15 + 1 = 16

Berlin. Das Label Ostgut Ton und sein Stammhaus, das Berghain, feiern ihr 16-jähriges Jubiläum mit einem verrückten Album.

Berghain Nightvibes / Michael Mayer (c)

Marcel Dettmann, Efdemin aka Phillip Sollmann oder Ryan Eliott... So viele große Namen des zeitgenössischen Techno, die kürzlich in Wien aufgelegt haben, sind auf dem Album Fünfzehn + 1 vertreten. Diese ehrgeizige Compilation erscheint heute in physischer Form auf CD und Platte, um das sechzehnjährige Bestehen des Berliner Labels Ostgut Ton sowie die Wiedereröffnung seines Mutterhauses (und was für ein Mutterhaus!), des Clubs Berghain, zu zelebrieren.

Dieses 20 Stücke umfassende Opus, das auf das im April 2020 erschienene großartige Album Berghain Fünfzehn von Luke Slater folgt, hebt sich aus mehreren Gründen von vielen aktuellen Techno- und Elektronikveröffentlichungen ab. Aus einer unglaublichen Liste internationaler Duos zusammengesetzt, verdient die etwas verwirrende Handlung dieses eigenständigen Stücks ein wenig Aufmerksamkeit. Die physische Veröffentlichung bietet eine gute Gelegenheit, sich mit einigen entscheidenden Elementen zu beschäftigen, die das Album zu einem ästhetischen Erfolg machen.

Fünfzehn + 1 ist das Ergebnis einer echten künstlerischen Leitung und eines echten konzeptionellen Projekts. Und das spürt man! Die 20 Titel sind in fünf Sektionen unterteilt, die jeweils eine bestimmte Stimmung haben und eine einzigartige Szenerie repräsentieren. Jeder dieser fünf Abschnitte ist ein eigenständiger Dancefloor. Diese verschiedenen Sphären sind die Spielwiese vieler talentierter Produzent*innen, die in der heutigen elektronischen Szene mal mehr (Ben Klock, Len Faki) und leider mal weniger prominent vertreten sind – allen voran das Duo Jessica Ekomane - Zoë Mc Pherson.

Jenseits von Techno-Klischees

All dies steht für unterschiedliche Sensibilitäten, Texturen, Farben und Herangehensweisen an die elektronische Musik. Auf dieser Compilation findet sich eine große Vielfalt an Stilrichtungen: von trockenen Berliner Techno-Tracks über experimentelle Jazzstücke bis hin zu innovativen afro-elektronischen Rhythmen und EBM-Klangerben. Von DJ-Tools bis hin zu experimentelleren Tönen ist diese Compilation definitiv mehr als einen Umweg wert.

Anspruch und Ehrgeiz

Im Gegensatz zu Projekten, die sich ausschließlich der einfachen Tanzmusik widmen, ist Fünfzehn + 1 ein sehr anspruchsvolles Werk. Nicht nur, dass es sich mit einer Laufzeit von zwei Stunden um ein sehr langes Format handelt (nur ein einziger kurzer Titel fällt unter die Fünf-Minuten-Marke), es gleicht auch kein Titel dem anderen. Die extreme Vielseitigkeit des Projekts schließt somit von vornherein jede Farblosigkeit aus.

Es handelt sich um ein Album, das sich die nötige Zeit und den nötigen Freiraum für seine Ziele nimmt. Dieses Projekt hebt sich von vielen aktuellen Techno-Mixtapes ab, die völlig geschmacklos sind, und wenn, dann meist eine vom Label lustlos erzwungene Kohärenz aufweisen, die sich zu einer tristen Uniformität entwickelt. Ostgut Ton hat sich eindeutig die Mittel und den Anspruch der Freiheit erlaubt, ein ganz und gar einzigartiges und wählerisches Langformat zusammenzustellen.

Ostgut Ton zollt mit diesem massiven Albumprojekt nicht nur seinen vielen Berliner Nächten Tribut, sondern schafft es auch, so vielen Bewegungen, Strömungen, Ideen und elektronischen Synergien gerecht zu werden. Also ja, von außen betrachtet ist das gesamte Projekt lang. Es mag zerfahren und unverdaulich erscheinen. Es mag zwischen psychedelischer Musikalität, Klangexperimenten und forcierten Technopassagen hin und her schwanken. Dennoch repräsentiert es eine vielfältige elektronische Szene, die nach so langer Zeit intensiver Entbehrung nur darauf wartet, wieder zu erblühen. Fünfzehn + 1 und nicht Sechzehn... Wie eine Zukunft, die nicht schnell genug kommt. Hoffen wir, dass das nächste Mal wirklich Siebzehn folgt! Die Chancen stehen gut, schließlich wurde die 17-jährige Jubiläumsnacht des Clubs bereits angekündigt.

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