Die vielen Schichten von Müll

Kunst in einer alten Parkgarage. Die Fast Trash Exhibition in der Garage Grande zeigte Facetten von Schrott – und was er mit uns macht.

VHS Triptychon (2021), Dawid Adamowski/Karolina Zinik /// Michał Sobański (c)

Gummihandschuhe, Einkaufswägen, Kleidung aus Luftpolsterfolie – acht Künstler*innen präsentierten ihre Werke aus und über Müll. 

Die Ausstellung fand in einem ehemaligen Parkhaus statt. Ein Ort, der selbst über Müll-Qualität verfügt. Wo einst Autos entlangfuhren, geht man nun zu Fuß.

Zuerst muss man das Parkhaus allerding finden. Gar nicht so leicht, denn wie ein Parkhaus wirkt das Gebäude nicht mehr. Die Fassade ist bunt bemalt und grüne Kletterpflanzen wachsen empor. Bis Ende 2022 kann die Garage Grande im 16. Wiener Bezirk für Kunst, Kultur und Klimaprojekte genutzt werden.

 Jeder Blick ist willkommen

Kurator Michał Sobański führt mich in die zweite Etage. Sein Zugang zur Ausstellung ist ein wissenschaftlicher: Was bewirkt ein Fremdkörper in der Kunst? Wie harmonieren Materialien? 

Ziel der Fast Trash Exhibition sei es, unterschiedliche Ebenen von Müll aufzuzeigen, Fragen zu stellen, aber nicht zu beantworten. Wir alle nehmen Kunst anders wahr, deswegen bereichert jeder Blick auf die Ausstellung und ist mehr als willkommen. 

Datenmüll oder: Das Alte und das Neue

Eines der Kunstwerke befasst sich mit der Spannung zwischen materiellem und digitalen Gedächtnis. Dawid Adamowski filmte Schauspielerin Karolina Zinik beim Stretching, beim Baden, beim Sichhinlegen. Immer ist sie umgeben von VHS-Bändern. 

Man taucht in eine Welt der Rastlosigkeit, der Reizüberflutung. Am Anfang noch Lachen, dann Unruhe. Die Schauspielerin atmet Plastikluft. Das Künstlerpaar wollte das Alte, die Videobänder, in neuer Form, im Instagram-Quadrat, darstellen. 

Mir kommt es so vor, als wären die VHS-Bänder Daten von heute, die täglich um uns schwirren. Die Installation macht diese Datenmenge greifbar, indem sie ihr einen Körper gibt. 

Aber ab wann spricht man von Datenmüll? Und sind alte Speichermedien wie VHS-Bänder Trash, weil sie nicht mehr genutzt werden?

Überbleibsel, Überflutung (2021), Susanna Klein /// Michał Sobański (c)

Diese Frage scheint auch in Susanna Kleins Beitrag anzuklingen. Sie behandelt organischen Müll. Genauer: die bei Überschwemmungen in Deutschland losgerissenen Äste, Blumen und Pflanzen. Wild durcheinander sind sie auf der Baumwolle zu erahnen.  Klein arbeitet mit Cyanotypie, einem fotographischen Verfahren. Mit natürlichem Sonnenlicht und einer chemischen Eisenlösung stellt sie blaue Farbtöne her. Es sieht so aus, als würden die Äste von Wasser fortgetragen. Als wäre der Moment der Katastrophe, der Müllwerdung eingefangen.

Zeitlos?

Die eingangs erwähnten Gummihandschuhe gehören zur Our Martyrdom – Installation von Paula Agnes und Michał Sobański. Einerseits stehen sie als Hygieneartikel für die Corona-Pandemie, andererseits verweist das Kunstwerk mit den Palmzweigen und der mit Nägeln beschlagenen Platte auf die Wundmale Christi. Märtyrertum und Aufopferung. Engel und Held*innen. 

In den ausgestreckten Handschuh-Händen sehe ich Sehnsucht. Denise Kaya, eine der Künstler*innen, bleibt neben mir stehen, fixiert die Palmzweige und sagt: Hoffnung.

Our Martyrdom (2021), Paula Agnes/Michał Sobański /// Michał Sobański (c)

Müll erzählt Geschichten. Gezwungenermaßen ehrlich kann er seinen Zustand nicht verbergen. Die Garage Grande als Ausstellungsort kooperierte dabei auf wundervolle Weise mit den „Müll“-Werken. Es kam zu Bild-im-Bild-Effekten. Man hatte das Gefühl, in einer Filmszenerie zu wandeln.

Für all jene, die es nicht zur Ausstellung geschafft haben, gibt es auf Instagram eine weitere Möglichkeit, in die Welt des Mülls einzutauchen.
Die Garage Grande stellt immer wieder neue Kunstprojekte aus. Derzeit ist sie in der Winterpause, aber ab Frühjahr geht es wieder los! Alle Infos findest Du hier. In der Zwischenzeit hat die Garage Grande aber noch mehr an Projekten zu bieten, die zum Besuchen und Mitmachen einladen, sei es Handwerk, Sport, Gärtnern oder Workshops.

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