Bei der Eierstocklotterie verloren? Probiere dein Glück beim AMS

Durch ein neues Gesetz, als Folge der Zerstörung des Sozialsystems, wird Erbschaft nun zufällig verteilt. Was ist gerecht? Mit scharfsinnigem Humor spinnt JEEPS im Kosmos Theater ein vielschichtiges Diskussionsnetz rund um die Erbschaftsdebatte.

Kosmos Theater /// Bettina Frenzel (c)

Vier Menschen in hellen neutralen Farben betreten die Bühne, hüpfen und singen, springen in einen Kreis. Ein magischer Sprechkreis sozusagen, der ihnen erlaubt die anderen auszuschalten und die Handlung voranzutreiben. In der Welt von JEEPS geht Erben nun nicht mehr durch die „Eierstocklotterie“, sondern wird neu verteilt und ausgelost. Zu so einem Los kommt mensch, wenn mensch sich durch die Bürokratie des AMS gekämpft hat. Dann bleibt nur noch zu hoffen, dass das Erbe zu einem*r Schokoladenmanufakturmilliadär*in gehört und nicht bloß Schulden drin sind.

Klebrige Kinder und Überlebenskampf

Zwei fragwürdig motivierte Kund*innenberater des AMS empfangen mehr oder weniger freiwillig eine Notstandshilfe-Bezieherin und eine enterbte Erbin. Jede der Personen hat ihre eigenen Prinzipien und Ziele. Oder wollen sie am Ende nicht doch alle dasselbe - das, was ihnen zusteht? Aber was soll das eigentlich sein, was steht mir zu? Es wird über „das große Ganze“, Ungerechtigkeiten, die Effekte des Spätkapitalismus und des Neoliberalismus diskutiert und verteidigt. Fragen werden gestellt und mit neuen Fragen beantwortet: Was ist denn jetzt nun fair? Was richtig? Aber wenn ich doch „hart dafür gearbeitet“ habe, dann steht mir doch alles zu, oder etwa nicht?

Während die Vier ihren Kampf austragen, sammeln sich zeitversetzt in den Hallen des AMS seit Tagen die Kund*innen: Jene, die Baggerfahrer sind und einen Job als Baggerfahrer wollen und jene, denen es nur ums „Prinzip“ geht bei ihrem Milliardenerbe. Jene, welche gerne übers „Große Ganze“ philosophieren ohne sich übers Kleine Sorgen machen zu müssen und alle dazwischen und außerhalb. In den Hallen des AMS sorgen die Wartenden für ihre eigene Unterhaltung. So entstehen zwischen Arbeiter*innenkinder und Millardenerb*innen wie von selbst Food-Trucks, während sie Gerechtigkeit beanspruchen. „Klebrige Kinder“, wie sie von den Start-up-Gründer*innen liebevoll beschrieben werden, klettern die von ihnen gebaute Boulderwand hinauf.

Darf’s noch ein Glückskeks sein?

Kosmos Theater /// Bettina Frenzel (c)

Soviel Tumult auch in den beschriebenen Hallen herrscht, das Bühnenbild des Stücks ist schlicht und hauptsächlich weiß gehalten. Eyecatcher sind die goldenen Glückskekse, welche die Erblose darstellen sollen. Ein leuchtend blaues Klebeband verläuft über den Boden. Dieses wird im Laufe der Handlung mehr und mehr verteilt. Am Anfang ist es noch ein großer Kreis, in dem sich die Darstellenden treffen, danach entstehen vier kleinere Kreise - sie trennen sich, haben ihre eigenen Kreise. Die Figuren finden räumlich wie inhaltlich zueinander und trennen sich wieder, so wie ihre Diskussionen sich aufeinander zu und voneinander weg bewegen. Vereinzelte rote Elemente können im Bühnenbild gefunden werden, ob Absicht oder nicht, werden so auch die Farben des AMS repräsentiert.

Durch die Dystopie der Erbschaftsdiskussion zieht sich belebter Witz, welcher sich in frechen Sprüchen, absurder Komik und Musicaleinlagen äußert. Das Stück beweist Humor, auch wenn das Thema Schwere in sich birgt. Es wird nicht davor zurückgeschreckt, jemandem auf den Schlips zu treten, macht die Geschichte dies doch mit einer springenden, frechen Leichtigkeit. „JEEPS“ ist eine scharfsinnige, mehrschichtige Satire mit Unterhaltungs- und Diskussionscharakter.

Am 13. September wurde die österreichische Erstproduktion von Nora Abdel-Maksoud in der Inszenierung von Anna Marboe im Kosmos Theater uraufgeführt. „JEEPS“ wird bis zum 30. September im Kosmos Theater zu sehen sein, am 21. Und 22. September werden Publikumsgespräche stattfinden. Der Austausch mit den Macher*innen könnte gerade in dieser (Streit-)Thematik und auf Grund der fragenaufwerfenden Stückdynamik bereichernd sein.

Kosmos Theater /// Bettina Frenzel (c)

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