Andere Blickwinkel

Wenn weibliche Fotografinnen einen (neuen) Blick auf analoge Kameras als schwere Halsketten, auf das Zuhause und den Wiener Augarten werfen, entsteht in der Nachmittagssonne ein erleuchtender Moment.

Ausstellungsansicht FOTOTECHNIKa /// Foto: Jördis Beulich (c)

Die Künstlerinnen Caroline Heider, Lisa Rastl und Claudia Rohrauer reflektieren kritisch den sowohl theoretisch als auch praktisch von Männern dominierten Bereich der Fototechnik. Im Rahmen der Ausstellung FOTOTECHNIKa im Atelier der Festivalzentrale der FOTO WIEN im Augarten machen sie die Fotografie und ihre Technik selbst zum Motiv. Gemeinsam mit Texten Ruth Horkas hinterfragen sie die festgeschriebene männliche Fototheorie. 

Der mit einer großen Glasfront versehene Raum wird am späten Nachmittag in warmes Sonnenlicht getaucht. Ein Belichtungsprozess findet statt. Die Parallele zwischen diesem natürlichen Lichteinfall und der Belichtung von Fotopapier, welche das Foto erst möglich macht, wird durch eines der Kunstwerke explizit hervorgehoben. Neben der Fensternische des Raumes befindet sich eine Fotografie Caroline Heiders, wobei auf der Glasfront mit Fensterlack die Eckdaten des Werks geschrieben sind. In Anlehnung dazu sind auch auf die Fensterscheibe direkt daneben die Daten zu dem Werk, welches der Blick in den Augarten ist, geschrieben. Zu lesen sind auf dem Fenster unter anderem die Worte Landscape und Fotografie für alle zwischendurch. In dieser Nische liegt außerdem das zur Ausstellung gehörige Fotobuch Fotografie als Motiv aus, welches die Inhalte der Ausstellung zusätzlich durch ein Glossar mit grundlegenden Begrifflichkeiten analoger Fotografie ergänzt.

Fotografie für alle zwischendurch

Neben diesem Spiel von Bild und Realität befindet sich, etwas in die Mitte des Raumes gerückt, ein Flachbildschirm, auf welchem ein Video-Loop läuft. Der/Die Amateurïn bei sich zu Hause verfolgt, wie verschiedene Fotografien übereinandergelegt werden. Diese Fotos zeigen Objekte des Haushalts, welche stilllebenartig, teils abstrakt, inszeniert werden. Heider reflektiert auf diese Weise das Arbeiten von zu Hause. Seit spätestens zwei Jahren ist dies den meisten von uns vertraut, in der Vergangenheit waren es jedoch vornehmlich Frauen, die zu Hause, im Haus, arbeiten mussten und sich auch als Fotografinnen eher weniger aus ihren vier Wänden bewegen konnten. Ein Aspekt, der in der Arbeit Magic Hour Landscape behandelt wird, welche hinter dem Flachbildschirm positioniert ist. 

Foto: Jördis Beulich (c)

An der gegenüberliegenden Wand beschäftigt sich die Fotografin Claudia Rohrauer mit einem weiteren Thema, der Kamera als Fetischobjekt. In Selbstporträts zeigt sie sich nur mit Feinstrümpfen bekleidet und jeweils mit einer anderen Kamera, welche sie vor ihr Gesicht, ihren Oberkörper und zwischen ihre gespreizten Beine hält. Neben allgemeinen Daten gibt sie auch ihren persönlichen Kommentar zu jeder Kamera preis. Bei dem Modell Ma’m Universal wiegt allein der Kamerakörper fast ein Kilo, ein Umstand, der die Handgelenke der Künstlerin nach wenigen Sekunden zittern lässt.  Und trotzdem vergleicht sie das Gefühl des Tragens der Kamera mit dem einer grazilen Halskette, die sie zum Strahlen bringt. 

In weiteren Arbeiten der Ausstellung setzt sich Lisa Rastl mit einem ästhetisierten Blick auf die Kameratechnik und den bunten Quadratgemälden Josef Albers auseinander. 

Fotografinnen im Fokus

Diese nur angedeuteten Hinweise zu den Werken bedürfen einer näheren und längeren Auseinandersetzung von jeder*m, die oder der mal zur Abwechslung nicht den männlichen Blick auf die Fotografietechnik werfen möchte. Durch einen Besuch der Ausstellung Fotografinnen im Fokus, welche sich ebenfalls in der Festivalzentrale befindet, kann die weibliche Fotografie dann noch nach Belieben weiterverfolgt werden. 

Aus der Ausstellung Fotografinnen im Fokus /// Laia Abril, PMS, aus der Serie: Menstruation Myths, 2018-2021 © Laia Abril, Courtesy: Les Filles du Calvaire, Paris

Die recht kleine Ausstellung FOTOTECHNIKa mit einer überschaubaren Anzahl an Werken lohnt sich für mehr als nur einen kleinen Besuch. Das spannende Fotobuch lädt zusätzlich zum längeren Verweilen ein und besonders im Nachmittagssonnenlicht will man eigentlich gar nicht mehr wieder gehen. 

Ein kleines und doch unbedingtes Muss auf der diesjährigen FOTO WIEN. 

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