Thomas Perle, wie schreibst Du ein Theaterstück?

Bohema trifft auf den Dramatiker Thomas Perle. Ein Interview über das Schreiben als Politikum, den Größenwahn der Regie und dem fehlenden jugendlichen Schwung im Theater.

Bohema im Gespräch mit Dramatiker Thomas Perle /// (c) Hannah Schwaiger

B: Wie bist du zum Schreiben gekommen?

T: Ich habe schon als Jugendlicher mit ganz schrecklichen Gedichten angefangen, die jetzt in einem Ordner gelandet sind mit Schrott aus der Jugend. Und dann bin ich übers Theater spielen zum Schreiben gekommen. Danach habe ich am Schauspielhaus in Wien gearbeitet. Damals unter Andreas Beck, wo ich Kontakt zum Autorentheater und zu Dramatiker*innen hatte...da habe ich Blut geleckt und wollte mein Schreiben ausprobieren und habe einen ersten Text geschrieben. Mit dem wurde ich mit dem exil-Literaturpreis prämiert. Das war so der Start.

Der Verein exil mit dazugehörigem Verlag edition exil hat eine Schreibwerkstatt unter der Leitung Christa Stippingers, da habe ich mitgemacht. Ich hatte schnell das Bedürfnis ein Theaterstück zu schreiben. Das habe ich dann bei einem Dramapreis eingereicht, initiiert von den Wiener Wortstaetten. Ich habe zwar nicht gewonnen, wurde aber Teil des Schreibjahrgangs, wo ich mein Stück mutterseele. dieses leben wollt ich nicht. schrieb. So kam eins zum anderen. Und seitdem läuft es eigentlich ganz gut.

B: Wie lange schreibst du an einem Stück? 

T: Der erste Schritt ist immer die zündende Idee. Der Funke, der überspringt. Dann kommt es auf das Stück an. An karpatenflecken habe ich im Endeffekt 30 Jahre gearbeitet, wenn man es genau nimmt, weil die Gespräche mit meiner Großmutter als ich ein Kind war, Teil davon sind. So konkret kam die Idee zu diesem Stück 2015, weil ich mich bei diesen ganzen schrecklichen Diskussionen über geflüchtete Menschen gefragt habe, wie kann ich als Dramatiker darauf reagieren? Und wie diesem Thema entsagen, dagegen (an-)schreiben? Dazu kam viel Recherchearbeit, ich habe viel gelesen. Das dauert schon ein Weilchen bis man so ein Stück geschrieben hat. 

B: Hast du handwerkliche Tricks, falls die Inspiration mal länger auf sich warten lässt?

T: Lesen. Lesen und andere Stücke schauen und Filme gucken, Dokumentationen, also einfach das Gehirn füllen. Spazieren gehen. Und Reisen. Reisen ist ganz wichtig. Das war jetzt während der Pandemie ganz schlimm. Also ich habe es schon genossen wieder mal zu Hause zu sein, weil ich die Jahre davor total viel unterwegs war und kaum in meiner Wohnung war und auf einmal kam komplett das Gegenteil, das war auch mal schön. Um ganz ehrlich zu sein. Nur dann eben als das Reisen wieder anfing, hat es sehr gut getan. 

B: Du hast auch schon Regie geführt…warum schreiben und nicht inszenieren? 

T: Ist eine gute Frage. Ich habe sehr gerne inszeniert, aber ich habe jetzt nicht so ein Geltungsbedürfnis. lacht. Also das was ich bisher gemacht habe, war ja auch ganz klein. So ein erster Versuch. Ich würde mir auch nie zutrauen auf einer großen Bühne zu inszenieren. Da habe ich echt nicht die Ambitionen zu...wenn dann im kleinen Rahmen ist, wie zum Beispiel bei szenischen Lesungen, die habe ich gern und traue ich mir zu. Für Regie braucht man größere Ideen...Ein bisschen Größenwahn, glaube ich auch! Meine Arbeit funktioniert eher im Kleinen und Geistigen.

Erkennungsmerkmal einer schreibenden Person: das Notizbuch /// (c) Hannah Schwaiger

B: Wie würdest du die Zusammenarbeit eines Dramatikers mit der Regie beschreiben? 

T: Kurze Anekdote dazu: als ich 2015 für das Mimamusch Kurztheaterfestival mein Minidrama europas töchter inszeniert habe, war das die schizophrenste Erfahrung die ich je gemacht habe. Weil ich eben beides war, Dramatiker und Regisseur. Die Zusammenarbeit mit mir selber war die interessanteste Zusammenarbeit überhaupt. Ich habe das Stück zwar geschrieben, aber die Bühnenarbeit ist eine komplett andere. Da funktionieren viele Sachen nicht, die man sich vorher vorgestellt hat und da muss man einfach streng mit sich selber sein und eine andere Position einnehmen. 

Ich arbeite eigentlich sehr gerne gemeinsam mit der Regie zum Beispiel an Stückentwicklungen, wie das Stück LIVE, das während der Coronazeit für das Nationaltheater Radu Stanca Hermannstadt / Sibiu entwickelt wurde. Da habe ich ganz eng mit dem Regisseur Bobi Pricop online gearbeitet, weil da plötzlich diese Pandemie war und wir eine Methode finden mussten ein Stück gemeinsam zu entwickeln. Der Retzhofer Dramapreis, also das Stück karaptenflecken ist auch in einem permanenten Austausch mit mitnominierten Kolleg*innen entstanden. Und jetzt bin ich mal gespannt, wie die Inszenierung wird.

B: Aber du hast kein Mitspracherecht bei der Wahl der Regie?

T: Das kommt vielleicht noch. Also ich schätze mal, jetzt noch als Jungdramatiker muss man aufpassen…aber sagen wir es mal so: manchmal gehen Wünsche in Erfüllung.

B: Wo würdest du sagen ist deine multikulturelle Identität förderlich für dein Schreiben, wo steht sie dir im Weg?

T: Ich bin froh, dass diese Thematik gerade immer mehr zum Thema wird, man muss nur aufpassen, dass nicht in die andere Richtung diskriminiert wird. Für mich persönlich ist es ein großer Gewinn und durch die Entscheidung über dieses Thema in den karpatenflecken zu schreiben, hat meine Karriere erst befördert. Das ist schön, aber ich habe vorher schon ein Stück geschrieben und das war nicht in aller Munde. Da ist es fast ein bisschen seltsam, dass man über eine Thematik bekannter wird. Einerseits ist es schön, mit so einer Herzensangelegenheit gesehen und gehört werden zu können. Andererseits sieht man, welche Themen gerade in sind. Ich finde das Thema natürlich wahnsinnig wichtig und werde mich am nächsten Stück abarbeiten und ein Stück in 8 Sprachen schreiben. Also meine “Brand” oder wie man das so sagt hat eben Migrationshintergrund und spricht mehrere Sprachen. Das benutze ich jetzt. Und wenn ich damit etwas zum Guten verändern kann, dann ist es ja auch gut.

B: Darf ich fragen welche 8 Sprachen?

T: Es ist ein Stück über die Donau, also alle Donausprachen. Deutsch, Slowakisch, Ungarisch, Kroatisch, Rumänisch, Bulgarisch, Ukrainisch und Serbisch. Die Donau kriegt eine eigene Sprache. Ich freue mich auf jeden Fall auf meine Zeit in Bulgarien...ich spreche fünf Sprachen, aber keine davon ist slawisch. lacht. Ich werde so lost sein. 

B: Hat das Stück schon einen Titel? 

T: donauwellen. So, dann ist es jetzt festgeschrieben und keiner kann mir noch diesen Titel klauen. lacht.

B: Was kann das Theater was andere Künste nicht können? Was würdest du Leuten sagen, die sich dagegen sträuben ins Theater zu gehen?

T: Ja, es wirkt sehr elitär. Eine elitäre Institution, in die man sich gar nicht traut rein traut. Bei Festspielen zum Beispiel sind die Karten unerschwinglich. Da bringst du die Leute ja gar nicht rein und dann sind sie eher bei Netflix.

Es gibt wahnsinnig tolle Bürger*innen-Bühnenprojekte. Das kann wahnsinnig bereichernd sein. Für mich war Theater wie Therapie, dort habe ich Selbstbewusstsein bekommen und war im Austausch mit anderen Menschen, das kann eben Theater. Man begegnet anderen Menschen und im Theater spielen kann man - das klingt jetzt bisschen esoterisch - in irgendeiner Form auch Heilung erlangen...

B: …Katharsis!

T: Ja! Ich wäre für mehr Bürger*inneninitiativen. Es gibt Möglichkeiten für junge Leute, aber es sollten mehr und andere werden. Andere Angebote machen, also nicht nur das gucken, sondern aktiver... es gibt ja auch die Spielclubs. Aber auch dort merkt man anscheinend, dass mehr Menschen aus dem Bildungsbürgertum in die Clubs kommen, die dann auch das reproduzieren, was schon im Publikumsraum ist. Es muss mehr gemacht werden, um auch Leute aus bildungsfernen Schichten ins Boot zu holen. Aber die muss man mehr an die Hand nehmen, das Angebot erweitern. Auch auf der Bühne, viel mehr die Gesellschaft abbilden. Repräsentation ist wichtig. Und die Preise. Natürlich haben wir so billige Preise, wie sonst nirgends auf der Welt im deutschsprachigen Raum.

Und mittlerweile gibt es auch andere Medien wie TikTok, die bespielt werden müssen. Jüngere Leute brauchen mehr Entscheidungsgewalt. Die jüngeren Generationen müssen gemeinsam mit dem*r Intendant*in arbeiten. Sofort anfangen den ganzen FSJler und Bufdis den Instagramkanal in die Hand zu drücken, die kreieren und schaffen lassen. Sich von diesem Theater ist nur das was im Raum passiert verabschieden, denn Theater ist so viel mehr.

Das Theater müsste sich weiter an die Sehgewohnheiten anpassen. Sonst geht's unter. Und ich träume von einer Theaterdatenbank. Jetzt wurden Inszenierungen in guten Formaten gefilmt und diese digital verfügbar zu machen wäre ein Gewinn. Es gibt so viel Theater, so viele Inszenierungen und die sind dann verpufft...das hat Corona jetzt möglich gemacht, dass aufgenommen wurde, in guter Qualität. Das ist doch auch wichtig für die Theaterwissenschaft. Es braucht einen Brückenschlag ins digitale, junge und demokratische. 

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