La donna è mobile

Die Sängerin und Songschreiberin Donna Leona fängt mit ihrer zweiten EP den Sommer ein und trifft den „post“-pandemischen Eskapismus-Vibe.   

Laura Affolter (c)

Im Sommer ist Donna Leonas zweite EP Ganz privat! erschienen. Unter dem selbsternannten Genre „Indie Schlager“ vereint die Mittzwanzigerin selbstbewussten Deutsch-Pop mit expliziten Texten und der Nostalgie von Rimini ca. 1960. Ich durfte mich bei einem Gelato mit ihr darüber unterhalten.

Bohema: Wie bist du zu deinem Künstler*innennamen gekommen?

Donna Leona: Ich habe Musik zunächst unter Leona veröffentlicht, hieß auf Instagram aber schon Donna Leona – es gibt ja diese Krimi-Reihe „Donna Leon“, das fand ich einen lustigen Wortwitz. Ich hatte die Idee Donna Leona von vorneherein als Artist-Namen zu wählen, aber dachte mir aus meinem Klarnamen kann ich nicht rauswachsen. Es kam aber der Gedanke dazu, wenn ich in Zukunft auf Deutsch schreiben möchte, dann würde ich mich wohler damit fühlen, Distanz zu meiner privaten Person zu schaffen, um mutig genug sein zu können, solche provokanten Texte zu schreiben und Songs zu veröffentlichen.

B: Welches Konzept hattest du für deine neue EP?

DL: Ich mag dieses Bild, was ich mir für Donna Leona ausdenke – ein sehr ausschweifendes Diva-Dasein – und ich finde das passt total gut in diese Aperol-Italo-Stimmung. Mich wunderts auch selbst was das gerade für eine interessante deutsch-italienische Bewegung ist. Es hat ja mit Wanda angefangen und jetzt gibt es ganz viele Bands, die in ihren Songs zumindest mal italienische Wörter droppen oder Bezüge machen. Als es in die Planung zur zweiten EP ging, dachte ich an die Schager-Welle und den Eskapismus der Nachkriegszeit. Die heile Welt wollte man sich nicht umsonst her wünschen, sondern weil die Vergangenheit so sch***e war.

DL: Es war mein Hot Guess, dass dieses Gefühl nach Corona wiederkehren und sich in der Musik abzeichnen wird.

B: Dein Song „I Ain’t Got Time For That“ (2020) ist offensichtlich auch von den 80ern inspiriert. Und auch der neue Track „Rosen sind Rot“ klingt musikalisch wie inhaltlich sehr ähnlich. Gibt es da einen Zusammenhang?

DL: Es ging schon um die gleiche Story bei den beiden Liedern, aber das war nicht der ausschlaggebende Punkt. Beides sollten durch eine Wut energetische Songs sein, weshalb wir auch Schwierigkeiten hatten, „Rosen sind rot“ gut auf die restliche Platte zu bekommen, die ja sonst sehr entspannt klingt. Wir haben dann versucht, mit Instrumentals und Sounds, die bisher gut zu mir gepasst haben, einen logischen Bezug zu den alten Songs zu schaffen. 

Zwei Artists, ein Team

„Wir“, das sind Donna Leona und Niklas Loose aka Daniloo. Donna Leona arbeitet seit ihrer ersten Single Lioness (2019) eng mit dem Produzenten, um ihre Songvorstellungen mit der passenden Instrumentation zu interpretieren. Trotz der langjährigen Kollaboration war für die beiden klar, dass sie sich als zwei eigenständige Artists sehen. Auf Ganz privat! hat Niklas nun auch in der Komposition mehr Freiheiten bekommen.

 B: Wer hat bei der musikalischen Ausgestaltung der Songs das letzte Sagen? 

DL: Ich vertraue ihm schon sehr, was sein Vorstellungsvermögen angeht, weil ich mich da manchmal sehr eingeschränkt fühle. Aber zum Beispiel gab es bei „Enges Mieder“ eine Diskussion: Ich wollte die Trompeten am Ende so doll drin haben. Und Niklas meinte, er höre da keine Trompeten, die bräuchten wir da nicht. Aber ich war so „doch, ich will sie haben“ und so sind sie drinnen geblieben. Es ist ja auch mein Projekt im Endeffekt.

B: „Enges Mieder“, das ist definitiv mein Lieblingssong von der EP. 

DL: Das finde ich witzig. Ich habe den Song wirklich unterschätzt. Er war für mich die B-Seite, weil er nur so dahinerzählt ist und wenig Struktur hat. Als ich vor der Veröffentlichung der EP das erste Mal ohne Niklas als Live-Gitarristen aufgetreten bin, waren alle meine Friends von „Enges Mieder“ begeistert, da war die EP noch gar nicht veröffentlicht. Eigentlich wollte ich „Rosen sind rot“ zur Lead-Single machen, aber dann dachte ich, maybe I should try that one …

B: Am Ende ist es keiner von beiden geworden, sondern „Dreh Dich“. Wie ist der Song entstanden?   

DL: Manchmal habe ich Notizen auf meinem Handy, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben und mache daraus eine Story. Hier fand ich es spannend, die Entwicklung mit der Message „Does age even matter?“ zu machen. Und aus der lasziveren Perspektive: „Ist mir eh egal, Hauptsache du bist ein Typ.“

Also es ist nicht nur eine Person, von der ich da erzähle. Es gab die erste und die letzte Person wirklich. Und dazwischen den großen Bruder, den gab’s sicher auch schon mal (lacht), den habe ich mir einfach dazwischen gewurschtelt.

 Aperol-Italo-Stimmung

Neapolitanische Pizza und dazu ein Aperol Spritz. Das ganze untermalt von der Musik eines Adriano Celentano oder Urlaub in Italien. Der Italo-Lifestyle hält seit geraumer Zeit Einzug in unserem Alltag. Wer es heuer nicht an die italienische Adria geschafft hat oder die Erinnerungen länger wachhalten möchte, der*die möge sich die Ganz privat!-EP zu Gemüte führen.

 

B: Wie kam es dazu, dass du den Song als „Gira“ auch in italienischer Sprache aufgenommen hast? 

DL: Bei der Crucchi Gang interpretieren Artists ihre eigenen oder andere deutschsprachige Songs neu und singen diese auf Italienisch ein. Die Idee fand ich so cool, dass ich mir dachte, hey, wie funny wäre es, das auch einfach zu machen – also egal, ob ich Teil dieses Projekts bin oder nicht. Dadurch, dass Dreh dich durch seinen expliziten und lasziven Text, also auf sprachlicher Ebene, heraussticht, fand ich es spannend, den Song genau auf dieser Ebene anders zu interpretieren.

B: Inwiefern wäre das für dich Cultural Appropriation, wenn man sich italienischer Kultur und Ästhetik aus marketingtechnischen Gründen bedient?

DL: Ich habe mir schon oft die Frage gestellt, wann beginnt in dem Punkt Aneignung. Ich beschäftige mich schon regelmäßig damit und glaube, dass ich mich da auf riskantem Terrain bewege, weil Donna Leona in gewisser Weise schon eine Karikatur meiner Privatperson ist, ohne dass ich es jetzt albern machen will. Und deshalb sage ich, wenn ich danach gefragt werde, ich habe offensichtlich keine italienischen Wurzeln.

Ich möchte aber auf einer Vespa sitzen, Fiat 500 fahren und Aperol trinken, das möchte ich alles auf jeden Fall.

B: Das kannst du ja auch machen!

DL: Ja, das kann ich auch machen. Ich glaube aber, dass ich das Risiko in Kauf nehme, Kritik dafür zu ernten. Bisher versuche ich das zu reflektieren und keine Aneignung zu betreiben, aber im Zweifelsfall bin ich nicht die Person, die das beurteilt. Ich bin da ja auch nicht alleine, sondern es gibt ja andere Indie-Bands, die das auch total leben und ich glaube, bei allen schwingt da eine gewisse Nostalgie mit. Aber wie respektvoll ist es, sich auf die Vergangenheit eines Landes zu beziehen und diese zu überromantisieren, ohne sich mit aktueller Politik in dem Land zu beschäftigen. Das zollt dem Land dann doch nicht den Respekt.

Deutscher Indie-Fem-Pop

Den schillernd pulsierenden Indie Pop ihrer früheren Songs setzt Donna Leona auf Ganz privat! mit einer neuen Soundpalette um und grenzt sich damit klar von „klassischen“ Deutsch-Pop-Sängerinnen wie Lea oder Lotte, aber auch von den souligen Chansons eines Roger Cicero ab. Mit einer großen Portion Selbstbestimmtheit macht sie sich auf, Deutsch Pop wieder sexy zu machen – nach ihren eigenen Regeln.

 

B: Du hast mit deinem Musikprojekt einen feministischen Anspruch. Hip-Hop Künstlerinnen gehen diesem meist mit sexueller Autonomie und expliziten Texten nach. Wie äußert er sich bei dir? 

DL: Ich höre schon auch gerne die Wilde Herzen-Playlist oder JEREMIAS oder Provinz, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es bei cis-männlichen Indie-Bands ein viel größeres Selbstverständnis gibt, dass die süßen Boys aus der Kleinstadt mit Augenzwinkern die Herzen brechen. Und das hat mich immer gestört. Wie du schon sagst, bis auf im Rap nimmt es sich kaum eine Frau raus, explizit zu singen und Dinge zu fordern. Deswegen möchte ich diese Person für den deutschsprachigen Indie Pop sein, das passt gut zu meinen Texten und das kann ich ganz gut vertreten.

Mir wird in der Musikbranche niemand diesen Raum schenken, sondern ich muss ihn mir nehmen. Das ist für mich der feministische Aspekt in meiner Musik.

B: Wie geht es damit für dich weiter? Denkst du schon an ein Debütalbum?

DL: Die zukünftigen Songs werden nicht alle – sag ich mal – „Schlafzimmer“-Songs werden, aber wir dachten, die EP soll einmal einen Standpunkt markieren und sehr klar sein. Dann habe ich ja Spielraum mehr zu machen. Jetzt direkt wird es kein Album geben, dafür möchte ich erst mal musikalisch in Wien ankommen und mir hier mein Netzwerk schaffen, um neue Songs oder ein Album zu produzieren. Vielleicht wird sich die Stadt ein wenig abbilden, das fände ich ganz cool.

Ihr findet Ganz privat! auf Spotify und Bandcamp.

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