Warum ich mich nicht auf die Theateröffnung freue

Die Autorin sammelt gute, pandemieunabhängige Gründe, warum sie sich nicht auf die roten Sesseln plumpsen lassen sollte. Mit vergangenen Anekdoten und wahren Begebenheiten. Eine Tragikomödie in 8 Akten.

alisa's article.jpg

Disclaimer: Der folgende Artikel sei mit einem Augenzwinkern zu lesen. Also missversteht mich bitte richtig.

Das Theater als Ort der Koexistenz. Keine Sorge, ich verliere mich nicht in Theatertheorie. Sie hilft mir nur bei der Einleitung für diesen Text. Also: Co-Existent sind nicht nur das Publikum und die Darstellenden auf der Bühne. Co-existent sind mit dem Theaterbesuch auch kleine Begebenheiten, die mich als Besucherin die Augen verdrehen lassen und mir immer wieder in den Sinn kommen, wenn ich ein Theaterhaus betrete.

Eine kurze Aufzählung zeigt, worauf ich (und du, falls du auch so gerne nörgelst wie ich) mich einstellen muss, sobald der Vorhang wieder aufgeht.

Jetzt bloß nicht husten

Das hustende Publikum. Dass es vor allem jetzt besorgniserregend sein wird, wenn jemand vom Publikum hustet oder niest ist sowieso klar. Es ist im öffentlichen Raum ja schon fast ein Verbrechen, wenn das passiert, wie sieht das in einem geschlossenen Raum aus? Vor der Pandemie hat es genervt, jetzt gesellt sich auch noch die Furcht vor einer Ansteckung dazu. Husten und Niesen geht ja auch mit Maske. Wie nervig ständiges Husten für das Publikum und die Mitarbeiter*innen in einem Theater sein kann, erzählt folgende wahre Anekdote: In einem Theater, in dem ich längere Zeit arbeitete, wurde während des wöchentlichen Jour fixe mal fast eine ganze (!) Stunde diskutiert, ob man vor der Vorstellung im Foyer kleine Schüsseln mit Hustenbonbons hinstellen solle, so als Präventiv für das, nun ja, ältere Publikum. Als hätte das Theater nicht größere Probleme.

Es drückt

Was den Toilettenbesuch rund um den Theaterabend angeht, so heißt die Devise: Das Warten vor der Vorstellung, ist das Warten nach der Vorstellung, ist manchmal sogar das Warten während der Pause. Ich für meinen Teil muss mich in diesen Teufelskreis des Wartens begeben, mit voller Blase konzentriert es sich schwerer (oder ich werde einfach langsam älter).

Wo weht hier der Wind?

Meine zweite Hürde vor der Vorstellung: der Kampf mit der Garderobe.

Dabei will ich all-time Frostbeule, meine Jacke nicht abgeben, lieber Abenddienst. Ja, ich weiß, Brandschutz blabla, aber wenn mir kalt ist, liegt die Jacke eh nicht am Boden als Stolperquelle für ängstliche Rentner*innen, sondern auf mir. Der Verweis auf die Hausordnung ist dann das Totschlagargument und ich bin die liebe Besucherin, die sich an Regeln hält (und ein Fan von Regeln ist, würden meine engsten Freunde jetzt grinsend hinzufügen). Später ist mir während der Vorstellung nicht nur kalt, mein studentischer Geldbeutel ist auch noch ärmer. Na toll.

Zählt das schon als Sport?

Co-existent, my ass, wenn ich für meine Mitbesucher*innen ständig wieder aufstehen muss, weil sie einen Platz in meiner Reihe gebucht haben und an mir hindurch müssen um zu eben diesem Platz zu kommen. Nicht aufstehen, wäre nicht nur verdammt respektlos, sondern in den meisten Zuschauerräumen auch gar nicht möglich. In der ganzen Situation gibt es eigentlich eh nur schlechte Rollen: Ich, als bereits Sitzende, muss immer wieder aufstehen, der Besucher hat ein schlechtes Gewissen und entschuldigt sich mehrmals, um sich daraufhin zu bedanken. Und vice versa. Diese Wiederholungen sind schon eine absurd-theatrale Situation an sich. Nach einem kurzen Blick in die Reihe heißt es dann entweder, es sind alle da, oder ein Zuspätkömmling versaut mir die ersten Momente der Aufführung. Von einer Vorstellung in einem leeren Theatersaal ohne die Existenz anderer Besucher*innen, kann ich wohl nur träumen.

Das Großstadt-Dilemma

Ich gehöre eher zu der pünktlichen Fraktion, obwohl ich ein Theatermensch bin (in meiner Menschenstudie schließen sich diese Dinge nämlich meist aus). Aber in einer Großstadt, wie sie Wien ist, habe ich trotzdem jedes Mal kurz Angst, zu spät zu kommen. Die Bim fährt nicht, eine Demonstration blockiert den Weg, die U4 wartet an der Längenfeldgasse doch nicht auf die U6. Ich hasse es zu spät zu kommen, ich möchte keinen Moment verpassen. Meine Freunde können schon mal kurz warten (obwohl, meistens dann doch ich diejenige bin, die wartet), aber eine Theatervorstellung wartet nicht.

Noch so eine Sache mit Theater in Großstädten: sie haben mehrere Spielstätten, über die ganze Stadt verteilt. Da schaute ich mal im feierabendlichen Stress zu schnell auf die Online-Buchung und übersah, dass ich nicht zum großen Haus im 8. Bezirk, sondern in die Kammerspiele in den ersten Bezirk musste. Mir blieben 20 Minuten. Ein Hoch auf das Öffi-System in Wien, dass mich schnell genug in den ersten Bezirk gebracht hat, sodass ich von dem Gerenne über den Stephansplatz auf dem Sitz noch kurz Luft schnappen konnte, bevor es losging.

Note: Hier weiß ich, dass es meine Schuld war. Trotzdem gehört zum Theaterbesuch die Ahnung und Planung, wo und wann man hin muss.

Die Freudsche Urangst

Die Spezies Mensch hat Urängste. Meine ist die vor immersiven Theaterstücken, die so vorher nicht angekündigt waren. Das Bild in meinem Kopf, dass ein Spot plötzlich auf mich fällt, alle meinen Namen rufen und ich auf die Bühne gedrängt werde, ist der Horror. Eine Freundin von mir schleppte mich mal in so eines und während ich sie im Mitmach-Menschenchaos verlor, stand ich am Rand und schaute zu. Denn das ist das, was ich im Theater will: zuschauen und zuhören, ich möchte nicht mitmachen. Außerdem habe ich dafür meistens eh die falschen Schuhe an. 

Es ist wieder sexy Time

Ein Klischee bediene ich jetzt bewusst, manche Klischees existieren, weil sie wahr sind. Ich war schon in einigen Theater- und Opernvorstellungen, in welchen sich er oder sie oder alle, ausgezogen haben.

Wer ist dieses Mal naggert - wie wir in Franken, wo ich aufgewachsen bin - sagen würden… ja also, wer zieht sich heute wieder aus? Welches Regieteam vermittelt mir heute die Aussage, dass sich die Figur für ihre Entwicklung jetzt unbedingt ausziehen muss? Und wieso ist es meistens die Frau? Aber das ist ein anderes Thema.

Blinkt etwas rot?

Trends gibt es nicht nur in der Mode. Auch im Theater gibt es solche und in letzter Zeit heißen sie: Live-Kameras. Funktioniert dieses Mal die Technik, frage ich mich, wenn ich schon beim Betreten des Saals Kameraequipment auf der Bühne sehe. Oder kann ich kurz eine mentale Pause einlegen, wenn während der Vorstellung offensichtlich wird, dass die Pause auf der Bühne einen Ticken zu lange dauert?

Am ersten Tag der Öffnung...

...lande ich trotz allem in einem Theatersaal und freue mich darauf. Die Situation wird pandemiebedingt eine andere, aber eine bessere, als die letzten Monate Netztheater. Ich war in dieser Zeit zwar nicht zu spät, aber vergaß trotzdem den Akku am Laptop rechtzeitig aufzuladen oder mich um funktionierendes Wlan zu kümmern.

Previous
Previous

Am Fenster zum Hof

Next
Next

Eine Abrechnung mit nice guys