Keine Kangaroos in der Ostmark

Wie damit umgehen, dass Klassiker der österreichischen Filmgeschichte Erzeugnisse der Nazi- Propaganda waren? 

Foto: Wiener Blut

Foto: Wiener Blut

Wer kennt sie nicht, von faulen verregneten Sonntagvormittagen vor dem Fernseher der Großeltern, die seichten Unterhaltungsfilme mit Gesichtern wie Hans Moser, Paul Hörbiger, Willi Forst und wie sie nicht alle heißen. Filme, in denen noch eine heile Welt zu herrschen scheint, man bietet einander bei einem Glaser Wein das Du-Wort an, stimmt gemeinsam ein Wienerlied an und küsst ein Maderl, oder vielleicht auch gar zwei. Viele dieser Filme, egal ob sie nun zu Zeiten der K.u.K Monarchie oder in der damaligen Gegenwart angesiedelt waren, scheinen vor purem Österreich-Kitsch nur so zu sprühen. Gerade das Duo Moser und Hörbiger waren über Jahrzehnte hinweg höchst populär und gelten ja geradezu als die Versinnbildlichung des Wienertums schlechthin. 

Doch der Schein trügt, nicht nur in der Zwischen- und unmittelbaren Nachkriegszeit waren diese Art von Filmen ein fixer Bestandteil des österreichischen Kinomarkts, sondern auch in der Zeit, die dazwischen lag. Eine Zeit, in der „Österreich“ formell und ideologisch nicht existierte. So entstanden viele klassische Vertreter dieser Art von Filmen, besetzt mit den bekanntesten Stars der damaligen Zeit und gewissermaßen Österreich bis zum Erbrechen, unter der Fuchtel der Nationalsozialisten.

Goose Step statt Vogerltanz

Deutschland führte durch seine politische und wirtschaftliche Übermacht das kleine Österreich schon lange vor dem „Anschluss“ am Gängelband. Seit dem Juliabkommen 1936 war die österreichische Filmindustrie de facto gleichgeschalten. Drehbücher mussten in erster Instanz an das Propagandaministerium in Berlin gesendet werden, um auch nur eine Chance zu haben, Deutschland als Absatzmarkt gewinnen zu dürfen. Konkret hieß diese Abhängigkeit vor allem eines: den Ausschluss jüdischer Kulturschaffender aus der Filmindustrie. Das war aber bei weitem nicht die einzige Auswirkung. 

Ovationen des Reichstags nach der Ankündigung eines Anschlusses an Österreich /// Foto: Wikimedia Commons

Ovationen des Reichstags nach der Ankündigung eines Anschlusses an Österreich /// Foto: Wikimedia Commons

Da die gesamte Kultur- und damit auch die Filmindustrie dem Propagandaministerium unterlag, wurde der Film ebenso als wichtiges Propagandamittel missbraucht. Neben offensichtlich politischen und vor allem nazistischen Filmen wie Triumph des Willens (1935, Leni Riefenstahl) oder Jud Süß (1940, Veit Harlan) gab es auch den unpolitisch anmutenden Unterhaltungsfilm. Hier traten die großen Performer der damaligen Zeit auf: Hans Moser, Paul Hörbiger, Willi Forst, Theo Lingen, und viele weitere. Auch wenn diese nicht einmal unbedingt gezwungenermaßen nazistisch eingestellt waren, so arrangierte man sich doch und spielte weiterhin in Film und Theater. Das Arrangieren war seit jeher eine der großen Stärken des Österreichers. 

Erst kommt Österreich…

Grundsätzlich unterschieden sich diese Art von Filmen ja relativ wenig von jenen aus der Zwischen- und Nachkriegszeit. So gab es Operettenverfilmungen, K.u.K. Kitsch und allerlei Verwechslungskomödien. Auch im Hinblick auf die Besetzung und Handlungsorte gab es große Kontinuitäten, nur gewisse Kulissen wurden, je nach Zerbombungsgrad, kurzzeitig ausgespart. Unpolitisch waren diese Filme dadurch allerdings keineswegs. So war ein häufiges Motiv der (komödiantische) Konflikt zwischen dem schmähstaden Preußen (lies Piefken) und dem geselligen und ungemein schlampigen Österreicher. Am Ende waren dann stets alle Probleme aus dem Weg geräumt und man vertrug sich bei einem gemeinsamen Glaserl Wein. Eine heile Welt also, es lebe die deutsch-österreichische Freundschaft! 

…und dann kommt lang nix

Nur dass das Wort „Österreich“ nach dem Anschluss natürlich in keinem Kontext Fallen durfte. Aus Österreich, mitsamt eigenständiger Identität und Historie, war die Ostmark geworden. Am einfachsten ging das natürlich mithilfe von in der Vergangenheit angesiedelten Filmen, oftmals zu Zeiten des Wiener Kongresses, oder man umging gewisse Begriffe einfach gekonnt. 

Foto: Wikimedia Commons (c)

Foto: Wikimedia Commons (c)

Man nehme beispielsweise den Film Schrammeln (1944, Géza von Bolváry), über ein bekanntes Wiener Musikquartett, besetzt mit Größen wie Hans Moser, Paul Hörbiger, Hans Holt und Fritz Imhoff. Da der Film von einem Quartett handelt, kommt es immer wieder zu Musikeinlagen aus dem Kanon des Wienerlieds, so unter anderem „Wer no in Wien ned war“. 

Der Refrain des Liedes, gegen Ende des 19. Jhd. geschrieben, lautet wie folgt: 

Wer no in Wien net war
und Linz ned kennt,
wer net in Graz drin schon spazier’n is g’rennt wer Salzburg net hat g’sehn, das Paradies, hat kein Begriff davon, was Öst’reich is. 

Im Film lautet die letzte Zeile: hat kein Begriff davon, wie schön’s da is. 

Die Änderung ist subtil, das Lied und die Melodie klingen an sich wie gewohnt, auch die Gebrüder Schrammel bleiben fest in Wien verankert, Wein und Madln inklusive. Nur der Österreichbezug ist still und heimlich unter den Tisch gefallen. 

„Lernen’S Geschichte, Herr Zuschauer“

Doch was heißt das Ganze nun für das Publikum von heute? Kann man noch guten Gewissens einen Film von und mit Willi Forst schauen? Einen Film wie Heimkehr (1941, Gustav Ucicky), der ja auch als Vorbehaltsfilm (ein Film der nur im wissenschaftlichen Kontext gezeigt werden darf) gekennzeichnet ist, wird man nicht so schnell im Fernsehen sehen. Aber eine für sich gesehen harmlose, wenn auch verstaubte, Operette? Wobei selbst bei solcher – dezidiert propagandistischen - Art Filmen ihre Darsteller (Paula Wessely und Attila Hörbiger) spätestens 1947 wieder vor der Kamera stehen und noch über Jahrzehnte große Erfolge feiern durften. Der Name Hörbiger wird im Kontext der österreichischen Filmgeschichte im Übrigen noch öfters fallen. 

Wie schon erwähnt waren diese Art Unterhaltungsfilme bis weit in die 1960er Jahre fixer Bestandteil des – nun wieder österreichischen – Kinomarkts. Im Fernsehen zu sehen sind sowohl Filme aus den 40ern als auch aus den 60ern. Es wirkt beinahe absurd, dass solch – vermeintlich österreichischer – Kitsch, einen solch belasteten Hintergrund hat. Nicht dass es per se absurd wäre, dass ein älteres Kunstwerk in irgendeiner Form historisch beladen ist, sondern der Umstand, dass die ursprüngliche Ideologie dahinter sich regelrecht antagonistisch zur heutigen Wahrnehmung verhält. Das kollektive Gedächtnis der Nachkriegszeit hat hier auch sein Bestes getan, eben diesen Hintergrund so weit es geht unter den Teppich zu kehren. 

Foto: Wikimedia Commons (c)

Foto: Wikimedia Commons (c)

Stellt sich nur die Frage, welchen Sonderstatus wir diesem Umstand zuschreiben wollen. Dass Kunstwerke oftmals mit vorherrschenden Ideologien beladen sind, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Gerade in Krisenzeiten färben sich gewisse Weltbilder besonders stark auf Kunst und Gesellschaft ab. Das war und ist im Hollywoodkino nicht viel anders. Wobei das Ausmaß an Zensur und politischer Lenkung der Inhalte unter den Nazis ein besonders ausgeprägtes war. Auch sie wussten, dass das Volk bei Laune gehalten werden musste, auch um das Regime stabil zu halten. Gleichzeitig ist das Konzept des puren „österreichischen“ in der Zwischen- und Nachkriegszeit keineswegs unpolitisch oder gar natürlich entstanden. Hauptsächlich dienten diese Motive entweder zur Ankurbelung des heimischen Tourismus, oder sich von Deutschland abzugrenzen. Diese kulturelle Abgrenzung fand unter den Austrofaschisten genauso statt wie während der Besatzungszeit seitens der Alliierten. Und doch gibt es einem ein etwas mulmiges Gefühl, wenn man bedenkt, dass es sich bei klassischen Vertretern der österreichischen Filmgeschichte, vor allem jene mit besonders starkem Österreich- und Wienbezug, um Erzeugnisse der Propagandamaschinerie der Nazis handelt. 

Wissen ist Macht, es braucht sich dabei niemand seinen liebsten Hans Moser madig machen lassen, aber manches ist doch wichtig im Hinterkopf zu behalten, gerade bei solchen Kunstwerken mit trügerischen Ideologien. 

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