Jung, schön und talentiert

Ein russischer Timo Werner als Wunderbariton, Peter Alexander auf Steroiden und ein Furtwängler-Lookalike am Pult - 12 vielversprechende Sänger*innen beim Abschlusskonzert des Young Singers Pojekts der Salzburger Festspiele.

Volle Breitseite von Zehn Opernsänger*innen /// SF / Marco Borelli (c)

Volle Breitseite von Zehn Opernsänger*innen /// SF / Marco Borelli (c)

Wenn ich als Kritiker Lieblingsstücke aufgetischt bekomme, heißt das meist nichts Gutes für die Aufführenden. Die Lieblingsaufnahme mit Abbado klingt zu penetrant im Ohr, das Tempo kann nur zu schnell oder zu langsam sein usw. Dass mich Evgenia Asanova mit meiner Lieblingsarie beim Abschlusskonzert des Young Singers Projects derart vom Hocker haute, zählt also mindestens doppelt. Mozart schrieb Parto, ma tu, ben mio nur Monate vor seinem Tod, Sesto schwört darin seiner wankelmütigen Geliebten, seinen Freund, den Kaiser auf ihren Wunsch zu töten.

„Alles gelang uns nicht, aber…”

Asanova versetzte sich voll und ganz in die Rolle, ihr Mezzo war genauso intensiv, wie ihr Spiel. Bis 3:07 geht es eher gemütlich zu, ab 5:22 geht dann so richtig die Post ab (sehr zu empfehlen, reinzuhören!). Asanova und Soloklarinettist Ferdi Steiner jagten sich mit ihren wilden Koloraturen gegenseitig, es setzten sich immer stärkere Chills ein, Gänsehaut, zum Schluss flossen meine Tränen. In der Pause erwischte ich den gut aufgelegten Steiner, der mit seiner Bassettklarinette vorne neben Asanova stand und das Rampenlicht offensichtlich genoss. Zum Schluss ging er in ein Pianissimo zurück, das einem das Herz brach. „Fand ich auch, alles gelang uns nicht, aber...“ war seine Reaktion auf meine Anmerkung, die Arie wäre ihnen großartig gelungen. Aus meiner Sicht gelang ihnen so ziemlich alles.

Nach diesem dritten Programmpunkt (zuvor präsentierte uns Verity Wingate eine warm-weiche Gräfin Almaviva aus dem Figaro, das Mozarteumorchester spielte als Auftakt die Ouvertüre zum Schauspieldirektor) begrüßte uns, dramaturgisch eher unpassend, Festivalpräsidentin Helga Rabl-Stadler. Sie hatte aber einen guten Grund: So konnten uns Wingate und Asanova gleich am Anfang bezaubern und noch rechtzeitig zur Felsenreitschule eilen, um in der Elektra zu singen. Sie hatten noch immerhin fünf Minuten...

Nach Asanovas schauspielerischer Meisterleistung kam das Duo Miriam Kutrowatz Gabriel Rollinson etwas statisch rüber, ihr Zusammenspiel war dafür exzellent. Als Tobias Hechler als Nächstes zu seiner Vivaldiarie ansetzte, brach der Herr neben mir intuitiv in Lachen aus. Countertenöre spalten immer noch das Publikum. Hechler vermisste zwar die Weichheit und Klangfülle eines Jakub Józef Orliński, lächerlich war seine Leistung aber keineswegs, die messerscharfen Koloraturen saßen. Nach Liubov Medvedevas höhenklarem Haydn bewies Miriam Kutrowatz, warum sie eine Hoffnungsträgerin der Wiener Musikszene ist: Sie sang klar, hell und wohl artikuliert.

Peter Alexander auf Steroiden und eine Freya aus dem Bilderbuch

Freya Apffelstaedt war eine Freya, wie aus dem Bilderbuch, mit ernster Miene und vollem Alt, der im Duett mit Hechler perfekt mit dessen dünneren Stimme resonierte. Gabriell Rollinsons Timbre ist zieht eher Richtung Bass als Bariton, er spielte einen authentischen Showman. Vor der Pause wurde noch ein weiterer Sänger eingeführt, Alexander Köpeczi war schon beim Einlaufen ein beeindruckender Osmin. Er sah aus, wie Peter Alexander auf Steroiden und sang stimmgewaltig. Ich freue mich schon auf seinen Commendatore in einigen Jahren. Nach der Pause folgten romantische Arien und weitere neue Sänger*innen. Tenor Sebastian Mach klang, wie aus dem Schellackzeitalter (was keineswegs negativ gemeint ist), Ikumi Nakagawa zeigte uns eine feine, aber starke Stimme.

Ángel Macías und Nikolai Zemlyanskikh strahlten eine geballte männliche Energie aus /// SF / Marco Borelli (c)

Ángel Macías und Nikolai Zemlyanskikh strahlten eine geballte männliche Energie aus /// SF / Marco Borelli (c)

Star der romantischen Hälfte war Bariton Nikolai Zemlyanskikh, der im Duett mit Ángel Macías dessen schönen Tenor locker überstrahlte. Stark, glänzend, agil, so einen Bariton hört man nicht alle Tage, wenn er auch noch Russe ist, kommt man nicht herum, ihn mit dem großen Dmitry Hvorostovsky zu vergleichen. Macías erinnerte an den jungen Juan Diego Flórez, der Russe an Chelsea-Stürmer Timo Werner, gemeinsam sprühten sie nur so vor männlicher Energie. Während Zemlyanskikh seine Korngoldarie sang, freute ich mich schon, ihn auf den Wiener Bühnen zu sehen.

Der Schluss hinterließ mich mit nassen Augen: Puccinis Bevo al tuo fresco sorriso sangen alle Sänger*innen zusammen. Bei so viel Gesangspower kam das Mozarteumorchester unter dem Furtwängler-Doppelgänger Adrian Kelly kaum hinterher. Besonders in Erinnerung bleiben mir Asanova, Köpeczi und Zemlyanskikh, das waren aber alles schöne (in der harten Opernwelt zählt das nun mal...) und wirklich begabte junge Menschen, auf die mit aller Wahrscheinlichkeit eine glänzende Zukunft wartet.

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