Warum man nie seine Partner*in in einer Dankesrede vergessen sollte

Ob Kritiker wirklich keine Kritik vertragen oder ob Malcolm & Marie wirklich so mittelmässig ist, erfahrt ihr hier

Foto: Malcolm&Marie/NETFLIX, Production Co

Foto: Malcolm&Marie/NETFLIX, Production Co

Sam Levinson gehört für mich zu den spannendsten Jungregisseuren der letzten Jahre. Und das sehe nicht nur ich so: Seine Coming-of-Age-Serie Euphoria war ein internationaler Erfolg, bei jungen Menschen aber auch Kritikern. Sein erster Langfilm Assasination Nation beschäftigte sich zwar mit einem ähnlichen Thema, war deswegen aber nicht weniger spannend. Jetzt legt er mit Malcolm & Marie einen kammerspielartigen Film in schwarz-weiß vor. Als ich zum ersten Mal von dem Film gehört hatte, waren meine Erwartungen hoch. Doch kurz nach Erscheinen regnete es negative Kritiken. Nach erster Sichtung musste ich feststellen, dass ich viele Punkte der allgemeinen Kritik nicht teile. Will sie hier im Anschluss nun doch aufgreifen und etwas entkräften.

Kurz zum Inhalt: Malcolm ist ein Filmemacher. Nach einer Filmpremiere kommen seine Freundin Marie (Zendaya) und er (John David Washington) nach Hause. Nach kurzer Zeit wird klar, dass seine Freundin sauer auf ihn ist, woraufhin ein Streit entbrennt, der sich über die ganze Nacht erstreckt.

„SO good if you mute it” 

— Adrian Balboa auf Letterbox

Ein großer Kritikpunkt, waren die Dialoge: Sie seien nicht echt, kein Mensch rede so. Und ich muss zustimmen, die Dialoge sind nicht aus dem Leben gegriffen, wirken nicht authentisch wie in einem Tarantino-Film, aber gerade das macht sie so gut. Als Zuschauer kann man sich wunderbar in den Monologen verlieren, die sich die beiden an den Kopf werfen und dabei sein eigenes Verhalten hinterfragen. Auch behauptet der Film zu keinem Zeitpunkt, dass wir es hier mit echten Figuren zu tun hätten. Allein die Kamera-Arbeit ist künstlerisch und vermittelt nicht den Eindruck, dass hier ein reales Setting abgefilmt werden soll. Stellenweise gibt es sogar Sequenzen, die Traumartig wirken.

“I promise you, nothing productive is going to be said tonight,” Marie says near the beginning of the movie. Sadly, she’s telling the truth. 

— Jeannette Catsoulis “the New York Times”

Darüber hinaus spiegelt sich in den Dialogen die Dualität eines Künstlers wider. Diese Dualität zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Film. Angefangen beim Bild: Schwarz, Weiß, über die Charaktere: Mann, Frau oder ein Künstler und seiner Muse bis hin zum Essen: Mac & Cheese. Inhaltlich geht es um den Spagat zwischen öffentlicher – und privat Person. Was ist Kunst und was ist Künstler? Die beiden Charaktere sind eigentlich als eins zu sehen, als eine Künstlerseele, die zu uns spricht. Eine Künstlerseele in der zwei Herzen schlagen.  

Es ist ein Dialog, den Levinson mit sich selbst führt, an dem er uns gnädiger Weise teilhaben lässt. Einerseits gibt es da die Stimme, die sich wünscht, den Künstler von der Kunst zu trennen. („…just because I'm black, as the director and the lead actress is black, they already trying to frame it through a political lense” — Malcom) Die andere Seite wirft ihm aber entgegen, dass es durchaus einen Unterschied macht, wer ein Werk erschafft, da jeder seine persönlichen Erfahrungen, Blickwinkel auf die Welt und bestimmte Charakterzüge in sein Werk überträgt. („…It just made me wonder if the problem she has with you as a filmmaker is the same problem I have with you as a partner?“ — Marie) 

Eine Kritik an den Kritikern? Die starke Ablehnung der Presse passt da ins Bild...

Eine völlige Trennung ist also nicht möglich. Außerdem geht es darum, dass Kunst und Künstler sich immer gegenseitig beeinflussen. Alles was ein Künstler erschafft, ist eine Projektion dessen was er ist, und alles was er erschafft, hat Auswirkungen auf ihn als Person. Also der Punkt, dass die beiden keinen echten Dialog führen, trifft nur bedingt zu. Klar, sie führen keinen Smalltalk, aber wenn man es von außen betrachtet, steht Sinn dahinter, steht Methode dahinter und keine schlechten Regieanweisungen. Ein weiterer Punkt, der größeren Raum im Film bekommt, ist die Kritik an Kritikern. Und da nähern wir uns schon dem Hauptpunkt, weswegen ich denke, dass der Film so viel Negativfeedback bekam. Kritiker mögen es nicht selbst kritisiert zu werden. Auch möglich, dass dieser Gedanke meinem Ironie-Bewusstsein entsprungen ist.

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Sam Levinson wird außerdem vorgeworfen, er würde die Hautfarbenkarte ziehen, um sich an einer realen Kritikerin abzuarbeiten. Ich kann diesen Punkt hier weder völlig entkräften, noch bestätigen. Beides sind pure Mutmaßungen. Die wirklichen Beweggründe eines Künstlers, ein Werk zu erschaffen, bleiben uns als Außenstehende immer verborgen. Außer man fragt ihn und selbst da bleibt eine Restchance, dass er uns anlügt. Was man aber durchaus festhalten kann, ist, dass er nicht nur einen ausschließlich schwarzen Cast vor der Kamera hat, auch die Musik, die verwendet wird, stammt von schwarzen Künstlern. Also kann man auf keinen Fall von Ausnützen sprechen, dafür ist die Repräsentation schwarzer Kultur zu gut in den Film eingearbeitet.

Der Film spaltet die Gemüter. Aber auch das finde ich in Zeiten, in denen Serien gefühlt nach Algorithmen konzipiert werden, gut. In Zeiten, in denen Filme und Serien als Nebenrauschen dienen. Gerade jetzt ist es wichtig, dass Kunst wieder ein Gegengewicht zu all dem Grundrauschen, dem wir täglich ausgesetzt sind, bietet. Kunst muss aufrütteln und im besten Fall zum Denken anregen. Das Schlimmste, das Kunst passieren kann ist, dass sie einen kalt lässt. Und das kann man Malcolm & Marie nun wirklich nicht vorwerfen. 

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