Domani è tutto a posto

Lust, musikalisch in den italienischen Sommer zu springen? Ob Fulminacci der nächste Lucio Battisti ist, ist nebensächlich; seine Songs könnten jedenfalls deine letzten Wintertage versüßen.

Che uomo! /// Maciste Dischi, Fulminacci (c)

Könnt ihr euch noch an den unbekümmerten Präpandemiesommer 2019 erinnern? Endlos-heiß, voller Sehnsucht und Möglichkeiten. Wie das so oft passiert, hatte auch dieser Sommer einen speziellen Soundtrack für mich: Davanti a te von Fulminacci. Ich weiß nicht mehr, wie ich auf diesen Song vom frisch veröffentlichten Debütalbum des jungen Römers stieß, jedenfalls war dieser lockerer Tune perfekt dafür, all die ernsten Klassikkonzerte auszubalancieren, die ich beim Festival, bei dem ich arbeitete, monatelang fast täglich genoss. Ich konnte einfach nicht genug von den rhythmisch schwebenden Synthsounds des Refrains bekommen, vom metaphorisch-poetischen Text, der trotz aller künstlerischen Unklarheit eine große Liebe im Hintergrund erahnen ließ.

„Come se, davanti a te io mi potessi dimenticare delle paure che fanno male all'esistenza“: Als ob ich vor dir die Ängste vergessen könnte, die der Existenz wehtun. Hat schon was, oder?

Fulminaccis Musik und ich: Ein Match made in Heaven, seine italienische Leichtigkeit versüßte mir unzählige Momente. Irgendwo las ich, er sei der neue Lucio Battisti. Große Worte, ist aber was dran. Über den unvergesslichen Battisti schrieb ich übrigens meinen allerersten Bohema-Artikel noch vor dem Launch, passt also ganz gut, dass ich heute, am ersten Geburtstag von Bohema, den potenziellen Thronfolger vorstelle...

Der nächste Lucio Battisti?

Im letzten Sommer erschien endlich das zweite Album von Fulminacci, es avancierte natürlich bald zum dávidschen Sommeralbum 2021. Tattica lief zum Beispiel wochenlang gefühlt in Dauerschleife. Endlich ein upbeat Song, der sogar mich zum Tanzen bewegt (das soll was heißen). Worum es geht? Um Stau am Morgen, eine Beziehung und das Fehlen einer Taktik. Alles etwas unklar, aber das wollen wir ja von unseren Songs, poetische Allgemeingültigkeit, mit guten Beats und markanten Passagen. All das ist bei Tattica voll gegeben; gleich wirst du auch „tattica tattica tattica...“ singen, dieser Song ist einfach ansteckend hammermäßig.

Giovane da un po‘ – seit kurzem jung. Sind wir das nicht alle? Dieses Lebensgefühl, erwachsen zu werden und unterwegs zu merken, dass man eigentlich noch jung ist, erwischt Filippo Uttinacci (so heißt er eigentlich, daraus wurde dann Fulminacci, das so schön nach fulminante klingt) nicht nur in diesem Song wirklich gut. Kein Wunder, er ist selbst auch Jahrgang 1997, genau so ein etwas verlorener, junger Großstädter, wie du und ich.

Melancholische Nummern, das ist am Ende doch die Königsklasse. In Santa Marinella besingt der Cantautore einen dieser Tage, an denen man am liebsten ganz alleingelassen werden möchte und doch nach jemandem oder etwas langt. Nach der verlorenen Kindheit, nach der großen Liebe, nach Verständnis. „Voglio che mi guardi e poi mi dici che domani è tutto a posto“ – Ich möchte, dass du mir sagst:

Morgen ist alles wieder gut.

Bei diesem verfluchten Erwachsenwerden habe ich immer wieder Tage, an denen mich genau diese Sehnsucht packt. Fulminaccis Refrain erwischt mich jedes Mal (sind das Streicher im Hintergrund? Eine Orgel?), mit guten Kopfhörern ist spätestens beim Schluss Gänsehaut garantiert. Wie da die Chormelodie mit dem Refrain verwoben wird ab Minute 3, das ist für mich Weltklasse. Ich höre es mir fast jedes Mal gleich noch einmal an...

Natürlich hat Fulminacci noch etliche fetzige Songs, wie Canguro (etwas à la Billie Eilish) oder Le Biciclette (noch mehr depri, als Santa Marinella, aber einfach herrlich). All diese und noch ein paar weitere findest du in der upgedateten Bohemaplaylist auf Spotify.

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