aus. Mit unglaublichem Elan und Spielfreude musizierte er die hispanischen Melodien, die fast allen Stimmgruppenführern des Orchesters die Möglichkeit solistisch zu glänzen gab. Speziell der kürzlich engagierte Konzertmeister Dalibor Karvay spielte seine Soli mit schlafwandlerischer Sicherheit, klangschön und mit technischen Bravour. Das Capriccio, ein fetziges Gustostückerl am Ende eines romantischen Programms ohne besondere Logik.