Crossing Europe 24 – Ein Blick zurück

Neben Viennale und Diagonale ist das Crossing Europe Filmfestival wahrscheinlich das spannendste Film Festival Österreichs. Ein Bericht für alle, die es trotzdem noch nie hingeschafft haben.

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Zum 21. Mal lud das Crossing Europe dieses Jahr Kunst- und Kulturschaffende aus ganz Europa nach Linz ein, um ihre Werke und Filme vorzustellen. Auch dieses Jahr war das Programm wieder sehr bunt, 144 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus 41 Ländern gab es zu bestaunen.  Inhaltlich wurde versucht, politische und gesellschaftliche Strömungen wie Probleme aus ganz Europa aufzugreifen und Platz einzuräumen. So finden sich Filme über Aktivismus, Feminismus, Sport, das älter werden, Krieg, Migration, aber auch Themen wie ADHS im Programm. Unter anderem gibt es die Kategorien „Fiction“, „Documentary“, „European Panaroma Fiction“ oder auch „YAAS! Jugendschiene“, die sich wie der Name schon sagt, an Junge Menschen richtet und auch von ausschließlich Jungen Menschen im alter zwischen 17 und 18 kuratiert wurde. Jedes Jahr gibt es auch die „Tribute“ Kategorie, in der Zuschauer*innen Filme und das Werk einer ausgewählten Künstler*in nähergebracht werden, dieses Jahr wurde diese Ehre Aliona van der Horst zu Teil. 

Linz oder viel mehr Oberösterreich ist ein Bundesland, das durch Industrie und Wirtschaft geprägt ist und so gibt es in Linz zwar viel Kultur, sie will aber erst gesucht und gefunden werden. Daher ist es umso schöner, schon vor offiziellem Festivalbeginn dabei zuzusehen, wie sich das Festival langsam in der ganzen Linzer Innenstadt ausbreitet. Selbst die Straßenbahn bekommt einen neuen Anstrich mit dem diesjährigen Festivalbanner. Und während ich noch mit dem Spruch „Kill your darlings“ im Hinterkopf verzweifelt das Festivalprogramm durchblättere, weil man sich einfach nicht alles anschauen kann, sieht man schon die ersten Menschen mit Festivalpässen schnell zu den ersten Vorstellungen hasten. Und weil diese Menschen sich sehr oft doch von dem restlichen Passant*innen abheben, haben auch sie Anteil an der Verwandlung der Linzer Innenstadt, in ein einziges großes Festivalgelände. 

Snapshots of Europe

Der erste offizielle Tag des Crossing Europe Festivals 2024 begann für mich mit einem Horror-Thriller, der in Deutschland gedreht wurden und in Bayern spielt. Vor allem die Besetzung fand ich dabei sehr interessant, neben Hunter Schafer in der Hauptrolle, spielt unter anderem die besonders in Österreich bekannte Schauspielerinn Proschat Madani mit, die der eine oder andere aus der ORF Serie Vorstadtweiber kennen dürfte, mit. Am Ende war Cuckoo ein solider und ziemlich unterhaltsamer Genre Vertreter und ein umso tollerer Einstieg in das Festival. Bereits am ersten Tag durfte ich außerdem einen weiteren Vorzug des Crossing miterleben, der Kameramann des Films, Paul Faltz, war anwesend und stellte sich nach dem Screening den Fragen des Publikums. Das sollte aber nicht die letzte filmschaffende Person sein, die ich hautnah erleben durfte.

(c) Ines Mayer / subtext.at

Wenn man nach einem erfolgreichen Screening Tag noch Kraft hat, wäre da noch das ebenfalls tolle Rahmenprogramm, das ganz eigene Festival-Highlights schafft. An erster Stelle steht da die Nightline, die dem Festival Publikum die Möglichkeit gibt, den jeweiligen Festivaltag bei einem Bier oder auf der Tanzfläche oder beidem ausklingen zu lassen. Und unter uns, das ist auch sehr empfehlenswert, will man das bunte Programm, das man Tag um Tag geboten bekommt, auch nur irgendwie bis zum nächsten Tag verarbeiten. Jedes Jahr werden Acts gebucht, die dann entweder performen oder auflegen, letztes Jahr wäre da Euroteuro zu nennen, als bekanntester Act. Dieses Jahr waren unter anderem die Kurator*innen des Wiener Pop Festes vor Ort bzw. hinter den Turntables. Es gibt einem außerdem die Möglichkeit viele der Film- und Kunstschaffenden, die ihre Filme am Festival präsentieren, nochmal in ganz anderem Licht und zu anderen Bedingungen kennen zu lernen. Jedes Jahr verirren sich viele davon dann doch irgendwann auf die Nightline. Ach – und habe ich erwähnt, dass man kein überteuertes Eintrittsband braucht, um reinzukommen? – Ja, genau. 

Kino als sozialer Raum

Filmfestivals sind immer auch ein Ort der Begegnung, ein Ort der Menschen zusammenbringt. Auch das Crossing Europe ist hier keine Ausnahmen. Die dadurch entstehende familiäre Atmosphäre, hebt es eindeutig von vielen anderen Festivals ab. Über die Jahre hat sich ein eingefleischtes Festivalpublikum gebildet, das auch aus unterschiedlichen Bundesländern nach Linz pilgert - was dazu führt, dass ich mittlerweile viele Freund*innen und Bekannte haben, die ich Jahr für Jahr verlässlich am Festival treffe, meistens ausschließlich dort. Und so bildet man zusammen eine Gemeinschaft, die zwar nur für einige Tage besteht, dafür aber umso intensiver ist. Zwischen Filmen wird ausgetauscht, beraten und geplant, wie das restliche Festival zu bestreiten ist – ob man heute Abend die Nightline besucht, welche Filme gut gewesen sind, welche eher unterwältigend und wo bekommt man jetzt auf die Schnelle noch was zu essen? Aber das Schönste ist eigentlich, wenn ich feststelle, dass meine Crossing Europe Familie Jahr um Jahr größer wird. 

Aber zurück zu wirklich wichtigen Dingen – dem Festivalprogramm. Neben spannenden Spielfilmen liefen auch einige interessante, wenn auch inhaltlich schwere Dokumentarfilme, etwa Turn your body to the sun von Aliona van der Horst. Darin begleiten wir Dara, die versucht, die Vergangenheit ihres Vaters zu erforschen - eine Vergangenheit, über die ihr Vater selbst immer geschwiegen hat. Wir tauchen dabei tief ein in die russische Geschichte. Die Besonderheit in der Arbeit von Aliona van der Horst liegt in der Art und Weise, wie sie mit historischem Material umgeht: Sie mischt neue Aufnahmen mit historischem Material und unterlegt sie dabei immer wieder mit Poesie, die uns das Ausmaß des gezeigten, besser verstehen lassen. Der Umgang wirkt dabei immer frisch und hilft der Annäherung and die Vergangenheit ungemein. Wer ihre Dokumentationen auf dem Festival verpasst hat, sollte dies unbedingt nachholen und kann das sogar kostenlos tun, auf alionavanderhorst.com hat die Künstlerin einige ihrer Arbeiten gratis verfügbar gemacht. Große Empfehlung meinerseits wäre dabei der ebenfalls beim Crossing Europe gezeigte Boris Ryzhy, über einen gleichnamigen russischen Dichter, der sich 2001 das Leben genommen hat.

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Der große Fokus auf local artists bildet ein weiteres inhaltliches Highlight. Jedes Jahr bietet das Festival jungen Filmschaffenden eine Bühne, ihre Werke vor eine Jury und einem größeren Publikum zu präsentieren, dabei sind die Beiträge ganz bunt gemischt, von animierten Kurzfilmen, über Musikvideos bis hin zu ganzen Langfilmen, ist in der „local artist“ Kategorie meist alles zu finden. Der Großteil der Arbeiten hat dabei Linz bzw. OÖ-Bezug in irgendeiner Form. Auch in dieser Kategorie wird am Ende ein Gewinner von der Jury gekürt.

Am Ende bleibt mir nur noch zu sagen, dass das Crossing Europe immer wieder einen Besuch wert ist. Besonders setzt das Festival ein großes Gegengewicht, gegen den Hauptstadtsnobismus, durch den viele Wiener*innen gern davon ausgehen, dass alles kulturell relevante ausschließlich in Wien passiert. Wer ein tieferes Verständnis dafür bekommen will, wie vielfältig Europa ist, sollte Linz und dem Crossing Europe eine Chance gegeben. Das Programm besteht dabei nicht nur aus schweren depressiven Filmen, in den letzten Jahren hat das Programm besonders durch Queeres Kino einen bunten, lebendigen und auch humoristischen Anstrich bekommen. Als persönliches Fazit kann ich sagen, dass ich zum Aliona van der Hort Fan avanciert bin, das Gefühl habe dassdas verschlossen wirkende russische Volk ein Stück besser zu verstehen und dass ich jetzt schon gespannt bin auf das weitere zukünftige filmische Schaffen von Hunter Schafer.

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