Ein Gespräch über die Zelle in uns
Das Kunstkollektiv Anima Fabrik begibt sich in molekulare Sphären, um nach Zusammenhängen zwischen uns, der Gesellschaft, der Natur, der Technik und den Künsten zu suchen.
Die Zelle ist der kleinste Grundbaustein jeden Lebens. Sie ist das, aus dem wir alle aufgebaut sind und das was uns verbindet aber auch unterscheidet. Das Kunstkollektiv Anima Fabrik zeigen ihre Tanzperformance What happened to me? in der Turnhalle des Creative Cluster im 5. Bezirk. Ein Gespräch über das Einzelne, das Kollektiv und was das mit der Zellteilung zu tun hat, mit Magdalena Jurisic und Irena Tavpash.
B: Wer seid ihr? Aus welchen Richtungen kommt ihr? Was macht ihr? Wo wollt ihr hin?
Irena: Magdalena und ich sind die künstlerische Leitung und das Management von Anima Fabrik. Ich selbst bin ukrainische Ballettänzerin und habe an der Staatsoper getanzt. Magdalena kommt aus Bosnien und der Tanz hat uns hier in Wien zusammengebracht. Wir haben uns bei einer Tanzstunde getroffen und sind nun inzwischen schon seit einer Dekade befreundet. Anima ist unser Lifestyle. Dabei ist Tanz unsere Hauptberufung und Ausdrucksform, mit der sich sehr viele andere spannende Kunstformen in Verbindung setzen lassen wie zum Beispiel Musik, Raum, Licht, Foto oder Video. Diese Verbindungen sind das, was uns interessiert. Dabei geht sehr viel um Prozess und Austausch.
Magdalena: Ich habe Architektur an der TU studiert und seit dem ich in Wien bin, beschäftige ich mich sehr viel mit Tanz. Ich habe mich zwar nie für eine Tanzausbildung entschieden, habe aber neben dem Studium immer hobbymäßig sehr viel getanzt. Das Tanzen war immer unser Lifestyle, wir waren ein paar Mädels mit Fahrrädern, sind überall damit hingefahren und haben uns verschiedene Locations und Naturorte gesucht, die wir uns zu unserer Bühne gemacht haben, wo wir kleine Inszenierungen mit Musik und Stoffen gemacht und Fotos und Tanzvideos davon gemacht haben.
B: Mit welchen Menschen arbeitet ihr zusammen?
Irena: Die Leute mit denen wir arbeiten sind ganz unterschiedliche Menschen oder „Creatures“, wie ich es liebe sie zu nennen. Es sind Leute im Alter zwischen 20 und 35, die manchmal mehr, manchmal weniger Tanzerfahrung mitbringen. Auch was die Tanztechnik betrifft haben wir unterschiedliche Hintergründe.
Magdalena: Die Leute in unserem Kollektiv bringen auch sehr oft einen Kunstbackground mit, so stehen wir immer im direkten Ausstausch nicht nur auf der Tanzebene, sondern auch mit verschiedenen Künsten. Daraus entstehen viele Ideen, Projekte und dieses Gefühl einer Community. Wenn wir an einer Performance arbeiten, kollaborieren wir auch mit Menschen, die wie wir auch, im Creative Space einen Creative Cluster haben.
B: Was heißt es für euch als Kollektiv zu arbeiten?
Irena: Wir versuchen horizontale Hierarchien zu leben und mit allen auf Augenhöhe zu kommunizieren. Wir zwei tragen zwar die Hauptverantwortungen und sind diejenigen, die die mutigen Entscheidungen treffen, aber wir legen sehr viel Wert darauf, dass alle Teil vom kreativen Prozess sein können. Wir versuchen einen Raum zu kreieren, wo alle diese „creative insanity“ miteinander teilen können.
Magdalena: Uns ist wichtig, dass sich die Leute hier wohl fühlen und dass wir eine Community haben. Wir funktionieren wie eine Symbiose. Jede*r der*die was gibt, bekommt was zurück.
Irena: Wir versuchen auch ein starkes Umfeld für Kommunikation und Austausch zu sein. Viele Leute die zu uns kommen finden hier Freunde oder treffen Leute mit denen sie auch eigene Projekte umsetzen.
B: Ihr arbeitet gerade an einer Performance mit dem Titel What happened to me? Worum geht es?
Irena: Inspiration für das Thema war das Konzept der Zellteilung, das uns sehr fasziniert hat. Die Zelle ist die kleinste Einheit des Lebens, die in ihrem Inneren schon wie eine Maschine programmiert ist. In unserem Körper entstehen und sterben gleichzeitig sehr viele Zellen, wir sind nie the same. Auch wenn wir auf unsere Gesellschaft schauen, können wir viele Parallelen zwischen der Zelle und wie wir gesellschaftliche Systeme aufbauen, beobachten. Es lohnt sich einen Blick auf diese kleinsten Einheiten zu werfen um zu sehen, dass vieles, was wir in unserer Gesellschaft für selbstverständlich halten von unserem Inneren kommt.
Magdalena: Aber auch wir als einzelne in der Gesellschaft können uns wie Zellen betrachten. Jede Person ist ein Universum für sich. Auf der einen Seite können wir uns nicht vergleichen, auf der Anderen aber auch doch, weil wir Menschen sind. Mit diesen Konzepten von Gleichheit, Unterschiedlichkeit, Identität, Vermehrung und Emanzipation wollen wir tänzerisch spielen.
B: Wie schaut euer kreativer Prozess aus?
Magdalena: Die Anfänge von unserer Performance sind bei einem einwöchigen Workshop letzten September entstanden, einem „kreativen Hackathon“, wo wir uns intensiv mit dem Thema der Zelle und der Zellteilung auseinandergesetzt haben. Wenn wir ein Thema haben und uns dazu entscheiden eine Performance zu machen sammeln wir ein Team und reden darüber, was wir damit verbinden und assoziieren, wie wir uns dabei fühlen und was die ersten Ideen sind. Dann legen wir uns ein paar Richtlinien fest und skizzieren einen kleinen Weg wo wir hinwollen. Wir schaffen uns einen elastischen Rahmen, in dem wir uns bewegen und wo im Prozess und durch die Improvisation vieles entsteht, bis die Ideen irgendwann wie die Teile von einem Puzzle zusammenkommen.
B: Ihr bietet auch tägliches Tanztraining an, wie kann man sich das vorstellen?
Irena: Wir trainieren auf wöchentlicher Basis 4 oder 5 Mal die Woche und alle unsere Members können zu unserem Training kommen und mittrainieren. Wir haben Performancetrainings aber auch andere Stunden wie Flexibility, Graham Technik, Waacking oder auch Roller Skates. Es geht darum, dass wir immer fit und im Tanzen bleiben - aber auch der soziale Aspekt ist uns da sehr wichtig. Das Tanztraining ist unser Treffpunkt und im Anschluss quatschen wir und trinken Tee und andere Drinks.
B: Wieso sollten man sich eure Performance anschauen kommen?
Irena: Wenn wir gemeinsam Tanzen entsteht eine Art Collective Mind, das nur zur gleichen Zeit und am gleichen Ort bestehen kann. Das sind die Momente vom kollektiven Tanzen die wir so genießen. Natürlich hat jede*r von uns einen eigenen Geschmack und diese Unterschiede sind das, was uns verbindet und uns und stärker macht. Wir wollen diese kreativen Prozesse erleben, wir wollen zusammen tanzen und Energie austauschen. Es geht um das was Anima eigentlich ist:
Magdalena: Wir wollen Menschen die ähnlich sind wie wir, verbinden und durch das Tanzen in Kombination mit anderen Formen des Ausdrucks Synergien herstellen und miteinander in Beziehung treten. Wir sind eine Gemeinschaft, eine Gang, die alle von uns stärker macht und dieses Gefühl macht das Leben einfach schön.