Wie Kontent wieder Kino wurde — Zack Snyder’s Justice League
Es heißt, wenn bei einem Filmprojekt alles außer Regisseur:in gleich bleibt, kommen trotzdem zwei verschiedene Filme heraus. Zack Snyders Justice League ist der Beweis dafür.
Martin Scorsese hat vor kurzem lamentiert, dass durch Studio und Marketing-Ideologie das Medium Film zunehmend mehr zu „Kontent“ verkommt, und „Cinema“, das ästhetische Kino, in den Hintergrund gerückt wird. Davor hat der Filmemacher Superheld:innenfilme als Vergnügungsparks bezeichnet, und bezog sich dabei auf das Konzept Marvel. Man kann seine Meinung teilen oder nicht, aber seine Aussagen haben einen wahren Kern.
Warner Bros‘ eigenes Shared Universe, das DCEU, erlebte einige Höhen und Tiefen. Ein gängiger, wenn auch unsinniger Kritikpunkt war, dass es nicht so sei wie das MCU. Das Studio geriet in Panik, und forcierte strenge Auflagen für die Produktion von Justice League. Regisseur Zack Snyder hatte nach einem tragischen Todesfall in der Familie keine Kraft mehr, gegen das Studio anzukämpfen, und verließ die Produktion. Warner engagierte den damaligen Fan- und Nerd-Liebling Joss Whedon, der bereits die Avengers für das MCU inszeniert hatte. Justice League sollte mehr wie die Rächer aus dem Marvel-Universum sein, und wurde so zum „Kontent“: Keine Aussage, kein Kern, keine Ecken und Kanten. Und das sag ich als jemand, der den Film eigentlich mochte.
Der zweistündige Film war bis dahin der kürzeste der 5 DCEU-Filme, und verkürzte nicht nur die Handlung und die Action, sondern schnitt auch zahlreiche Storylines. Er war ein mäßiger Erfolg. Vier Jahre und zahlreiche Petitionen, Fan-Interventionen und 70 Millionen zusätzlichem Geld später durfte Zack Snyder nun doch seine Version der Öffentlichkeit zeigen. Sein Justice League erschien am 18. März 2021 weltweit auf HBO Max und Sky. Der vierstündige Film ist dabei in 6 Teile und einen Epilog unterteilt.
The Age of Heroes
Nach dem Tod von Superman (Henry Cavill) sucht Batman (Ben Affleck) fieberhaft nach Verbündeten gegen eine noch unbekannte Bedrohung: Der interdimensionale Tyrann und Gott Darkseid (Ray Porter) schickt seinen Herold Steppenwolf (Ciéran Hinds gibt dem CGI-Monstrum seine Stimme) aus, um die Erde zu unterjochen. Dazu benötigt er drei Motherboxes, lebendige Maschinen, die von den Völkern der Amazonen, Atlanter und Menschen behütet werden. Um die drohende Invasion abzuwenden, muss das Zeitalter der Held:innen wiederkehren. Schließlich treten Aquaman (Jason Momoa), Flash (Ezra Miller) und Cyborg (Ray Fisher) dem aus Batman und Wonder Woman (Gal Gadot) bestehenden Team bei und liefern sich mit Steppenwolf eine Jagd auf die Motherboxes; ein Kampf, der das Schicksal des Planeten entscheiden wird.
Doswidanja Dostojewsky
Auf dem ersten Blick ist der Snyder-Cut handlungstechnisch gleich wie die Kinoversion. Dabei ist er noch viel reichhaltiger. Snyder wirft einfach alles auf die Leinwand, von Batmans langer Reise über unwegsames Gelände zu einem skandinavischen Fischerdorf, nur um dann von Aquaman eine Abfuhr zu erhalten, über Alfred, der Diana aka Wonder Woman über die Kunst des Teemachens unterweist. Lois Lane (Amy Adams) hat ihre eigene Agenda und wird nun nicht nur bloß als „big gun“ oder „thirsty reporter“ objektifiziert und sexualisiert. Es hilft auch, dass viele weitere unpassende Dialoge und Scherze, die in Whedons Version existieren (Stichwort „Dostojewsky“), gestrichen wurden.
Ein besonderes, restauriertes, Herzstück ist Cyborg, dessen Geschichte grausam zerstückelt worden war, und der nun nicht nur einen eigenen Arc hat, sondern, auch laut Snyder, das Herzstück des Filmes bildet. In einer rund 10 minütigen Sequenz wird der Charakter dieses Helden vorgestellt, und die Zuseher:innen lernen von dessen komplizierten Verhältnis zu dessen Vater, dem modernen Dr. Frankenstein, Silas Stone (Joe Morton). Cyborgs Arc bildet den emotionalen Schwerpunkt des Filmes, ständig im Zwiespalt zwischen seiner Vergangenheit und dem Monster, zu dem er laut eigenen Angaben geworden ist.
Die Einheit des Ganzen
Etwas schwerer zu finden ist der thematische Schwerpunkt. Whedon verschoss sich in seinen Reshoots auf eine Welt in Trauer, die nach dem Tod von Superman die Güte und die Hoffnung verloren zu haben schien. Snyder fokussiert sich auf die Einheit, auf Unity. So geht es nicht nur darum, dass die Held:innen als Team zusammenarbeiten, sondern so heißt auch das Doomsday-Device der vereinten Motherboxes.
Da so viele Protagonist:innen und Storylines eingeführt werden müssen, wirkt der Film in der ersten Hälfte etwas chaotisch. Sobald sie alle aber beisammen sind und ein gemeinsames Ziel haben, wird es einiges klarer. An einer Stelle sagt Batman: „I don’t care how many demons he’s fought, and how many hells. He’s never fought us, not us united.“ Es gibt sogar einen Team-Shot der Liga in Action, und jede/r hat seinen Held:innenmoment. Niemand wirkt unnütz. Selbst die unumgängliche Auferstehung von Superman garantiert nicht den sofortigen Sieg, denn Teamarbeit steht im Fokus.
Die Bilder sind wunderschön. Snyder setzt viel auf CGI, und bis auf ein paar Szenen (Wonder Womans Heimat Themyscira) passt es sehr gut. Snyder hat sich auch dazu verleiten lassen, den Film nicht im Kinoformat 16:9, sondern im an 4:3 angelehnten 1,33:1 Format zu machen. Es ist sein künstlerischer Wunsch gewesen, den Film auf diese Weise zu drehen, um die Superhelden „larger than life darzustellen“. Die breiten Balken an den horizontalen Seiten fallen so gut wie gar nicht auf.
Die himmlischen Klänge der Gerechtigkeit
Kommen wir zur Musik. Tom Holkenborg wurde nach Whedons Übernahme durch Danny Elfman ausgetauscht. Und dieser hatte offenbar keine Zeit oder keine Lust, etwas Neues zu schaffen, sondern bediente sich beim Nostalgie-Faktor: Für Batman nutze er seine eigene Komposition aus den beiden Burton-Filmen, Superman taucht zu den Klängen von John Williams wieder auf, und selbst für The Flash wurde das Thema aus dessen CW-Serie übernommen. Nichts davon passte wirklich für das DCEU.
Für den Snyder-Cut kehrte Holkenborg zurück, und mit ihm der Score der Filme aus dem DCEU. Wonder Woman bekam eine Amazonen-Arie, und es gibt ein eindeutiges Justice League-Thema. Und Superman darf nach gut 3 ½ Stunden seine Schläge zu einer trommelnden Variation von Hans Zimmers Flight austeilen. Während der End-Credits darf dann eine Cover-Version von Halleluja laufen, das Lieblingslied von Snyders verstorbener Tochter Autumn, der der Film auch gewidmet ist.
Schatten am DCEU-Horizont
Der Film ist natürlich nicht perfekt. Der erste Auftritt des Martian Manhunters (Harry Lennix) ruiniert leider eine perfekte Szene zwichen lois und Martha Kent (Diane Lane). Ebenso könnte der Epilog mit seinen vier verschiedenen Storysträngen – eines davon ist auch ein schönes Ende für den Film – noch getrimmt werden. Die expandierte „Knightmare“-Sequenz enthält einen gut vierminütigen Dialog zwischen Batman und Joker (Jared Leto), den man ruhig hätte kürzen können. Snyder wollte wohl alles anbringen, was er für seine Justice League-Trilogie geplant hatte. Der Regisseur hat mittlerweile bestätigt, dass er „weitergezogen sei“, und emotional mit dem DCEU abgeschlossen habe. Trotzdem hoffen die Fans weiter. Nach dem „Release the SnyderCut“-Trend folgt „Restore the Snyderverse“. Die Pläne klingen auf jeden Fall vielversprechend.
Heilige multiple Gerechtigkeit, Batman
Schlussendlich bleibt zu sagen, dass Zack Snyder’s Justice League ein vielversprechender Superheld:innenfilm ist, der die Versprechungen der vorigen Filme einlöst und neue Versprechungen macht. Egal, wie man zu Snyder und seinem DC-Universum steht, eines gilt festzuhalten: Es ist schön zu sehen, dass ein/e Regisseur:in seine/ihre Vision eines Filmes doch noch machen und veröffentlichen kann. Es ist ein Film, der Hoffnung gibt. Hoffnung, dass Kino Kino bleibt, und nicht Kontent, dass das DCEU anders als das MCU bleibt, dass die künstlerische Intention eines/r Filmemacher:in wieder mehr geschätzt werden wird, und dass alles gut werden wird.