Farbexplosion im Wohnzimmer

Virginia Woolf in Pink, Purple und Grün - Die Künstlerin CHRISTL sprengt mit ihrem Debütalbum und ihrer Kunst Grenzen und erschafft einen bunten neuen Raum.

A room for her own /// CHRISTL (c)

An einem Donnerstagabend sitze ich in einem bunten Raum mit Zeichnungen an den Wänden und Musik im Ohr. Schon dem Wohnzimmer des Café Siebenstern sieht man an, dass hier eine funkensprühende Persönlichkeit ihrer Kreativität freien Raum gelassen hat. Denn CHRISTL präsentiert hier ihr neues Album A ROOM FOR HER OWN in Verbindung mit der Ausstellung ihrer bildnerischen Werke. Das Album ist voll von ihrer starken Stimme, die mal voll und raumeinnehmend, mal leise und gefühlvoll ist. Dabei trifft sie jeden Ton und zieht dich mit energiegeladenen Melodien und ehrlichen Texten in ihren Bann.

Frei nach Virginia Wolf

CHRISTLs Musik thematisiert, ganz im Sinne von Virginia Woolfs Essay A Room of One’s Own, Femininität in unserer heutigen Welt, sowie die Suche nach der eigenen Identität und das Überschreiten von Grenzen, die uns aufgestellt werden und die wir in uns selbst haben. Den Raum, den sich Virginia Woolf für alle kreativen Frauen wünscht, schafft sich CHRISTL hier selbst. Dabei stellt sie sich die Frage, ob wir es schaffen, nicht nach den Erwartungen der Welt an uns zu leben, sondern ein authentisches Ich zu finden.

Teile des Albums wurden schon vorab als Single veröffentlicht, beispielsweise Object of Desire, das Teil einer Kunstaktion gegen sexuelle Belästigung war.

Bei CHRISTL fließen verschiedene künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten ineinander und stellen ihren multidisziplinären Ansatz im Selbstausdruck dar: an den Wänden hinter der Bühne hängen ungegenständliche Kompositionen, die auch auf dem Cover der EP zu sehen sind, doch beim genaueren Betrachten kann man Gesichter, Buchstaben und Körper erkennen, die in einer Mischung aus Orange, Lila, Grün und anderen psychedelischen Farben ineinanderfließen. Die fließenden Formen wiederholen sich auch auf anderen Objekten im Raum, wie den Kissen, die auf der Bühne liegen und auch von CHRISTL gemacht wurden.

You can do anything

Auf einer Zeichnung an der Wand sieht man einen Menschen mit violetter Shorts, der über eine Art Hürde springt, darüber wurde mit dickem Pinselstrich geschrieben: You can do anything. CHRISTL erzählt, dass sie stolz auf die Person ist, die sie während des Schreibens dieses Albums geworden ist. Das merkt man auch als Hörende, denn trotz der Selbstzweifel, die sie immer wieder äußert, spricht aus dem Album eine starke Persönlichkeit, die Raum einnimmt und dies auch mit gutem Gewissen tun kann. Denn obwohl die Bezeichnung abgedroschen klingt, ist CHRISTLs Stimme und Message viel zu stark, um im Dunkeln gehalten zu werden.

Einmal mehr merkt man durch ihre skizzenartigen Gemälde, dass CHRISTL gerne mit Wörtern und ihren Bedeutungen spielt. Daraus ergeben sich farbreiche Kunstwerke, die direkt aus ihrem Kopf entsprungen zu sein scheinen. Sie sagt: „Meine kreative Arbeit fühlt sich an wie ein großes Gemälde. Mit jedem neuen Projekt, jedem neuen Pinselstrich versteht man meine Welt und meinen Platz darin besser.“

Wir sehen die Welt so, wie CHRISTL sie sieht. Und dabei hat man immer den Soundtrack von A ROOM FOR HER OWN im Hinterkopf. Ihre Stimme und farbenfrohen Kompositionen im Graphischen und Musikalischen geben dem grauen Ausblick auf einen erneuten Lockdown etwas Farbe. Mit ihr kann man den November verbringen.

The artist in her workplace /// Marlene Brandstötter (c)

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