Hier spielt die Musik
Ein Avantgardefestival durchdringt die Stadt einen Monat lang: Wien Modern bietet Performances, bahnbrechende neue Musik und einen vielversprechenden U27-Club, der nichts kostet.
Stell dir vor, es gäbe ein Festival, das ein Monat lang die ganze Stadt mit bahnbrechender Kunst durchrüttelt, mit fast 100 Veranstaltungen und in 25 Spielstätten. Im Planetarium, im Volkstheater, in Universitäten und Akademien, Underground-Kulturstätten wie dem echoraum oder dem Spitzer, in Palais, Kirchen, im Konzerthaus, im Musikverein, im Kunsthistorischen. Und überall würde man in Erlebnisse, sonderliche Momente, Klänge, Farben, Menschen, Werke erfahren, bewegt werden von aktueller, relevanter Kunst. And you know what? Dieses wilde, fast dekadent reichlich programmierte Festival gibt es. Es heißt Wien Modern und steigt zwischen dem 29. Oktober und dem 30. November.
Es geht nominell um neue Musik, diese oft unterschätzte, als realitätsfern abgetane Kunstform, die aber eigentlich so viele Möglichkeiten in sich birgt. Man muss nichts wissen, nichts vorbereiten, es reicht nur zuzuhören. Wie wichtig ist das eigentlich, zuhören lernen! In Diskussionen genauso, wie bei sich selbst. Tatsächlich bietet das Festival aber so viel mehr: Theatrales, Performatives, Anregendes.
Neue Musik ist komplex, gibt der lässige künstlerische Leiter, Bernhard Günther zu. Aber sie soll auch Spaß machen. Und das kann sie, versprochen! Bei der Pressekonferenz im Volkstheater, das als neue Partnerinstitution erstmals mit dabei ist, wurden fünf Minuten von A House of Call angespielt. Fünf geile Minuten waren das, let me tell you. Heiner Goebbels‘ (no relations mit dem Nazi…) Monumentalwerk arbeitet mit originalen Archivaufnahmen von menschlichen Stimmen und einem großen Orchester. Am 19. November wird dieses erst zwei Jahre altes, schon jetzt als Meisterwerk tituliertes Stück im Volkstheater gespielt. Mark your calendars, könnte etwas ganz Besonderes werden.
Nachts im Museum, mit Musik
Direkt am Tag danach findet ein weiteres krasses Highlight statt, nach endlosen Coronaverschiebungen wird da das gesamte Kunsthistorische Museum mit Musik von Georg Friedrich Haas beschallt. Gespielt wird auf Instrumenten aus 500 Jahren. Sich in den edlen Hallen des Museums zu verlieren, überall auf Musik zu stoßen, das klingt doch wie ein Traum. Ich stelle mir das fast so magisch vor, wie den ganz besonderen Film The Russian Ark, der mit einem einzigen Shot in der Eremitage in St. Petersburg gedreht wurde.
Das Geilste am Festival ist aus junger Sicht der Jungspund Club, den es zum ersten Mal gibt. (Na gut, die Tatsache, dass man bei Wien Modern so richtig am Puls der Zeit ist, nigelnagelneue Sachen erlebt, ist wahrscheinlich noch fetziger…) Man muss nur in einer formlosen Mail an jungspundclub@wienmodern.at begründen, warum man mitmachen möchte, mit etwas Glück ist man schon dabei. Es werden Backstageaktivitäten, Treffen mit Komponist*innen und gleichgesinnten jungen Leuten, gemeinsames Trinken, Tickets und wer weiß was noch geboten, alles gratis. Man muss auch nicht bei allem mitmachen, im besten Fall erwischt eine*n aber das Festivalfieber und man möchte gar nicht mehr weg. Falls man nicht gleich in den Club möchte, gibt es auch einen Festivalpass für 40 Euro, wenn man U27 ist, sowie eine Reihe von Gratiskonzerten.
Also auf geht’s, stöbert ein wenig durch das Programm, lasst euch inspirieren! Highlights gib es so viele, die Baselitz-Tage im Musikverein, wo dieser so wichtige Künstler seine Sicht auf die Musik teilen wird, das Eröffnungskonzert im Konzerthaus, Abende für junge Komponist*innen (über 40% der Komponist*innen sind weiblich, das geht in die richtige Richtung). Don’t miss the chance und bis bald in der Gegenwart!