The Northman oder wenn Simba ein Wikinger gewesen wäre
Robert Eggers schafft es wieder eine authentische Vergangenheit zu erschaffen, dieses Mal im mittelalterlichen Skandinavien. Leider stellt sich die Frage: Wo ist der Film?
The Northman ist, nach The Witch und The Lighthouse, der dritte Spielfilm von Robert Eggers und ähnlich wie bei diesen versucht Eggers eine authentische Vergangenheit gepaart mit mythologischen Einflüssen zu erschaffen. Während The Witch ein Horrorfilm im puristischen Neuengland war und The Lighthouse von einer von griechischer Mythologie inspirierten Seemannsgeschichte handelt, finden wir uns in The Northman im Wikingerzeitalter wieder.
Hamlet oder Der König der Löwen?
Es handelt von dem Prinzen Amleth (Alexander Skarsgård), der nach dem tückischen Mord an seinem Vater und der Gefangennahme seiner Mutter, im Exil schwört an seinem Onkel Fjölnir (Claes Bang), der das Königreich usurpiert, Rache zu nehmen. Somit handelt es sich um eine bekannte Racheerzählung, die mich tatsächlich als allererstes an Der König der Löwen erinnerte. Unterstützt wurde diese Nostalgie auch visuell durch die braun-rote Mähne des Königs Vaters Aurvandil (Ethan Hawke), der von seinem schwarzhaarigen Bruder Fjölnir hintergangen wird. Später musste ich zu meinem Ärgernis herausfinden, dass die Geschichte die Eggers verfilmt, eine altdänische Sage ist, die als Inspiration für Hamlet (Amleth) diente. Somit kommt einem die grundlegende Handlung bekannt vor und ist im Ganzen nichts Besonderes. Das Schema einer Rachegeschichte ist einem aus diversen Medien schon so sehr bekannt, dass es schwierig wird aus einem Pionierwerk, wie beispielsweise Hamlet, noch Spannung zu erschaffen. Genau daran scheitert The Northman. Eggers hält sich strickt an die Vorlage und Zuschauer*innen, denen Rachegeschichten grundsätzlich aus anderen Filmen bekannt sind, werden nichts Überraschendes oder Neues erkennen können.
Das erste Mal als Meisterwerk, das zweite Mal als Farce
Die große Besonderheit liegt jedoch in Eggers Liebe für historische Präzision. Der Film schafft es, durch Set-Design, Kleidung, Kulisse und vor allem Sprache, das Wikingerzeitalter so wiederzugeben, wie man es sich vorstellt. Das heißt wieder im Kino schön Untertitel lesen und nach unten schauen. Dabei lohnt es sich den Film im Original zu schauen, da die Sprache ein elementarer Bestandteil der Welt ist. Im Gegensatz zu The Lighthouse, dessen Akzent man erst versteht, wenn man 20 Jahre alleine auf einer Insel gelebt hat, ist das gesprochene Englisch bei The Northman um einiges einfacher zu verstehen, da es sich im Wesentlichen um modernes Englisch mit alt-englischen und nordischen Einflüssen handelt. Die Liebe für geschichtliche Details allein schafft es jedoch nicht einen interessanten Film zu gestalten.
Visuell fehlt es The Northman an einem eigenen Charme, den Eggers bei seinen vorigen Filmen visuell fantastisch umsetzen konnte (denke man allein an die visuelle Ästhetik von The Lighthouse, an die man sich noch lange nach dem Film erinnert). The Northman ist visuell eher in der Kategorie „Mainstream“ einzuordnen. Optisch wäre es nicht zu unterscheiden von einer beliebigen Hollywood Produktion. Eggers zeigt jedoch in ein paar Szenen, die visuell herausstechen, wo beispielsweise der filmische Raum verschwindet und die Figuren im nebeligen Nichts zu sein scheinen, dass er doch noch Interesse hat einen Film zu gestalten.
Toxic masculinity oder Berserker?
Auch die mythologischen Vorlagen geraten leider in den Hintergrund. Da ist mal die Rede von Odin, Freya oder Walküren, aber wirklich interessant wird das Setting nicht genutzt. The Northman könnte eigentlich überall spielen, während beispielsweise in The Witch der Horror eng in Verbindung mit dem puristischen Glauben der Familie zusammensteht. Unter anderem hätte man reflektiv die Berserker-Kultur betrachten können, die es ja so nur in der nordischen Mythologie gibt. Man sieht zwar stundenlang muskelbepackte, oberkörperfreie, grölende Männer, aber keinen reflektierten Umgang mit dem gezeigtem Männlichkeitsbild. Es wäre das Potenzial da gewesen mit der Berserker-Kultur zu spielen und etwas zu erzählen, was in die heutige Zeit passt, aber leider geschieht keine Entwicklung. Damit will ich nicht sagen, dass jeder Film unbedingt eine gesellschaftskritische Note haben muss, aber besonders Eggers lässt hier die Chance aus Kritik subversiv zu äußern und mit hierarchischen Bildern zu spielen, wie er es in The Lighthouse geschafft hat. Das ist schade.
Niemand möchte eine „Eins zu Eins“-Verfilmung von bekannten Vorlagen aus der Vergangenheit sehen und genau das was Eggers eigentlich so gut kann, nämlich Vergangenheit darstellen, schadet in diesem Fall dem Film, da nichts Neues erzählt wird.