ZWE: Porträt eines Jazzclubs

Versteckt in einem Keller im 2. pocht das Herz der Wiener Jazzszene, lockt jeden Abend mit Livemusik. Ein Gespräch mit dem Leiter Christoph Klein.

Mélusine Chappuis und Paul Butscher von der Band ARBRE im ZWE /// ZWE (c)

Vier Stufen führen rechts hinunter in den kleinen, ca. 35 Quadratmeter großen Raum des ZWE Jazzclubs in Wien-Leopoldstadt. Gleich links befindet sich die Bühne, geradeaus die Bar und dazwischen drängen sich die Zuschauer*innen auf dem sehr begrenzten Platz, auf Hockern, Stühlen sowie einfach stehend. Es herrscht eine sehr entspannte und, ja, wie soll ich sagen, jazzy Stimmung in der vor 15 Jahren gegründeten Jazzbar. Auch als Nichtraucher hätte ich mir da fast den Qualm zurückgewünscht!

Kein posher High-Society Jazzclub à la Woody Allen

Bei meinem ersten und lang überfälligen Besuch im Juli 2022 waren Klemens Marktl (drums) und Fiona Fergusson (vocals) zu Gast bei „Bartus & Friends“, heißt bei Vater Stefan Pista Bartus (double bass) und 21-jährigem mega-skiller Sohn Alan Bartus (piano). Ich weiß nach wie vor nicht, ob ich den Abend aufgrund der klassischen Jazztrio-Besetzung so dermaßen gefeiert habe, an dessen Sound für mich nach wie vor wenig rankommt, oder einfach, weil ich nicht begreifen konnte, welchen geilen Ort ich da aufgespürt hatte. Das ZWE ist nämlich kein posher High-Society Jazzclub à la Woody Allen, sondern ein ehrlicher und netter kleiner Laden, der vor allem lokalen Künstler*innen eine Bühne bietet. Und nachdem ich an diesem Abend auch den Eigentümer Christoph bereits flüchtig kennenlernen durfte, musste ich einfach berichten.

Christoph Klein, Jahrgang ‘85, trägt gerne schwarz. Der gebürtige Wiener mit Politikabschluss ist seit über 15 Jahren in der Gastro und fühlt sich dort goldrichtig. Trotz Faible für Jazz ist er selbst kein Musiker; Trotz Faible für Motorradrennsport fährt er selbst nicht. Und dann ist da noch Michel Foucault... wie er selbst sagt, ist er der gefühlt einzige Mensch auf diesem Planeten, der diese drei Interessen vereint.

Saxofonsounds und Espresso zum Gespräch

Ich treffe Christoph einige Tage später im Schanigarten vorm ZWE wieder; er holt uns einen Espresso, durch die Tür hört man Roman Schwaller am Saxofon proben. Ich frage ihn, was das Abgefahrenste ist, was in den Jahren hier passiert ist:

Christoph: Du, die Summe macht den Wahnsinn aus! Abgefahren ist, dass es überhaupt noch passiert und was da eigentlich los ist, dass wir in einem Keller unter einem Wiener Zinshaus 365 Konzerte im Jahr veranstalten. Mit echten Menschen und echten Instrumenten und das auf unglaublich hohem Niveau.

Bohema: Wie lange gibt es das ZWE denn schon und wie bist du dazu gekommen?

C: Ja also der Helmut Rainer, der auch „Zwe“ genannt wird, der hat hier vor 16 Jahren ein Lokal aufgemacht. Dann ist ihm der Roman Schwaller passiert, ein großartiger Tenorsaxofonist. Der ist damals nach vielen Umwegen zurück nach Wien gekommen und zwei Häuser weiter eingezogen. Der wollte einfach ein Bier beim nächsten Beisl trinken, marschiert da in den Keller und sieht das Potenzial.

Der hat einfach a bissl telefoniert, und plötzlich war Jazz!

Kuscheldefizite aus dem Lockdown? Ab ins ZWE! /// ZWE (c)

Ich selbst hab’s für mich vor 6, 7 oder 8 Jahren entdeckt und bin auch von Roman Schwaller eingeladen worden. Und ich bin da runtermarschiert, die Stufen... und das war für mich ein spiritueller Moment. Mich hat das dann nicht mehr losgelassen und das Schöne ist: Mir geht’s heute immer noch so (lacht). Ich kenne den Laden jetzt schon so lang, ich führ‘ ihn seit dreieinhalb Jahren, bin praktisch jeden Tag da.

Jedes Mal, wenn ich da bin, denk’ ich: Bist du deppert, ist das geil

Das ist so leiwand! Und das ist für mich die größte Motivation.

B: Du hast jeden Abend Konzerte. Wie schaffst du das organisatorisch? Fragst du die Leute an, fragen sie an?

C: Ja, all das eigentlich. Es gibt in Wien drei echte Jazzclubs, das Porgy, das Jazzland und das ZWE. Und die Wiener Jazzszene, das sind Pi mal Daumen 500 Leute. Die wollen in den Locations in Wien spielen, da kommen sie an uns schwer vorbei und durch die wöchentlichen Jamsessions hier entstehen viele neue Formationen. Gleichzeitig findest du uns auch schnell, wenn du Jazz Club Wien googelst und so werden wir auch immer mehr in europäische Touren eingeplant.

B: Sind dann die meisten Künstler*innen aus Wien und Österreich? Wie ist da die Gewichtung?

C: Ich würde mal sagen, ein Großteil der Wiener Szene lebt auch in Wien. Und da wir relativ klein sind und wenig Budget haben, Leute einzufliegen, bietet sich es halt an, mit Leuten zu arbeiten, die eh schon da sind. Aber dann verschwimmen zu einem gewissen Grad auch die Grenzen. Nimm z.B. den Mátyás Bartha her, ein Pianist, der ursprünglich aus Ungarn kommt und in Wien lebt. Jetzt ist der zwar Teil der Wiener Szene, gleichzeitig haben wir über den aber auch Kontakte nach Ungarn oder Spanien.

B: Und wie steht’s deiner Meinung nach ganz generell mit dem Jazz in der Stadt der Klassik?

C: Ich würde mal sagen, dem Jazz als solchem geht’s gut, weil die Szene sehr aktiv ist. Gerade die MUK ist eine sehr gute Uni, wo extrem gute Leute studieren. Wir sind für die auch immer die Homebase, die kommen dann her, probieren sich aus. Das war vielleicht nicht immer so, aber im Moment tut sich viel.

Was den Stellenwert vom Jazz, sagen wir mal, in der Kulturstadt Wien angeht... also wir haben früher das Jazz Fest Wien gehabt. Und mittlerweile gibt es überhaupt kein Jazz Fest Wien mehr, nicht einmal mehr das! Ich habe nicht das Gefühl, dass die Stadt Wien oder die zuständigen Stellen in der Kulturpolitik sagen, he schau her, wir haben da ja super geile Leute, die auf Topniveau professionell geile Musik machen, das ist im internationalen Vergleich ein Wahnsinn, das sind Leute, die was zu sagen haben, machen wir was mit denen! Das ist schade.

Der Jazz hat immer schon ein gewisses Nischendasein gefristet.

Ich habe beschlossen meine Energie darauf zu verwenden zu zeigen, dass es diese leiwanden Leute gibt, ob es jetzt gewürdigt wird oder nicht! Ich schenke dieser Stadt trotzdem 365 Konzerte im Jahr und das macht mich froh!

B: Was zeichnet das ZWE im Vergleich zu den anderen Clubs aus?

Christoph: In erste Linie, dass wir Jamsessions haben. Und zwar Jamsessions auf professionellem Niveau, das belebt die Szene; Das ZWE ist ein Raum, wo Neues passieren kann. Und das hast du in anderen Locations nicht so. Wir haben deshalb auch bewusst keinen hermetisch abgeriegelten Backstagebereich. Wir sind da alle miteinander drinnen! Und gerade in den letzten beiden Jahren, die ziemlich schwierig waren, hat man das sehr gut gemerkt. Da wollten alle, dass es weitergeht. Jeder, der irgendwo im Jazz partizipiert, der ist hier zuhause.

B: Im Vergleich zu den anderen Clubs, wo Karten wesentlich teurer sind, verkaufst du Tickets um 15€ bzw. um 10€ für Studierende. Da du vorhin schon das Budget erwähnt hast, wie trägt sich das?

Christoph: Die Stadt und der Bezirk, die unterstützen uns schon. Aber das reicht eigentlich nur, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. In dem Moment, wo man Kunst und Kultur macht, kann man nicht ausschließlich wirtschaftlich profitorientiert agieren. Ich könnt’ siebenmal die Woche einen fröhlichen Vokaljazz machen, wo vielleicht mehr Leute kommen, aber ich gebe jungen Leuten eine Chance, die sich erst etablieren müssen, was ein unglaublich wichtiger Teil ist vom ZWE. Das haben wir immer schon gemacht und werden auch immer machen. Unser Deal ist immer: 100% vom Eintritt kriegen die Künstler*innen, und wir kriegen, was in der Gastronomie reinkommt.

Andererseits will ich die Tickets auch jetzt nicht viel teurer machen. Wir haben immer geschaut, dass wir die Ticketpreise so gestalten, dass möglichst viele Leute die Musik genießen können, gerade jetzt; soll ich da sagen, ja, ich weiß, ihr habt’s alle kein Geld, deshalb mach’ ich die Tickets jetzt um 10€ teurer? Das schließt ja Leute aus vom Kulturgenuss und das ist schade. Wir versuchen, dass es sich irgendwie die Balance hält, so teuer wie nötig, so billig wie möglich.

B: Ich würde sagen, dann sehen wir uns bald wieder hier?

Christoph: Auch jeden Fall!

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