Leere mit Leben (und Kunst) füllen
Der Verein Never at Home zieht seit 2021 jeweils temporär in verschiedene leerstehende Gebäude in Wien und füllt sie mit Kunst und Leben. Ein Interview mit Clara und Vera Grillmaier & Nina Zips über Leerstandsaktivierung, das Skurrile an leerstehenden Gebäuden mitten in der Stadt, Stahlbeton, ihre aktuellen Ausstellungen am Standort am Sachsenplatz und wie Kunst Unsichtbares sichtbar werden lässt.
Bohema: Ihr, Vera und Clara, habt die Ausstellung Invisible Obvious und FILL von Robert Pawliczek kuratiert, welche im Rahmen eures Vereins Never at Home und der Foto Wien am 2. Juni eröffnet.
Clara Grillmaier: Man kann das Thema der Ausstellung eh als ein ganz schönes Beispiel für das gesamte Konzept von Never at Home nehmen. Die Idee für die Ausstellung war schon vor diesem Standort hier am Sachsenplatz 4-6, dem ehemaligen Gebäude des Springer-Verlags, geplant. Bei Robert Pawliczeks Arbeit ist es beispielsweise besonders spannend, dass er mit einem riesigen site-specific Painting Object auf die Architektur reagiert und damit den Raum mit seinen charakteristischen Eigenschaften unterstreicht. Aus kuratorischer Perspektive finden wir diese ortsspezifische Arbeit toll, weil wir durch unsere Arbeit auch in gewisser Weise den Ausstellungsraum neu denken, weg von einem White Cube-Gedanken.
Vera Grillmaier: Diese Ressource Raum - ein Gebäude, in was für einer Nutzungsform auch immer - ist im Leerstand einfach eine Verschwendung von Ressourcen prinzipiell.
Zara Pfeifer, eine der vier Künstler*innen, setzt sich mit ihrer gezeigten Arbeit direkt mit dem Thema Leerstand auseinander. Sie zeigt fotografisch das ICC Berlin, ein leerstehendes Kongresszentrum, in sehr ästhetischen Bildern. Das erinnert eigentlich gar nicht an ein leerstehendes Gebäude, sondern schaut eher wie ein Hotel aus den 70er Jahren aus, es ist in einem total guten Zustand, aber wartet schon lange auf ein Nutzungskonzept.
Kurt Prinz, ein weiterer Künstler, dokumentiert fotografisch den Abriss von Gebäuden. Durch diese Bilder wird der ganze untrennbare Müll und Schutt sichtbar. Dieser unzertrennbare Verbund an Materialien, welche in Massen gehäuft daliegen.
Clara Grillmaier: Das Absurde ist das Ästhetisieren davon. Auch bei Alessandro Albrecht sieht man das. Er richtet seine Aufmerksamkeit auf Details im urbanen Raum, fotografiert diese auf fast provozierend ästhetische Art und Weise und macht dadurch auf die Müll-Problematiken und Ressourcenverschwendung aufmerksam. Das macht was mit einem, so „schöne” Bilder von Müll zu sehen.
Das Werk von Alessandro in der Pilgramgrasse ist auch ein schönes Beispiel. Er zeigt die Massen an Ton, die beim Ubahn-Bau anfallen – Ressourcen, die man nutzen könnte.
Bohema: Das ist ja auch ein Mehrwert der Kunst, in einem ästhetischen Rahmen Dinge sichtbar und auf Probleme aufmerksam zu machen.
Vera: Das generelle Thema von der diesjährigen Foto Wien ist Photography lies. Wir haben das als Appell verstanden, Transparentmachung zu ermöglichen und auf gewisse Systeme aufmerksam zu machen, welche oft übersehen werden.
Clara: Es zieht sich durch die Konzepte all unserer vier Künstler*innen der Ausstellung, unterschiedliche Arten der Transparentmachung, auch bei der Mafalda Rakoš. Sie hat ein Projekt, bei welchem es um Essstörungen geht; wie Personen, welche von solchen Krankheiten betroffen sind, sich in der Gesellschaft zurechtfinden. Essstörungen sind oft weiblich* assoziiert, weshalb sie ein Projekt gemacht hat, wo es um Männer* mit Essstörungen geht. Einer der Männer hatte gesagt, dass er sich nicht als Teil der Gesellschaft sieht, weil er Anorexie hat, er aber für viele auch kein Teil dieser anorektischen Welt ist, weil er ein Mann ist. Im Zuge der Ausstellung zeigt sie eine Serie, die während Corona entstanden ist und auf diese Thematik aufmerksam macht. Während dieser Zeit hat viel im eigenen Zuhause stattgefunden, viele Strukturen sind dabei intransparent geblieben
“A Story to Tell”
Bohema: Sie hat mit diesem Projekt auch vor einiger Zeit eine Ausstellung im WestLicht gehabt, oder?
Vera: Genau. In ihrer Ausstellung bei uns geht es auch um diese gesellschaftlichen Systeme, worüber gesprochen wird und worüber nicht. Über Leerstand wird auch nicht wirklich gesprochen, aber es ist kein Geheimnis, genauso wie Essstörungen kein Geheimnis sind, aber es wird auch wenig über diese gesprochen. Als gemeinsamer Nenner stellt sich hier die Frage, wie dieses Ästhetisieren und künstlerische Umsetzen wirkt, um auf solche Umstände aufmerksam zu machen und um eine Diskussion darüber zu eröffnen.
Bohema: Ihr besitzt Leerstandsexpertise - wie lang setzt ihr euch schon mit diesem Thema auseinander?
Vera: Das überspannt unser gesamtes Projekt als Verein Never at Home.
Nina Zips: Wir machen Never at Home seit 2021, das hier ist unser dritter Standort. Wir waren zuerst in einer leerstehenden Schule im 1. Bezirk in der Hegelgasse, danach sind wir an den Schubertring umgezogen. Das war eine ehemalige Prunkwohnung, bevor es eine Sprachschule wurde und danach zu Büroräumlichkeiten. Auch hier hat sich der Zweck des Raumes stetig gewandelt. Wir waren dort für ein halbes Jahr mit einer Galerie drin. Die Übergänge in die neue Location haben sich immer recht fließend ergeben. Jetzt sind wir seit Anfang April hier am Sachsenplatz, wobei zuerst die Studio-Artists eingezogen sind, von welchen wir nun 43 haben - bis die alle eingezogen sind, dauert es auch. Im April haben wir dann auch begonnen, die Hallen zu benutzen und als Ausstellungsräume zu bespielen.
Vera: Am Anfang des Projekts wussten wir noch nicht so richtig, wie das alles geht. Mit der Zeit haben wir uns eine Expertise angeeignet und wir merken, was unser Projekt so besonders macht und was für einen Impact wir haben. Aktuell arbeiten wir mit ARTCARE und WOHNART zusammen und merken immer wieder, wie wichtig Kooperationen sind, weil jeder eine andere Expertise mit einbringt und man voneinander lernt.
Es ist die Essenz von unserem Projekt, dass wir extrem spontan und kurzfristig arbeiten, wenn man nur kurz in den Räumlichkeiten drin ist wie hier im ehemaligen Gebäude des Springer Verlags am Sachsenplatz. Wir dürfen es nur für ein halbes Jahr bespielen, von April bis September. Wir als Verein finden, dass junge Kunst sehr experimentell und spontan funktioniert.
Clara: Ich glaube mit jedem Standort, den wir bespielt haben, hat sich unser Wissen erweitert. Diese Erfahrungswerte haben sich mit der Zeit entwickelt und auch diese Definition, was unser Konzept einzigartig macht. Es ist schön zu merken, wo wir stehen, was unsere Expertise ist und mit diesen Mehrwerten Kooperationen einzugehen mit Partner*innen, welche andere Expertisen haben. Dieses kollaborative Potenzial ist sehr wichtig.
Genauso schwer, wie das Finden einer Wohnung?
Bohema: Wie findet ihr solche Räumlichkeiten? Wie leicht oder schwer ist es, an leerstehende Räume heranzukommen?
Vera: Im Endeffekt sind es viel Recherche, Eigeninitiative und Kontakte. Wir haben von Anfang an immer sehr detaillierte Konzepte für die Immobilienbesitzer*innen ausgearbeitet, das können noch so viele Kontakte auch nicht ersetzen. Nicht jede*r Immobilienbesitzer*in würde sagen „here you go, have fun with it“. Das, was wir als Never at Home probieren zu schaffen, ist die professionelle Schnittstelle zwischen Immobilienbesitzern und Künstlerinnen zu sein.
Bohema: Aus welchen Bereichen kommt ihr? Was habt ihr studiert?
Vera: Ich habe Kommunikationswirtschaft studiert und danach noch Kunsttheorie. Stefan Altenriederer hat Musikwissenschaften und Kulturmanagement studiert. Wir kommen also alle eigentlich aus dem Kommunikations- und Kulturmanagementbereich. Es braucht ein sehr großes Interesse für die Sache und für Kunst, aber auch die Motivation, zu organisieren und zu planen. Wir sind dafür da, die Gebäude instand zu halten, aufzuräumen…
Clara: Wir machen alle auch noch andere Sachen daneben, haben aber eine große Leidenschaft für das Projekt.
Vera: Es wäre etwas anderes, wenn wir Künstler*innen wären, dann hätte das Projekt einen ganz anderen Charakter.
Nina: Viel der Arbeit, die wir machen, ist Hausverwaltung. (Lachen)
Vera: Es ist aber wichtig, dass wir dieses Projekt in gewisser Weise kuratieren. Die Künstler*innen, die in unsere Studios einziehen, sind von uns ausgewählt. Es sind keine hohen Kriterien, aber es geht einfach darum, die richtigen und passenden Leute bei sich zu haben, weil wir ein sehr gemeinschaftliches Projekt sind.
Clara: Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt; dass wir schon sehr klar definierte Werte haben und Impulse für die Kunstszene setzen wollen mit unserer. Initiative. Weil wir ein Verein und nicht profitorientiert sind, eröffnen sich uns ganz andere Möglichkeiten.
Nina: Gerade auch bezogen auf den Leerstand war es für uns immer ein großes Anliegen, dass die Räume und Ateliers, die wir bieten, auch genutzt werden, nicht als Lager oder von Leuten, die eigentlich keinen Raum brauchen und dann gar nicht hier sind. Es geht darum, ein Gebäude zu beleben, da legen wir viel wert drauf. Wir haben viele Leute von Universitäten, weil auch solche oft kein Atelier oder einfach nicht genug Arbeitsplatz zur Verfügung haben. Es ist eine Gemeinschaft, da muss es sozial auch passen, dafür gibt es auch klare Hausregeln. Wie soll es auch anders sein bei 50 Leuten in einem Haus.
Bohema: Man braucht ja auch ein Konzept und definierte Linien und Vorstellungen über sein Projekt, nach welchen man handelt, damit es vorangeht und funktioniert.
Clara: Genau das ist es. In unserer Gründungsphase haben wir uns viel Zeit genommen, um zu definieren, was unsere Werte und unsere Vision sind.
Bohema: Baut ihr dieses Leerstands-Thema öfters künstlerisch in eure Ausstellungskonzeptionen ein, so wie jetzt bei Invisible Obvious, wo sowohl der Ausstellungsraum als auch die Ausstellung an sich den Leerstand thematisch aufgreifen?
Nina: Das kommt immer mal wieder vor, auch in einzelnen Kunstwerken. Oft sagen wir bei bestimmten Personen, dass wir gerne mit diesen zusammenarbeiten wollen, weil sie sich auch mit dem Thema identifizieren können, aber es ist kein festgesetztes Auswahlkriterium und kein Muss.
Vera: Wir haben es jetzt für eben diese Ausstellung als Punkt genommen, weil wir das Thema interessant finden, wir dieses Thema eh präsent haben und es sich gut ergänzt.
Eine Parkgarage ist ohne Autos eh viel besser (ein Stadtzentrum auch)
Clara: Vera und ich haben auch mal zusammen eine Ausstellung in einer leerstehenden Garage kuratiert. Was mit dem Raum durch künstlerische Interaktionen passiert ist etwas, das generell in unser kuratorisches Konzept miteinfließt, weil diese Auseinandersetzung mit Räumen in unserem Schaffen immer so präsent ist.
Bohema: War es die Garage Grande im 16. Bezirk?
Alle: Genau, ja.
Bohema: Die Garage Grande kennt man als so ein Wiener Beispiel für Leerstandsnutzung, einen Standort, der künstlerisch bespielt wird.
Vera: Die haben es ganz cool kombiniert, da sie künstlerische- mit Nachbarschaftsprojekten in einem Haus gemeinsam kombiniert haben. Es macht auch Sinn, nicht nur künstlerisches dort zu machen, sondern auch soziales.
Bohema: Was sind positive Elemente und was erschwert euch die Arbeit?
Vera: Dadurch, dass wir mittlerweile eine große Community haben, macht es das für uns einfacher, mit Leuten zusammenzuarbeiten und Leute zu finden. Das spontane Arbeiten ermöglicht zwar sehr viel, erschwert aber auch gewisse Prozesse leider manchmal, da muss man auf gewisse Sachen verzichten, wie zum Beispiel Förderungen. (Lacht) Ur viele Förderungen funktionieren nicht kurzfristig, sondern eine lange Zeit im Voraus. Manche Förderungen müsste man beantragen zu einem Zeitpunkt, wo wir noch gar nicht wissen, wo wir landen werden und welches Projekt und welchen Standort wir überhaupt haben werden.
Das spontane Planen bringt Schwierigkeiten mit sich, auf der anderen Seite basiert das ganze Projekt auf dieser Spontaneität. Von außen merken die Besucher*innen das in der fertigen Ausstellung aber nicht.
Nina: Wenn man einen Raum nutzt, muss man ihn auch abändern, sich auf ihn einlassen, damit er für dein Projekt funktioniert. Man steckt Zeit und Geld als Ressourcen hinein, obwohl er einem nicht lange bleibt. Das haben wir halt auf uns genommen.
Vera: Ein halbes Jahr klingt so, als wäre es gar keine Zeit und irgendwie passiert halt doch so viel.
Nina: Es ist zu viel Zeit, um nichts mit dem Gebäude zu machen, und zu wenig, um langfristig zu planen. Aber genau dazwischen finden wir uns als Never at Home dann wieder.
Clara: Es ist wichtig, dass man sich auch solchen Nutzungsdauern annimmt. Wir werden von Standort zu Standort immer besser in der Organisation und Effektivität. Man findet einen Wert darin zu erkennen, was man auch kurzfristig und temporär alles schaffen kann. Man denkt ganz anders über Planung und Strategien nach.
Bohema: Was sind die Vorteile, der Reiz und der Spaß dieser Schnelllebigkeit und Temporarität? Ihr habt euch ja bewusst dafür entschieden, so zu arbeiten.
Clara: Man bleibt einfach extrem dynamisch.
Bohema: Diese Entwicklung, dass die Bespielung von leerstehenden Räumen immer mehr vorkommt und die Kunstwelt diese Chance für sich entdeckt, habe ich auch schon beobachtet. Ich finde es gut, dass die Kunstwelt da auch Initiative ergreift und durch die Raumnutzung auch mehr Aufmerksamkeit für das Thema schafft. Hinter den Hausfassaden entgeht einem ja oft, dass da jetzt zum Beispiel drei Wohnungen unnötig leer stehen.
Ein komplettes Gebäude für den Müll?
Vera: Es zeigt auch das Problem auf, dass Platzmangel herrscht. Das behandeln die Künstler*innen jetzt auch in unserer Ausstellung, wie bei Zara über das ICC Berlin. In Berlin herrschen wie in Wien Platz- und Wohnungsmangel, obwohl es so eine riesige Stadt ist, und dann steht da ein riesiges leeres Haus mittendrin, wo nichts rein kommt.
Clara: Das Absurde daran ist eh klar. Ein riesiges, gut erhaltenes Gebäude steht leer…
Bohema: …und verfällt langsam. Ein Gebäude zerfällt schneller, wenn es nicht genutzt und instand gehalten wird.
Vera: Die meisten Gebäude stehen länger leer, bevor sie abgerissen werden. Da spielt auch wieder die Müll-Thematik herein. Wenn dieses Haus hier abgerissen werden würde, kommt da ein Haufen Sondermüll. Wie alt wird dieses Haus sein?
Bohema: Sieht aus wie 1960-70er.
Vera: Genau. Das ist so wenig Bestehenszeit für den Müll und Schutt, der da anfallen würde.
Bohema: Es kann und wird auch nicht viel Material wiederverwendet. Alles, was nicht sauber trennbar ist, ist ganz schwierig zu recyceln. Gerade bei Beton, weil da dann Stahl mit eingearbeitet ist. Ein komplettes Gebäude für den Müll.
Vera: Das sieht man bei Kurts Bildern. Das Projekt von ihm, wo er Abrisse dokumentiert, heißt sezierte Architektur. Wenn ein Gebäude abgerissen wird, sieht man den Materialverbund, den man ansonsten nicht sieht, extrem gut. Ich weiß nicht genau, wie die Mülltrennung da genau funktionieren würde, aber da müsste man wirklich alles einzeln heraustrennen…
Bohema: …was Zeit und Geld kostet und dann nicht lukrativ ist.
Vera: Der heute meistens verwendete Beton kann quasi nicht recycelt werden.
Bohema: Es gibt Recycle-Beton, in welchen zerkleinerter Beton hineingemischt wird, aber der ist noch nicht so gut zertifiziert und man darf ihn nicht einfach so verwenden wie herkömmlichen Beton.
Clara: Leerstand ist stadtpolitisch ein extrem wichtiges Thema und es ist wichtig, dass da ein Umdenken passieren muss. Dass es absurd ist, nutzbare Räume leer stehen zu lassen, ist ja eh für jede*n verständlich. Es bräuchte noch mehr Initiativen.
Vera: Und einfach auch politische Lösungen. Es ist ein soziales, politisches Thema.
Bohema: Das ist dann ja, wo ihr auch ins Spiel kommt, weil ihr es als organisatorische Schnittstelle niederschwelliger für die Künstler*innen macht, an solche Räume heranzukommen. Wenn es immer nur Einzelpersonen sind, die irgendwelchen großen Konzernen und Besitzer*innen gegenüberstehen, ist da ja eine größere Hemmschwelle. Ein Projekt wie eures macht es einfacher, Gebäude wirklich effektiv zwischenzunutzen. Das fehlt oft.
Vera: Wir wollen die professionelle Schnittstelle sein. Diese Kommunikations- und Planungsarbeit ist sehr wichtig.
In unserer Ausstellung liegt der Fokus auf dem gesellschaftlichen Dialog, der eröffnet werden soll. Wie auch bei diesem Gebäude: Du erkennst von außen nicht, ob es leer ist. Trotzdem weiß man ja um den vielen Leerstand, auch wenn man ihn meist nicht auf den ersten Blick sieht. Die Absurdität von Leerstand wird sichtbar und noch vergrößert, wenn er dann genutzt wird. Wenn man durch die Hallen geht, wissentlich, dass sie leer wären, wenn wir sie jetzt nicht nutzen würden. Das macht es spürbar, erlebbar.
Clara: Es wird auch in der Ausstellung gezeigt, dass Leerstand nicht nur ein soziales, sondern auch ein ökologisches Problem ist. Ein halbes Jahr ist schon sehr ephemer, aber es geht auch darum, was hier entsteht und was das Gebäude für Potenzial her gibt. In vielen Institutionen herrschen sehr starre Strukturen, da setzen wir an, um einen Gegenimpuls dazu zu setzen. Ein Beispiel, dass ich gerne mag, ist das PS1 in New York, eine leerstehende Schule, die über 10 Jahre durch Leerstandsnutzung bespielt wurde und irgendwann eine Kooperation mit dem MoMa eingehen konnte. Es ist ein experimentellerer, jüngerer Ableger davon geworden. So eine Richtung ist sehr interessant, der Gedanke, wie solche und andere Symbiosen stattfinden könnten.
Bohema: Ihr habt eure Konzeption und eure Linie, welcher wie ein roter Faden ist, um entlang dieser Linie trotzdem dynamisch bleiben zu können. Durch den Wechsel des Standortes wird ja wahrscheinlich nie eine Starre hereinkommen, schon wegen der vielen Veränderungen, die dann immer passieren.
Clara: Wenn man gewisse Grundwerte definiert hat, kann man recht flexibel da rund herum agieren. Wir sind zwar die professionelle Schnittstelle, aber sind jetzt nicht im herkömmlichen Sinne „professionalisiert“, wodurch wir noch sehr frei handeln können. Mal schauen, wo unsere Reise noch hingeht.