Ludwigs Remix
Hannah war vor knapp 20 Jahren beim Debüt des Duos Igudesman & Joo dabei und hat die letzte Show der beiden Spaßkanonen besucht.
Vor ungefähr 18 Jahren (mein Gedächtnis und meine Eitelkeit erlauben es mir nicht, ein genaues Jahr nennen zu können) stürmte meine Großmutter empört mitten im Konzert von Igudesman & Joo aus dem Saal. Ich saß als kleines Mädchen auf dem Klavier am hinteren Ende des Raumes und konnte meinen Augen nicht trauen – und noch weniger meinen Ohren. Auf dem damaligen Oleg-Kagan-Festival im schönen Städtchen Kreuth am Tegernsee hatten wir das Debüt der beiden Musiker als Komödianten miterlebt. Mit unglaublich feinem Humor und Geschmack gelang es ihnen den Abend eines höchst intellektuellen und anspruchsvollen Publikums zu füllen. Es wurde gelacht, gestaunt, ein wenig geraunzt – aber in einem waren sich alle einig: vergessen würde diesen Auftritt niemand.
Mittlerweile hat sich ein bisschen was getan: Hunderte von gefüllten Sälen, dutzende Tournees, Filme, CDs, Preise, Zusammenarbeit mit Hans Zimmer, John Malkovich und Billy Joel – ein weiter und ereignisreicher Weg hat dem Duo einen unvergleichlichen Status in der Musikwelt beschert. Kaum ein anderes Ensemble, das sich mit Musik-Comedy befasst, hat solch einen Erfolg erleben und vor allem erhalten können. Damit zurück zur Gegenwart:
„Können Sie sich einen Beethoven-Abend ohne die fünfte Symphonie vorstellen? ...wir schon.“
Großes Jubeln als Aleksey Igudesman und Hyung-ki Joo die Bühne betreten; heiß geliebt füllen die beiden locker den Großen Saal des Konzerthauses. Aber alleine sind sie heute nicht: mit den Wiener Symphonikern, der Sängerin Sandra Pires, der Schlagzeugerin Lucy Landymore und mehreren Ton- und Lichttechnikern im Schlepptau werden die ganz großen Geschütze aufgefahren. Normalerweise sind Igudesman & Joo im Doppelpack mit ein paar Special Guests unterwegs, heute wird aber zur Feier des neuen Jahres eine große Show spendiert.
Beethoven's Nightmare ist der Titel des Abends und hält, was er verspricht: Es dreht sich ausschließlich um Ludwig, welcher sich höchstwahrscheinlich beim Anblick dieses Abends in seinem Grab umdrehen würde (Zitat Igudesman!). Die Greatest Hits werden aufgedreht, umgeschrieben, verkürzt, aufgepeppt. „Können Sie sich einen Beethoven-Abend ohne die fünfte Symphonie vorstellen? ...wir schon.“, meint Igudesman trocken und geht zu einem 10-minütigen Arrangement desselben Werkes über.
Elise, Elise, Elise
Wer immer schon einmal wissen wollte, wie oft Für Elise verbal und tonal an einem Abend vorkommen kann, ist hier richtig aufgehoben. Auch die fünfte und neunte Symphonie belegen knapp die Plätze dahinter. Viele Nummern sind „Remixes“ in verschiedenen Stilen aus Nord- und Südamerika, Asien und Europa. Einige Gags aus vorigen Tourneen sind auch dabei – für die meisten Lacher sorgen aber die simplen Dinge: ob Igudesman's Sarkasmus oder Joo's Grimassen, viel braucht es in der Regel nicht außer die beiden Protagonisten.
Das gewählte Repertoire ist zwar nicht das Originellste, die Arrangements hingegen schon. Beide Künstler schreiben ihre eigenen Versionen im Stil von Filmmusik, Salsa, asiatischer oder irischer Volksmusik, Tango und vielem mehr; immerzu das berühmte Thema des jeweiligen Stückes raffiniert verwebt - noch dazu heute in symphonischer Besetzung. Igudesman konzentriert sich mehr auf die Medleys, während Joo uns romantischere Eindrücke liefert.
Die Vertonung Beethovens Briefes an seine „unsterbliche Geliebte“ zum Beispiel – gesungen von Sandra Pires auf Englisch im großen Balladen-Stil des 90-er Jahre Pop. Düsterer wird es mit dem vorgelesenem Heiligenstädter Testament – untermalt von einer Hollywood-Version der Mondscheinsonate. Das Gran Finale mit einem Riesen-Medley der 9. Symphonie quer über alle Kontinente schließt den Abend mit Gesang, Tanz und großen Lichteffekten ab.
Spaß, Frische und Groove – sowohl das Publikum als auch die Musiker schwangen den ganzen Abend mit. Den Wiener Symphonikern konnte man den Spaß permanent im Gesicht ansehen – sicher eine schöne Abwechslung zum üblichen Programm. Überrascht werden wir noch mit einer Zugabe des Solo-Cellisten Christoph Stradner, welcher sein Talent gleichzeitig singen, pfeifen und Cello spielen zu können, mit der Melodie der 9. Symphonie preisgibt.
Clown-Propheten
Wie weit man mit der Kommerzialisierung klassischer Musik kommen kann, ist immer so eine Frage. Es gibt viele, die damit nicht einverstanden sind und es nicht als seriös oder der Kunst würdig empfinden. Wenn man es aber von einem kommerziellen Standpunkt aus betrachtet, könnte es keinen besseren Weg geben, als so klassische Musik zu vermitteln – denn das Publikum und seine Aufmerksamkeitsspanne schrumpft, aber die Säle müssen trotzdem gefüllt werden.
Igudesman & Joo schaffen es nun schon seit Jahrzehnten auf dieser Gratwanderung Balance zu halten – man hat nicht das Gefühl, dass die beiden ins Groteske umschwingen, die Musik bleibt immer im Vordergrund und qualitativ. Der Humor ist unterhaltsam und intelligent, die Variationen diverser bekannten Melodien gut geschrieben. Allem voran verlieren sie nie den Spaß an der Sache – und geben dies dem Publikum mit. So auch dieses Mal in Form von Beethovens Albtraum.