Die gemeinsame Sprache der Krisen ist die Menschlichkeit
Zwischen kollektiven Bedrohungen und individuellen Herausforderungen schafft Bill Viola im Museum der Moderne Salzburg einen Raum, der Hoffnung imaginiert und Zusammenhalt postuliert.
Das Rauschen des Wassers pulsiert in der Ferne, während leuchtende Videos die von einer finsteren Dunkelheit verhüllten Räume zu durchbrechen scheinen. Die gesamte Ausstellung erscheint zu einem mystischen Dickicht, getaucht in einen schummrigen und zugleich rätselhaften Schleier aus anscheinend Unvereinbarem. Bewegung und Stillstand, Lärm und Ruhe, Vorstellung und Wirklichkeit. Und in der Mitte von all dem: Besucher*innen des Museum der Moderne Salzburg, die sich selbst in der Kunst Bill Violas wiederfinden können.
Die ausgestellten Videoarbeiten des 1951 in New York geborenen Künstlers visualisieren verschiedene Prozess des menschlichen Lebens, so auch die Installation The Path aus der fünfteiligen Serie Going forth by Day (2002). Menschen, wie sie verschiedener nicht sein könnten, durchschreiten einen lichtdurchfluteten Wald. Woher sie kommen, wohin sie gehen, wer sie sind, bleibt absichtlich unbeantwortet. Einzig und allein ihre Bewegung und dessen Vergänglichkeit verrät ihre Gemeinsamkeit, als ob die einzelnen Ausschnitte Sequenzen derselben Geschichte wären.
Es wird ein Ort des Erlebens geschaffen, zwischen dem Hier und Jetzt, dem was war und dem was sein kann. Das Gegenwärtige, Vergangene und Zukünftige vereinen sich in einem digitalen Raum dazwischen – kein räumlich greifbarer, sondern ein durch Bewegung, Vorstellung und Emotion erschaffener Raum. Die Videoarbeiten schöpfen aus dem Leben, während sie zugleich Bestandteile dessen sind – Bilder, die mit dem lebendigen Menschen durch die Brücke der Emotionen verbunden sind, oder in Violas Worten:
Auf Augenhöhe platziert stehen die digitalen Protagonist*innen den realen Betrachterinnen gegenüber. Menschen verschiedener ethnischer Herkunft, unterschiedlicher sozialer Milieus - nebeneinander, miteinander. Doch dieser so ruhig und kontrolliert anmutende Zustand ist fragil. Er wird durch einen plötzlichen Wasserschwall zerstört. Ohne Vorahnung finden wir uns in einer von Chaos und Unruhe durchdrungenen Realität wieder. Die bis dato erlebte Stabilität und Sicherheit verliert in der Kraft des Wassers ihren standhaften Boden.
Das Floß, welches in The Raft nie als solches bildlich dargestellt wird, formt sich aus einer Kraft, die dem Zusammenbruch gesellschaftlicher Ordnungen trotzt und Veränderungen als Versprechungen auf neues Leben nutzt. Das zugleich zerstörerische und schöpferische Element des Wassers wird zu einer Einheit der Gegensätze, die den diametral entgegengesetzten Kräften des menschlichen Lebens nachspürt. Dabei wird deutlich, dass das Wasser unweigerlich auch Ambivalenz verkörpert. Es verkörpert auf sehr anschauliche Weise das Gesetz des Lebens als ein Zusammenspiel einander bedingender Gegenpole. Es ist eine Darstellung der Hoffnung im Angesicht von Widrigkeiten, mit denen wir alle irgendwann im Leben konfrontiert sind.
Viola verleiht den Gefühlen von Angst, Unsicherheit und Unbeständigkeit Ausdruck, indem er deren tiefe, existentielle Verunsicherungen verrät. Videoarbeiten wie The Raft (2004) machen die Zweischneidigkeit des menschlichen Lebens zwischen Kontrollzwang und Kontrollverlust zum Thema, während er auf die impliziten Beziehungen zwischen Macht und Ohnmacht anspielt. Die gezeigten Bilder – die ästhetischen, aber insbesondere die inneren, emotionalen – verweisen auf die unmittelbaren Erfahrungen der uns bekannten Daseinsformen. The Raft zeigt einen Moment, in dem sich das Leben zu verdunkeln scheint, Sicherheit schwindet und Beständigkeit in Frage gestellt wird.
Er zeigt aber auch einen Moment, der uns an die Unabdingbarkeit des Zusammenhaltes erinnert - an die Kraft des Miteinanders - einen Moment gemeinsamer Menschlichkeit.
Die Einzelausstellung Bill Viola ist noch bis zum 30.10.2022 im Museum der Morderne Salzburg zu sehen.