Einmal die Tischplatte zum Mitnehmen, bitte!

Ein Steak, das als Kuh wiederaufersteht und Festmahlreste an der Wand - Appetitliche Retrospektive im Kunstforum Wien zum Eat Art Begründer Daniel Spoerri.

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Wer braucht schon einen Geschirrspüler? 

Wir alle kennen das Spektakel nach dem Essen: dreckige Teller, benutztes Besteck, zerknitterte Servietten und mit Zigarettenstummeln gefüllte Aschenbecher. Ein Anblick, der normalerweise nur von kurzer Dauer ist, da alles rasch im Geschirrspüler verschwindet. Spoerri macht es anders. Er fixiert die Tischplatte so, wie die Gäste sie zurückgelassen haben, kippt sie in die Vertikale und hängt sie an die Wand. Der horizontale Tisch wird zum vertikalen Fallenbild (frz. Tableau Piège), das ein Stückchen der Realität einfängt und den Besucher:innen Geschichten erzählt. Wer da wohl am Tisch (s)aß?

Spoerris Werke kreisen immer wieder um die Thematik der Vergänglichkeit. Selbst das Fallenbild erreichte mit der Aktion L'enterrement du tableau-piège (Beerdigung des Fallenbildes) am 23. April 1983 seinen symbolischen Endpunkt. Der verkrümmte Bronzeabguss in der Ausstellung stammt von Ausgrabungen der Aktion und wirkt wie ein antikes Fundstück. 

Auch der Experimentalfilm Resurrection handelt vom Lebenszyklus, genauer gesagt von der Wiederauferstehung des Steaks zur Kuh. Der Film ist von seinem Aufenthalt in Symi inspiriert, wo alles verwertet wird und wo daher kein Abfall zu finden ist. Das führte auch zur Entstehung der Zimtzauberkonserven - lauter reliquienähnliche Objekte, die aus Schuhen, Knochen, Blei, Erde und allem, was er auf der Insel finden konnte, zu Assemblagen arrangiert sind. 

Ein Blick in die Ausstellung

Kaum ist man durch die Eingangstür hindurch, wird man von drei Porträts empfangen. Spoerri als Maler? Falsch gedacht. Die Gemälde stammen von anderen Künstlern, denen Spoerri den letzten Schliff verlieh: Teddybären für die strenge Gouvernante und ein Zuckerl für den frommen General.

Die Einschließung des Alltags in die Kunst ist unter anderem von seiner Mitgliedschaft der Künstlergruppe Nouveau Réalisme inspiriert, die banale Alltagsgegenstände zum Kunstwerk erhob. Der leidenschaftliche Sammler findet für jedes Ding den passenden Platz - und wenn nicht er, dann der Zufall. Gebisse in Zahnrädern, von Torafingern umgebene Hände von Schaufensterpuppen und Eiersammlungen im eiförmigen Regal lassen den Ausstellungsraum wie einen Antiquitätenladen wirken. 

Foto: Eugenia Maximova/Anzenberger

Foto: Eugenia Maximova/Anzenberger

Der größte Raum ist den berühmten Fallenbildern vorbehalten. Die mit den blauen Tischdecken sind in seinem 1968 eröffneten Restaurant Spoerri entstanden, wo nicht nur ausgefallene Speisen, wie Seehund-Ragout und Omelette mit gerösteten Termiten angeboten wurden, sondern auch die eigene Tischplatte, für 1.000 DM.

Die Fallenbilder haben als Künstlerpaletten einen erneuten Auftritt. Hierfür fixierte Spoerri keine Esstische, sondern Arbeitsplatten von kunstschaffenden Freunden, wie Dieter Roth, Jean Tinguely und George Miller - leere Farbtuben, Terpentinflaschen, Nägel und Bohrmaschinen ersetzen das zweidimensionale Künstlerporträt. 

Die Ausstellung schließt mit Skulpturen und 36 Fotografien rund um den Künstlergarten Il Giardano di Daniel Spoerri in der Toskana ab, in dem 113 Installationen von 55 Künstler:innen auf euch warten. Zur Abwechslung dreht sich hier mal nicht alles ums Essen, sondern um Skulpturen und Freundschaftsbeziehungen. Aber keine Sorge, ein Restaurant gibt es dort trotzdem.

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