Der Papst im Konzerthaus

Über das wiederkehrende Husten und was es verstummen ließ - seine Heiligkeit Rudolf Buchbinder mit fünf Beethovensonaten im Großen Saal.

papst buchbinder (1).jpg

Wenn man Bachs wohltemperiertes Klavier als Altes Testament der Klaviermusik sieht, und Beethovens 32 Klaviersonaten als Neues, so müssen Czerny, Ries und die anderen Schüler Beethovens die Apostel sein und Rudolf Buchbinder wäre wahrscheinlich ein starker Anwärter für den Titel des Papstes mit seinem eigenen Heiligen Vatikan in Grafenegg. Am 4. Juli machte er den Konzertsaal des Wiener Konzerthauses zu seiner Kathedrale, um uns zu zeigen, warum er der Klavierpapst wäre.

„Rudy still slayin“

Es gehört zu den schwierigeren Dingen im Leben, sich so einem kolossalen Werk wie Beethovens Repertoire zu widmen. Denn umso wichtiger oder bekannter ein Werk ist, desto schwieriger ist es, mit der eigenen Interpretation herauszustechen. Buchbinder hat es jedoch sehr einfach aussehen lassen. Er ließ nicht lange auf die erste Sonate warten. Er kam in den Saal, machte schnelle Verbeugung, setzte sich, und kaum war der letzte Klatscher im Saal verhallt, so füllten die Klänge der c-Moll-Sonate den Raum. Wenn man Beethoven mag, wird man an den geschmackvollen Interpretationen Buchbinders keine Mängel feststellen. Um es in den Worten eines Bekannten zu sagen, die er von sich gab, als er sah, dass ich Buchbinder live sehen durfte: „Rudy still slayin’“.

Was mir bei diesem - meinem ersten Konzertbesuch seit September - aufgefallen ist: Das Husten, das zwischen Sätzen lautstark zu hören und welches aufgrund von Covid verschwunden war (weil niemand mehr zu husten wagte), ist wieder da. Einerseits empfinde ich es als störend, andererseits ist es meiner Meinung nach ein guter Indikator, um festzustellen, wie unterhaltsam ein Konzert ist. Was uns zur zweiten Sonate bringt.

Mit dem zweiten Stück (As-Dur Sonate) hat Buchbinder es geschafft alle Huster*innen von ihren Halsbeschwerden zu heilen. Niemand hat zwischen, oder während den Sätzen gehustet, Buchbinders päpstliche Interpretation ließ uns alle verstummen. Im letzten Stück vor der Pause spielte er die Zweisätzige in F-Dur. Sie stand lange im Schatten der Appasionata und der Waldstein Sonate, weil sie zwischen diesen geschrieben, und von Zeitgenöss*innen für weniger beeindruckend gehalten wurde. Das Publikum und ich haben die Sonate anders wahrgenommen, lautstark unsere Zustimmung proklamiert. Es waren die ersten Jubelrufe des Vormittags.

Ein eindeutig spürbarer Sturm im Saal

Nach der Pause konnte Buchbinder mit der Sturm- und Es-Dur Sonate, alle die bis dahin noch nicht von seiner Vorstellung überzeugt waren, begeistern. Wobei ich nicht glaube, dass es viele gewesen sind, die er noch zu überzeugen hatte. Er ließ förmlich den Sturm in dem Saal spüren.

Kommen wir nun zu meinem persönlichen Highlight. Ich habe gehofft er spielt als Zugabe erstens überhaupt etwas, aber zweitens hoffte ich auf Bach, um im Artikel einen noch stärkeren Bezug zum Alten Testament des Klaviers aufbauen zu können. Als ich aber aus seinem Mund hörte, was er tatsächlich spielen würde, war ich alles andere als enttäuscht. Ich zitiere: „Das Finale der Pathetique… von Beethoven“. Es war wunderschön meine persönliche Lieblingssonate live zu hören, selbst wenn es nur der letzte Satz war.

Previous
Previous

Wien zum Pflücken

Next
Next

Ein Phänomen namens Trifonov