Eine Abrechnung mit nice guys
Wie selbstreflektiert und frei von Sexismus so mancher "nice guy" wirklich ist, zeigt uns Regisseurin Emerald Fennel in ihrem Feature Film Debüt Promising Young Woman, Inwiefern der Film den Feminismus bereichert, bleibt fraglich.
Die rund 30-jährige Cassie Thomas (Carey Mulligan) verbringt ihre Nächte damit, Männer über Sexismus aufzuklären. In Clubs als betrunkene Single-Frau inszeniert wartet sie Männer ab, die ihren Zustand ausnutzen wollen und Cassie ohne ihre Einwilligung mit zu sich nach Hause nehmen. Ein gelalltes “What are you doing?” wird dabei gerne überhört - bis Cassie sich aufrichtet, den Schein-Rausch ablegt und die Männer konfrontiert: “No really, what are you doing?” Nun wird Cassie zur "crazy bitch" - zum Teufel mit den selbstbestimmten Frauen!
Schicke Rache.
Bei Promising Young Woman handelt es sich auf keinen Fall um einen leicht zu verdauenden Film. Carey Mulligan in der Hauptrolle klatscht all jenen (Männern sowie Frauen) ins Gesicht, die zusehen, akzeptieren und im Endeffekt selbst diskriminierend handeln. Der männliche Teil des Casts besteht aus gewaltbereiten "nice guys". Vor allem Bo Burnham in der Rolle des Ryan Cooper als love interest von Cassie erweckt den Anschein des netten und respektierenden Typen. Man unterstellt ihm den "bad guy" vorerst nicht, auch er selbst scheint von der eigenen Aufgeklärtheit überzeugt zu sein. Die Motivation für ihre nächtlichen Ausgänge zieht Cassie aus einem unverarbeiteten Trauma. Dem widersprechend ist der Film in eine farbenfrohe sowie poppige Ästhetik gehüllt. Es werden auch eine Menge an Rollenklischees anhand der Kostümierung bedient.
"Don't you know that you're toxic?"
Begleitet wird der Plot außerdem von Songs à la Britney Spears, Charlie XCX sowie rosa Schriftzügen. Eine Hommage an die Popkultur oder wird diese auf die Schippe genommen? In einem Interview meint Fennell dazu, dass "girly" Kleidung & Make-up sowie Popmusik von vielen als dämlich abgetan werde. Sie will aber "girly" aus der Guilty-Pleasure-Ecke holen und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass man solche Vorlieben ernst nehmen sollte. Von sich selbst behauptet Fennel übrigens, ein großer Britney Spears Fan zu sein. Ein Hoch auf die Popkultur!?
Außerdem: wieder ein Pseudo-Feminismus-Film? Fragen über Fragen. Intersektionalität findet man hier jedenfalls nicht. Der "magical negro" trübt die schrille Welt. Unter "magical negro" versteht man einen von einer person of color gespielten Charakter, dessen Hauptaufgabe darin besteht, die/den Protagonist*in zu unterstützen und bei Rat und Tat zur Seite zu stehen. Die Persönlichkeit des Charakters ist weitestgehend irrelevant. Das Phänomen ist bei vielen Filmen beobachtbar - auch bei Promising Young Woman. Als einzige weibliche person of color im Cast spielt Laverne Cox als Gail keine bedeutsame Rolle.
Pop, Kitsch & Feminismus?
Inwiefern bringt uns Feminismus in der Popkultur wirklich weiter? (Achtung: meine Meinung) Feminismus ist definitiv im Mainstream angekommen - auch wenn dieser zum Teil mit der eigentlichen Bewegung kaum was zu tun hat und bekanntermaßen stark für kommerzielle Zwecke missbraucht wird. Aber: würde es keinen Popkultur-Feminismus geben, würden vermutlich weniger Menschen damit anfangen, sich überhaupt mit der Thematik genauer zu befassen. Ansätze einer Aufklärung über Feminismus bringen am Ende vielleicht doch vereinzelt Leute dazu, über die im Mainstream stehenden Themen ernsthaft nachzudenken, ihnen auf den Grund zu gehen und sich auszutauschen. Also: je mehr Filme Feminismus in den Fokus rücken, desto besser. Je mehr Leute erreicht werden, desto besser. Andere Herangehensweisen an das Thema bzw. diversere Darstellungen sind unbedingt notwendig, aber bis dahin ist die Vermainstreamung vielleicht gar nicht einmal so schlecht.
Unverhofftes Ende
Emerald Fennell trägt mit ihrem Anti-Wohlfühlfilm auf poppiger Mainstreamschiene zur #metoo-Debatte bei. Der Film ist nicht aalglatt, glänzt aber trotzdem mit gleich fünf Nominierungen und als Gewinner der Kategorie Best Original Screenplay bei den diesjährigen Academy-Awards. Die Message kommt an: Promising Young Woman will mit weiblicher Regie & Hauptdarstellerin patriarchale Strukturen der Filmwelt in seinen Grundfesten erschüttern lassen - inwiefern diese aber wirklich zu bröckeln beginnen, bleibt fraglich.