Das Salz in der Indie-Suppe

Das neue 10 Volt-Festival will in der österreichischen Musikszene frische Impulse setzen. Mit Newcomer*innen von AVEC bis Wiener Planquadrat im Programm ließ sich Bohema die Party nicht entgehen. Ein Bericht aus den Reihen und dazwischen.

Lineup /// 10 Volt Festival (c)

Wir begeben uns hinaus aus Wien, und landen in der Postkarten-Idylle Hallein. Hübsche kleine Altstadt, herbstlich bunte Berge. Doch irgendwie ist anfangs niemand dort. Mit ein paar älteren Herrschaften sitzt man im mexikanischen Wirtshaus. Das 10 Volt-Festival scheint das ändern zu wollen: Wieso gerade hier? Vielleicht genau deshalb.

Ein kleines Team und neuer Kulturverein, bestehend aus den Musiker*innen der Band MYNTH Giovanna und Mario Fartacek and friends, hat dieses neue Pop- und Indie-Festival ins Leben gerufen. Anfang Oktober fand es nun zum ersten Mal statt. Die Besonderheit beim 10 Volt: Eine tagelange Artist Residency vor dem Festival, und anschließende Vorstellungs-„Circles“ der daraus resultierenden Musik. Es sollen neue Künstler*innen und bekannte Gesichter auf gestellte Probenräume losgelassen werden und man darf im Nachhinein zuhören, was aus dieser neuen Zusammenarbeit entstand.

Eine wunderbare Möglichkeit, für wirklichen Austausch zu sorgen und Räume zu schaffen, in denen ausprobiert werden darf.

Das Festival selbst umfasste zwei Tage, an denen eine Mischung aus akustischen Nachmittagskonzerten bis hin zum nächtlichen Elektro-Programm angeboten wurde. Bekannte österreichische Namen und vielleicht schon gehörte Newcomer*innen teilten sich das Line-Up - Rap mit YUGO, Indie-Bands wie Flirtmachine und die, die alle kennen oder bald kennen: AVEC, Ankathie Koi, Attwenger und natürlich MYNTH selbst.

Auffällig kalten, frischen Wind brachte u.a. Paul Plut ins Programm, mit einer sehr ansteckenden Liebe zur Musik. Als Trio mit Kontrabass und Rhythmusabteilung à la Tom Waits und gleichzeitig düsterem Dialekt-Singer/Songwriting hatte man das Gefühl, das Ergebnis eines langen künstlerischen Prozesses beobachten zu dürfen. Die wahrscheinlich traurigsten Songs des Abends - und trotzdem war das Publikum hingerissen bewegt. Auch Ankathie Koi hielt ihre Zuschauer*innen lässig in ihrem Bann. Trotz kleiner „in private“-Besetzung mit Klavierbegleitung fiel es ihr beeindruckend leicht, eine nicht abebbende Begeisterung bei ihrem Publikum aufrechtzuerhalten. Mit Abstand die beste Sängerin im Line-Up.

Das Festival lässt seine Besucher*innen entspannt zwischen drei Locations spazieren. Die teilweise gleichzeitig stattfindenden Acts laden dazu ein, vom einen Konzert zum nächsten schauen zu können. Dabei kann man sich an neue Hörerfahrungen trauen, ohne sich dem Druck eines pünktlich-spießigen Konzertablaufs fügen zu müssen.

Und so füllt sich auch das Städtchen Hallein mit neuen und jungen Menschen, die die vorher gähnend leeren Plätze der Altstadt vorsichtig füllen.

Als weniger großer Fan von Radiosendern wie FM4 fehlte mir trotz einer so angenehmen Festival-Atmosphäre letztendlich doch ein wenig die versprochene Subkultur. Die österreichische Musikszene ist zwar nicht sonderlich groß, aber es wäre schön im nächsten Line Up noch mehr Diversität sehen zu können – ob nun im äußerlichen Erscheinungsbild oder mit mehr Künstler*innen, die noch nicht so gut vernetzt sind. So hat das Artist Residency-Programm auch noch mehr die Macht, sich unabhängig von anderen der Förderung von neuer Musik zu widmen. Als Newcomer-Festival ist 10 Volt allerdings ein voller Erfolg und kann mit stimmungsvollen Locations und reibungsloser Organisation vor Ort punkten. Man kann sich jedenfalls jetzt schon auf 2024 und die erneute Umsetzung von 10 Volt freuen.

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