Peeping Bat oder: How I stopped worrying and loved the riddle(r)

Der neueste Reboot der Comicfigur Batman gibt Superheld*innen ihre Primäraufgabe zurück, und offeriert einen bildgewaltigen Crime-Thriller.

Here and down: Warner Bros (c)

Mit Matt Reeves‘ The Batman beginnt das sechste (oder 7) cineastische Leben des maskierten Rächers (exklusive der Animationsfilme). Ähnlich wie Christopher Nolan geht Matt Reeves hier einem bodenständigen Ansatz nach und verzichtet auf übertriebene Doomsday-Devices oder knallige Kostüme. Es ist ein Film, der sich als thematische Fortsetzung der Dark Knight Trilogie versteht, und sich dabei auch auf Spionagethriller und Crime-Epen der 1970er Jahre bezieht, dabei aber auch seinem Comic-Ursprung treu bleibt.

Seit fast 2 Jahren nun ist Bruce Wayne (Robert Pattinson) als Batman in Gotham City unterwegs. Obwohl immer noch ein Kuriosum, ist seine Existenz bereits etabliert in der Stadt und der Unterwelt, und Gothams Kriminelle fürchten die Schatten, denn er könnte überall lauern. Dennoch ist der Rächer bereits an einem Punkt angekommen, an dem er sich fragt, ob er überhaupt etwas verändert hat oder überhaupt kann. Da bedroht der Serienkiller Riddler (Paul Dano) den unruhigen Frieden in Gotham, und offenbart mit seinen Rätseln die schmutzigen Geheimnisse der Elite der Stadt. Um ihn aufzuhalten, tut sich der Dunkle Ritter mit der kleinkriminellen Selina Kyle alias Catwoman (Zoë Kravitz) zusammen. Zusammen mit Polizei-Lieutenant James Gordon (Jeffrey Wright) versuchen sie, das Mysterium zu lösen und den Riddler zu stoppen. 

Einen Film-Noir mit ganz viel Noir bitte

The Batman ist ein 3-stündiger Noir-Action-Crime-Thriller. Er ist atmosphärisch und ernst, humorvolle Momente sind spärlich gesetzt. Wobei die Momente, in denen Batman ein- und denselben Club auf verschiedene Weisen betreten will, wirklich lustig sind. Die düsteren und bedeutungsschwangeren Bilder des Films sind kontrastreich von DOP Greig Fraser (Dune, Rogue One, Let Me In) eingefangen. Der Score von Michael Giacchino tut sein Übriges. Inspiriert von Nirvanas Something in the Way, welches im Film auch mehrfach vorkommt, hat er ein Thema für den Protagonisten komponiert, welches seine innere Zerrissenheit spürbar macht. Zugleich kann man bei den Themen von Batman und dem Riddler Shirley Walker heraushören, die für den Score von Batman: The Animated Series verantwortlich war, und leider zu früh von uns gegangen ist.

Wenn überhaupt, so ist der Krimi-Aspekt der Schwachpunkt des Filmes. Damit sei keinesfalls gemeint, dass die Geschichte schlecht sei, im Gegenteil, sie ist nur der wahrscheinlich konventionellste Teil des Filmes.

These Bats are made for walking

Der Film hat eindeutig einen der besten Casts, die ein Batman-Film haben kann. Robert Pattinson brilliert als junger Dunkler Rächer. Sein Batman ist brutal, hart und entschlossen. In seinem ersten Auftritt bezeichnet er sich als die Verkörperung der Vergeltung. Einem einsamen Westernheld gleich schreitet er auf seine Gegner zu. Ja genau, Batman geht. Was im letzten Soloabenteuer The Dark Knight Rises kurz gezeigt wird, bekommt hier einen besonderen Fokus. Großaufnahmen zeigen die ankommenden Stiefel des Mitternachtsdetektivs. Dabie kann man auch die Geräusche der Sporen von Westernstiefel hören. Pattinsons Batman ist nicht einer, der plötzlich auftaucht; viel eher kündigen die langsamen, schweren Schritte seine Ankunft an. 

Der Film getraut sich auch, das berüchtigte Augen-Make-up diegetisch werden zu lassen. Frühere Batman-Darsteller trugen dunkles Make-up-um die Augen für visuellen Effekt. Jedoch war das lediglich ein Trick von Seiten der Filmschaffenden. Pattinsons Batman trägt dieses Make-up aber auch, wenn er die Maske gerade nicht aufhat. Eine Subversion der gewohnten Sicht auf Batman und Superheld*innen. 

Zoë Kravitz ist die dritte POC Schauspielerin, die von insgesamt 7 Darstellerinnen Catwoman verkörpert (more about this in our essay). Und ihre Selina Kyle dürfte zu den besten Versionen zählen. Wie schon Michelle Pfeiffer vor ihr stellt sie einen (moralischen) Gegenpol zu Batman dar. Sie setzt sich nur für sich und ihr nahestehende Personen ein, und versucht ansonsten, nicht aufzufallen. Über sie erfahren wir auch einiges zum Klassenunterschied in Gotham, als sie u.a. Batman sagt: „You talk like a rich guy“.  Die Chemie zwischen den beiden ist ebenso merklich spürbar. 

Der restliche Cast ist auch gut, die beiden hervorragendsten Darbietungen sind jedoch Colin Farrell als brutaler Pinguin und Paul Dano als unheimlicher, entfesselter und creepy Riddler. Danos Antagonist lässt den Leuten seine Überlegenheit spüren, und rastet cholerisch aus, sobald etwas nicht nach seinem Willen geschieht. Seine Interpretation der Figur hebt sich deutlich von den Over-The-Top-Darstellungen von Frank Gorshin und Jim Carrey ab, und orientiert sich vielmehr am nie gefassten Zodiac-Mörder.

Im Auge des Bat-rachters

„You’re a part of this, too. “

“How am I a part of this?”

“You’ll see.”

Großes Augenmerk wird auf das Sehen gerichtet. Der Film beginnt mit einem voyeuristischen Blick des Riddlers auf sein Opfer. Die Kriminellen der Stadt fürchten sich vor den Schatten, den Orten, die vor lauter Finsternis nicht einsehbar sind, und schauen ehrfürchtig dorthin, in Erwartung, dass Batman von dort auftauchen könnte. Der maskierte Rächer selbst ist hier auch ein Voyeur. Er beobachtet sehr genau und handelt dann. Eines seiner Gadgets sind Kamera-Kontaktlinsen, die alles Gesehene aufzeichnen. An einer Stelle blickt er damit durch die Augen von Catwoman, und wird dadurch zum Zuseher. 

Sehr viele Einstellungen zeigen die Augen des Helden. Über Blicke wird sehr viel Information und Charakterisierung übermittelt. Während der Verfolgungsjagd mit dem Batmobil wird besagtes Fahrzeug meist aus der Seitenperspektive des Autos des flüchtenden Pinguins (Colin Farrell in einer unerkennbaren Maske) gezeigt, während Batmans Perspektive immer starr nach vorne gerichtet ist. Es wird gezeigt, dass der Pinguin jemand ist, der ständig über seine Schulter blicken muss, während Batmans jemand ist, der nur nach vorne blickt (und vielleicht lernen sollte, mehr „auf seiner Umgebung zu achten“).

Die Korruption und der Machtmissbrauch sind so weit fortgeschritten, dass niemand mehr hinsehen will. Als dem brutalen Pinguin Bilder eines Gewaltverbrechens gezeigt werden, will er wegsehen, weil es nicht schön anzuschauen sei. Sogar die Kamera weigert sich einmal, Gewalt auf der Leinwand deutlich zu zeigen, und wird unscharf. Die Brutalität wird dadurch nicht geringer.

Gotham City – die finstere Metropole

Das Design von Gotham City ist ein Mix aus London und New York City, stilistisch zwischen Tim Burtons Gotik-Stadt und der Schmutz-Metropole aus Joker. Alles ist finster, veraltet und dreckig. Und es regnet auch ständig und fest. Es ist ersichtlich, dass diese Stadt nicht sauber zu kriegen ist. Selbst Luxus und Reichtum werden nicht als solches dargestellt.

Inspirationsquelle 1 /// Todd Philips’ Joker

Inspirationsquelle 2 /// Tim Burton’s Batman

Inspirationsquelle 3 /// Batman: The Long Halloween

ReBATing the System

Die deutlichste Inspiration nimmt sich der Film von Geoff Loebs The Long Halloween. Ein Serienmörder tötet Menschen aus einem elitären Kreis, während Batman und Jim Gordon (Harvey Dent) versuchen, das Falcone-Syndikat aufzuhalten. Loebs Nachfolgeepos Hush wird teilweise auch – wortwörtlich – zitiert. 

Es wird aber auch einiges aus Geoff Johns Batman: Earth One, wie die Bürgermeister-Kandidatur von Thomas Wayne, adaptiert. Autor Scott Snyder machte sich in den 2010er Jahren daran, seine Version der Anfangsjahre von Batman zu schreiben. Dabei machte er den Riddler in Zero Year zum Antagonisten, welcher für einige Zeit die Stadt unter seine Kontrolle bringt. Auch das wird in The Batman thematisiert.

Natürlich gibt es auch noch die vorangegangenen Filme. Auch wenn es sich hier um einen Reboot handelt, so gibt es genügend visuelle oder narrative Verweise auf das, was davor kam. So gibt es wieder eine Verhörszene und ein politisches Begräbnis wie in The Dark Knight. Ebenso ist die altbekannte Shakespeare-Büste aus der 60er Jahre Fernsehserie ist zu sehen, welche gleichzeitig auch die Veränderung des Protagonisten symbolisiert. Themen, die in Nolans Trilogie behandelt werden, finden hier eine Fortführung: Welche Art von Symbol wird oder kann Batman für seine Stadt sein? Oder wird er immer im Zyklus der Vergeltung gefangen sein? 

Fazit: Blow the Truck statt Flip the Truck

The Batman ist ein atmosphärischer Crime-Thriller, welcher sich mit Superhelden-Ästhetik dezent zurückhält. Neben tollen Kameraeinstellungen brilliert ein grandioser Cast mit soliden bis spitzenmäßigen Darbietungen. In den drei Stunden setzt sich der Film auch mit der Bedeutung von Superheld*innen auseinander und zeigt, was diese für die Gesellschaft sein könnten. Es wird zwar kaum möglich sein, The Dark Knight und The Dark Knight Rises zu toppen, allerdings darf sich der Film zu den besten Verfilmungen um die Comicfigur reihen.

9/10

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