Zwischen Echo, Kabeln & tonGesten
Ein letztes Mal Mischpult und Mikro vor dem Lockdown - aber nicht im Club, sondern zu Gast bei der Kunstperformance Strom. Ein performatives EKG aller Klangebenen der Mensch-Maschine-Kommunikation.
Wir Menschen kommunizieren gern und viel, immer häufiger auch mit Siri, Alexa und Co. Unsere Kommunikation mit diesen Spracherkennungssystemen erfordert ein Überdenken des klassischen Sender-Empfänger-Modells, wenn wir diese neuen Kommunikationspartner und ihre Auswirkung auf unser Gesprächsverhalten verstehen wollen. Dabei erschließt sich ein neues Feld der künstlerischen Erforschung.
Geweckt, gefordert & überfordert
In der aktuellen Ausstellung Wake Words des Kunstraums Niederösterreich im 1. Bezirk beschäftigt sich das Kollektiv The Golden Pixel Cooperative mit dieser Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Wenn Spracherkennungssysteme durch sogenannte Wake Words, wie zum Beispiel „Hey Siri“, aus ihrem Traumzustand in ein Wachsein geholt wurden, ist noch keine problemlose Kommunikation garantiert. Der zwischenmenschliche sprachliche Austausch ist, wie wir alle wissen, keineswegs frei von Hürden und Verständigungsproblemen. Nicht leichter wird es mit technischen Gesprächspartner*innen. In der Ausstellung werden vier Layers potenzieller Störfaktoren dieser Kommunikation untersucht. Die Ebenen Rauschen, Echo, Maschinenfehler und Improvisation werden durch Hörstücke und verschiedene, parallel laufende Videoarbeiten erforscht. Ein von der Komponistin und interdisziplinären Künstlerin Rojin Sharafi kreierter Open Sound, der durchgehend laut im Ausstellungsraum abgespielt wird, lässt die Klangebenen aller Videos verschmelzen, sodass sie einzeln nur noch über Kopfhörer wahrnehmbar sind. Besucher*innen werden dadurch mit einer bewusst provozierten Überforderung der Sinne konfrontiert.
Eintauchen in den Strom der Klänge
Die laufenden Videoarbeiten und der Open Sound der Ausstellung erfüllen neben dem Stimmengewirr der Besucher*innen den Ausstellungsraum. Die Zuschauer*innen sammeln sich auf Hockern und Sitzsäcken auf dem Boden, auf welchem drei leicht gebogene, kaum einen halben Meter hohe silberne Bleche aufgebaut sind. Gegenüber sitzen die Künstlerinnen Iris Blauensteiner und Rojin Sharafi ebenfalls auf dem Boden an Laptops. Ein Kabelwirrwarr in der Mitte verbindet sie mit den glänzenden Blechen, welche durch eine Art Elektroden an die Kabel angeschlossen sind. Die rote Farbe der Kabel lässt an Adern denken, ein ungeplanter Effekt, den die Künstlerinnen bewusst behalten wollten.
Mit einem Keuchen beginnt die Performance Strom, nicht zuordenbar, bis man entdeckt, dass Iris Blauensteiner in ein Mikrofon atmet. Wie zwei DJanes sind die Künstlerinnen über ihre Laptops gebeugt. Das leiser werdende Rauschen geht in einen deutschen Text über. Es wird an ein Du gesprochen und während das eindringliche Echo der Stimme an verschiedene Ichs denken lässt, spricht der Text von einer Falltür zum zweiten Ich. Die Frage nach Realität im Leben wird durch viedeospielähnliche piepsende Störgeräusche durchwoben. Eine weitere Realitätsebene wird durch die sich im Raum bewegende Kamerafrau geschaffen, welche die Performance filmt. Auf dem Display der Handkamera wird eine Art Echo des Realitätsbildes gezeigt.
Ein Lichtreflex auf der Silberfläche – dann beginnt sie zu vibrieren – die Schwingungen werden lauter wie bei einer Klangschale. Der Moment wirkt jedoch weniger meditativ, sondern erinnert eher an einen Herzschlag im Ultraschall. Die Töne werden immer schneller und stressiger, doch die Künstlerinnen bleiben ruhig wie konzentrierte Ärztinnen beim Versuch Leben zu retten. Iris Blauensteiner spricht mit verzerrter Stimme über Atemhaut und Pulsschlag, als ihr ein kreischender Ton ins Wort schneidet. Der Klang erinnert an ein Instrument, das zum Soundcheck an den Verstärker angeschlossen wurde. Nur scheint es hier eher um den Check eines Lebenszeichens oder eines Zeichens zur Kommunikationsbereitschaft zu gehen. Die letzte Textstelle spricht vom Brustkorb und dem Klopfen des Herzens im ganzen Körper, die Assoziation mit einem EKG kann bei den Klangebenen nun kaum mehr ignoriert werden.
Nach einem Moment der Stille setzt erneut das Atemgeräusch ein, bis sich Iris Blauensteiner erhebt und bei einem der silbernen Bleche verweilt, ein kleines Mikrofon auf und ab bewegend. Dieses scheint wie eine Sonde auf der Suche nach Reaktion und Leben - erfolgreich. Immer wenn sich das Mikro dem Silber nähert entsteht ein Rückkoppelungseffekt. Die an Screens erinnernden silbernen Flächen melden sich zu Ton, bereit zur Interaktion.
In einem Gespräch mit Iris Blauensteiner nach der Performance erzählt sie mir von ihrer Faszination für Technik als künstlerische Inspirationsquelle. Als diese kann sie vielleicht gerade deshalb dienen, weil technische Prozesse am Ende immer irgendwie machen, was sie wollen. Der fixe Rahmen von Strom wird bei jeder Aufführung neu ergänzt, neu in Schwingungen versetzt.
Iris Blauensteiner und Rojin Sharafi wollen in Zukunft mehr zusammenarbeiten und wir können uns darauf freuen, uns auf weitere performative Reisen zur Erforschung des Zusammenlebens von Mensch und Maschine mitnehmen zu lassen.