Ein Sprung in Hockneys Pool
Wie ein Sprung in einen Pool aus Farben und (Kunst)Formen: Die Ausstellung David Hockney: INSIGHTS. Reflecting the Tate Collection taucht ein in die Vielfalt eines langen künstlerischen Lebens.
Die Eingangstür des Kunstforums fühlt sich dieser Tage fast ein bisschen an wie die Tür zu einem Schwimmbad. Vom 10.02 bis zum 19.06.2022 findet in jenem die Ausstellung David Hockney: INSIGHTS. Reflecting the Tate Collection statt. Sie ist Hockneys erste Ausstellung in Österreich und wer David Hockney kennt, versteht, wieso sich die Tür nach der eines Swimmingpools anfühlt - wer die Ausstellung bereits gesehen hat, umso mehr.
Der teuerste Swimmingpool der Welt
Betritt man die Ausstellungsräume des Kunstforums, findet man sich in einem rechteckigen hohen Raum wieder, der Boden ist aus Marmor. Die Deckenbeleuchtung wirkt wie Milchglas, durch das man einen sonnigen Tag erahnen kann. Man könnte gerade in Wien im Kunstforum sein, oder im Atrium des Hauses eines kalifornischen Exzentrikers. Ich hätte es dem Raum abgekauft, wäre der Boden ein Swimmingpool.
Hockney lebte lange Jahre in Kalifornien, zwischen hübschen Männern, Sonnigen Tagen und Swimmingpools. Wir befinden uns in der Eingangshalle gerade am Beckenrand, schauen auf die Wasseroberfläche. Unter unseren Füßen Marmor, an den Wänden die ersten Hockney-Bilder, die ich betrachte. Und ganz wie erwartet sind es Gemälde von Swimmingpools. Fragt man nämlich jemanden: Hey, kennst du David Hockney?, wird man als Antwort wahrscheinlich entweder Nein oder die Gegenfrage: Der mit den Swimmingpools? erhalten. Hockney ist bekannt für diese Bilder; hübsche Männer, in der Sonne, im Pool, wie es auch sein Gemälde Portrait of an Artist (Pool with Two Figures) aus dem Jahre 1972 zeigt. Das Bild war damals, zum Zeitpunkt seines Verkaufes im Jahre 2018, mit 90.312.500 US-Dollar das teuerste jemals verkaufte Bild eines lebenden Künstlers. Und die Pool-Bilder sind auch einfach fantastisch, ich gerate ins Träumen wenn ich sie betrachte, von Tagen ohne Zeitplan an denen man schwerelos auf dem Rücken im Pool treibt und die Sonne warm auf der Haut spürt. Hockney schafft es, diese Gefühle auch an einem grauen Dienstag im ersten Bezirk zu erzeugen.
Ein Blick unter die Oberfläche
Wie gesagt ist dieser erste Raum nur die Wasseroberfläche von Hockneys Werk; wagt man einen Sprung in das Wasser, lassen sich noch einige andere Seiten seines Werks betrachten.
Hockney hatte schon immer eine Vorliebe dafür, neue Medien in die Kunst zu bringen. So finden sich hier, knapp unter der Wasseroberfläche, Fotocollagen, Videocollagen - Video-Kubismus, um genauer zu sein -, iPad-Malereien, welche lange vor dem NFT-Boom und dem generellen Boom Digitaler Kunst entstanden sind, abstrakte Malereien auf unkonventionell geformten Leinwänden. Alles in allem hat mich hier vor allem die Vielfalt des Werks Hockneys überrascht. Mehr als nur Pools also.
Taucht man nun ganz zum Boden findet man sich im letzten Raum. Schon auf dem Weg zum Grund durchläuft man sehr persönliche Lebensphasen des Künstlers, welche sein Entdecken der eigenen Sexualität (er bekannte sich offen als homosexuell), den künstlerischen Umgang mit dieser und der Gesellschaft der 60er und 70er Jahre zeigen. Die Bilder werden persönlicher, wir sehen auf dem Weg seine Eltern, seine erste Liebe, frühe experimentelle Bilder.
Am Grund nun, im hintersten, letzten Raum der Ausstellung, finden sich seine intimsten Werke der Ausstellung: Skizzen, die uns hinter seine Gemälde schauen lassen. Bilder für seine große Liebe, verworfene Ideen, vieles unerwartetes.
Wie beim Tauchen wollte ich auf dem Boden bleiben, die Ruhe, die Tiefe genießen, doch wie dem Schwimmer die Luft, ging mir die Empfindungsfähigkeit aus. Diese Ausstellung zeigt so viele Facetten Hockneys in unterschiedlichsten Stilen, Medien, Formen, Themenfeldern und Emotionen, dass man erst einmal Raum und Luft braucht, um seine Gedanken zu ordnen. So tauche ich auf, schnell, entlang tausender Stunden Arbeit, hunderttausender Euro und Emotionen unendlicher Anzahl, bis ich im ersten Raum wieder an der Oberfläche bin. Ich kleide mich in der Garderobe wieder an und schon in dieser kommt mir die Welt ein bisschen gefühlsloser und farbloser vor, als in Hockneys Pool. So frage ich mich, sieht die Oberfläche nicht doch schöner von unten aus?