Grown Ups — Rückblick auf einen verstoßenen Zoomer-Klassiker

Ist dieser Sommerurlaub wirklich so schlecht wie sein Ruf? Der Versuch einer bescheidenen Rehabilitierung.

Columbia Pictures (c)

Es ist irgendwann in den frühen 2010er-Jahren. Du sitzt leicht schwitzend in einem stickigen Klassenzimmer und wartest auf den befreienden Glockenschlag, der dich am Ende eines ereignislosen Schultags in die Sommerferien entlässt. Die fünfte Schulstunde hat gerade begonnen und dein Deutschlehrer hat sich entschieden, im letzten Unterrichtsblock einen Film mit euch zu schauen. Es stehen einige Filme zur Auswahl. Dein Lehrer hat irgendwas von Monty Python und Stranger Than Fiction mit Will Ferrell mitgebracht. Schon wissend, dass die Zeit mit einem semiinteressierten Konsum der Filmkunst verbracht wird, hat ein nerviger Mitschüler die DVD des Adam Sandler Klassikers Grown Ups dabei. Ihr stimmt ab und… Grown Ups gewinnt natürlich. Eine schlechte Nachricht… Oder etwa doch nicht?

Die Rehabilitierung des Adam Sandlers

Wie im sehr lesenswerten Bohema-Artikel zu Hustle bereits angesprochen, hat sich Adam Sandler längst von seinem Blödel-Ruf befreit. Wer sich für zeitgenössisches populäres Kino interessiert, wird wissen, dass er sich durch Filme wie Hustle, Uncut Gems und The Meyerowitz Stories als höchst talentierter Schauspieler erwiesen hat, etwas was schon in den 2000ern durch Punch-Drunk Love, Reign Over Me und Funny People ersichtlich wurde. Doch ich plädiere die beliebte Neubetrachtung des Adam Sandler auch auf seine vielfach verachteten (meist von seinem Studio Happy Madison produzierten) Komödien auszuweiten. Diese punkten trotz einiger Schwächen erstaunlich oft mit ihrem unbeschwerten Humor und einer angenehmen Freizeit-Atmosphäre. Darunter fallen beispielsweise der Klassenkampfbrüller That‘s My Boy, der in der Tradition von Mr Bean’s Holiday einen leichten Hedonismus über den spießigen Hochkulturhabitus erhebt oder das wundervolle RomCom-Konzentrat The Wedding Singer. Und auch Grown Ups –  vielleicht der Goonies der Zoomer (sry liebe Anti-Sandlers!) – sollte noch einmal neu evaluiert werden.

Worum ging es noch gleich?

Die Handlung ist relativ simpel. Eine Gruppe von jugendlichen Freunden gewinnt mithilfe ihres charismatischen Coaches ein wichtiges Basketball-Turnier und feiert dies auf einer Ferienhütte an einem See inmitten eines idyllischen Naturgebiets. Einige Jahrzehnte später hat sich das Leben der Kumpels in verschiedene Richtungen entwickelt. Sandlers Figur, der

Hauptprotagonist, ist inzwischen gefragter Hollywood-Agent, mit einer erfolgreichen

Modedesignerin verheiratet und Vater von drei Kindern. Der festgefahrene Alltag der Männer wird jedoch durch die Nachricht des Todes ihres geliebten Coaches unterbrochen und die auseinandergelebten Freunde verbringen mit ihren Familien ein nostalgisches Wochenende in der erinnerungsbehafteten Hütte.

„Nothing’s going on here, and i love it!“

Zugegebenermaßen fängt der Film relativ schwach an. Nach einer kurzen Einführung der Figuren kommt es zu einem ersten kitschigen Höhepunkt, wenn die kleine Tochter von Sandlers Figur am

Steuer von dessen Auto erwischt wird. Sie wollte das Navigationsgerät fragen, wo denn dieser Himmel ist, in den der Coach des Vaters gegangen ist... Anschließend kommt es zu einer einigermaßen lustigen Kirchen-Begräbnissequenz, auf die dann endlich das Herzstück des Filmes folgt: Die Reunion der Familien in der alten Hütte des Coaches.

In diesem Hauptteil des Filmes lassen sich die drei essenziellen Zutaten eines guten Urlaubsfilmes wiederfinden:

1. Eine unaufgeregte Handlung:

In einem Urlaub will man natürlich keinen Stress haben. Deshalb ist dringend notwendig, dass ein Urlaubsfilm, der in erster Linie auch als solcher funktionieren soll, auf jegliche Handlungsstränge verzichtet, die uns vom Entspannen ablenken. Bitte kein Mordfall oder so etwas! Glücklicherweise gelingt diese Handlungsarmut Grown Ups so gut, dass ein einsatzloses Basketballspiel mit alten Rivalen das schwerste Gewicht trägt. Hier erinnert der Film an die Slacker-Werke von Richard Linklater. Wie in dessen Dazed and Confused stehen vor allem die Figuren, deren Beziehungen und ein zurückgelehntes Herumhängen im Vordergrund – nur halt mit Boomern statt Stonern.  Salma Hayeks Figur fasst die Handlung gut zusammen: „Nothing’s going on here, and i love it!“. 

2. Eine gute Location:

Ein Urlaubsfilm braucht bei seiner idealerweise minimalen Handlung natürlich auch eine gute Location. Diese lässt sich hier problemlos finden: Eine rustikale Hütte im Wald, direkt an dieser ein himmlischer See und auch noch ein Spaßbad in der Nähe! Eine Reihe von Orten, die in den Figuren wie auch in uns einiges an Nostalgie hervorrufen: Kindliches Spielen zwischen Bäumen, entspannte Tage im Freibad und ein halberzwungenes Zimmerteilen mit Verwandten und Freund*innen.

3. Eine authentische Chemie und Atmosphäre

Die dritte Grundzutat ist die Chemie und Atmosphäre. Wir wollen nämlich nicht nur minimalistische Tourismusspots sehen, sondern eine Gruppe authentischer Figuren, die die schönen Locations mit Spaß und Urlaubsfeeling füllen. Die absolute Erfüllung dieser Voraussetzung mag wohl die Hauptstärke des Filmes sein. Der Grund dafür mag in einem halbernsten Running Gag im Diskurs um Adam Sandler liegen. Oft wird über ihn gesagt, dass für ihn Filmdrehs eher bezahlter Urlaub sind, in welchem er einen Haufen Kohle verdient, an einen traumhaften Ort fährt und dabei seine besten Freund*innen – sein Standardensemble um Leute wie David Spade, Rob Schneider und Kevin James – einlädt. Gehen wir davon aus, dass an diesem wohl vereinfachten Vorwurf etwas dran ist, haben wir darin unseren Grund, warum der Film so gut funktioniert. Es ist nicht ein verfilmter Urlaub, sondern ein gefilmter Urlaub! Das führt schließlich dazu, dass die Figurenchemie sowie die Atmosphäre überaus authentisch und zwanglos wirken und wir wahrhaftig das Gefühl haben, mit alten Freunden eine unbeschwerte Zeit zu genießen.

Playstation = schlecht!

Hierbei wird uns aber schnell in Erinnerung gerufen, warum wir nicht mehr mit ihnen befreundet sind. Denn eine Vielzahl der Figuren ist unerträglich. Eine Reihe Boomer, die die eigene Kindheit überhöhen und uns brillante Thesen wie „Playstation = schlecht“ präsentieren. Besonders schmerzhaft ist hier der zynische Umgang mit der Figur von Rob Schneider. Dieser befindet sich in einer ungewöhnlichen Beziehung mit einer weit älteren Frau, ist vegan und lebt im Gegensatz zu den meisten anderen Figuren ein unangepasstes, den eigenen Bedürfnissen entsprechendes Leben. Eine Charakterisierung, für die er immer wieder bestraft wird. Vor allem durch Sandlers Figur wird er wiederholt ausgegrenzt und im Rahmen eher gemischt komischer Gags attackiert.

Nicht so Boomer wie gedacht

Der Film ist hier jedoch bei Weitem nicht eine so plumpe Boomer-Propaganda, wie es zunächst scheint. Den wohl wichtigsten roten Faden im Film bildet nämlich ein in einer Rückblende ausgesprochener Satz des verstorbenen Coaches. Er spricht in einer Basketballanalogie davon, dass man anstreben sollte, am Ende des Lebens ohne Reue zurückblicken zu können. Eine These, zu der jeder Protagonist positioniert werden kann. Lasst uns eine kleine provisorische Hierarchie aufbauen:

1.     Am ehesten entspricht der These wohl die so stark unter Beschuss geratene Figur von Rob Schneider. Wie bereits erwähnt lebt er am wenigsten angepasst, wofür er attackiert wird.

2.     Die Figur von David Spade lebt hedonistisch. Er ist ein jugendlich gebliebener Slacker, der planlos in den Tag hineinlebt. Jedoch scheint er einsam zu sein und wird als etwas hängengeblieben charakterisiert.

3.     Die Figur von Chris Rock ist ein frustrierter Ehemann, der im Schatten seiner erfolgreichen Ehefrau steht. Für seine der konservativen Einstellung der meisten anderen Figuren widerstrebende Beziehungskonstellation wird er einige Male herabgewertet, wobei er dieser positiv gegenübersteht und vor allem ein Problem mit einem Mangel an Aufmerksamkeit durch seine Partnerin hat.

4.     Kevin James Figur lebt voll im Familienalltag und ist beruflich erfolglos. Er ist sich bewusst, nicht nach dem Satz des Coaches zu leben und baut daher vor seinen Freunden eine künstliche Identität als erfolgreicher Unternehmer auf. Ein Beweis, dass er wohl negativ auf die eigene Bilanz blickt.

5.     Invertiert hierzu steht Sandlers Figur. Ein erfolgreicher, reicher Agent, der versucht, das

Image seines jugendlichen Ideals aufrechtzuerhalten. Die Hausangestellte wird als Austauschschülerin ausgegeben und eine Projektion der eigenen Entfernung von der idealisierten Jugend wird auf die jüngere Generation übertragen.

Die Boomer-Attitüde, die oberflächlich dem Film zu eigen ist, wird also vor allem durch das Aufzeigen der heuchlerischen Selbstinszenierung – vor allem der Figur von Sandler – durchaus vom Film selbst kritisiert und als Projektion offengelegt. Die Figuren, die dem konservativen Witz am stärksten zum Opfer fallen, sind jene, welche am ehesten nach der handlungsweisenden Weisheit des Coaches leben, während die angepassten Bullies dieser entgegenstehen.

Leider gibt es doch ein großes Problem

Dieser Kritikpunkt kann also durchaus hinterfragt und herausgefordert werden. Was jedoch ein wohl nicht zu entkräftender Schandfleck des Filmes ist, ist ein nervender, sexistischer und veralteter Umgang mit einigen Figuren. Am offensichtlichsten ist hierbei die Inszenierung der drei Töchter von

Rob Schneiders Figur. Zwei von diesen werden stark sexualisiert und die Boomer-Figuren (Schneiders Figur ist hier wieder ausgeschlossen!) wechseln sich ab, diese zu begaffen. Lediglich die zuletzt eingeführte Tochter wird hiervon verschont. Der Gag hierbei ist jedoch, dass sie den Boomern nicht feminin genug zu sein scheint. Eine Gag-Struktur, die sich auch an anderer Stelle wiederfinden lässt: Im wohl urlaublichsten Teil des Filmes besuchen die Familien einen Wasserpark. Die weiblichen Figuren werfen hierbei ein Auge auf einen durchtrainierten jungen Bademeister. Kurz denkt man, dass wenigstens auch männliche Figuren gleichermaßen sexualisiert werden. Doch dann kommt die Pointe: Der Bademeister hat eine als nicht maskulin wahrgenommene Stimme, wird ausgelacht und herabgewürdigt. Zwei der prägendsten Gags in Grown Ups sind also, dass die Tochter nicht „feminin“ und der Bademeister nicht „maskulin“ genug seien.

Dieser schrecklich unreflektierte Blick ist leider kein Einzelfall bei den typischen Sandler-Komödien, die ich hier verteidigen zu versuche. Ursprünglich wollte ich einen Artikel schrieben, in dem ich den anfangs gelobten That’s My Boy aus dem Rezeptionshöllenfeuer auf ein Podest erhebe. Eine Idee, die ich verwerfen musste, als mir auffiel, wie viel schrecklicher Sexismus in diesem Film vorzufinden ist (weitaus mehr als in Grown Ups). 

Ich gebe zu, dass ich mir im Verlaufe des Schreibprozesses eingestehen musste, dass Grown Ups trotz großer Stärken sicherlich nicht als verkanntes Meisterwerk rehabilitiert werden kann. Ich empfehle aber trotzdem dringend den Film und die weiteren „Quatschkomödien“ von Adam Sandler noch einmal neu zu betrachten, das Schöne in ihnen zu finden und eine spaßige Zeit mit ihnen zu verbringen, denn sie sind trotz allem bei Weitem nicht so schlecht, wie man zunächst vielleicht annimmt. Man verbringt schließlich mit ihnen das filmische Äquivalent zum entspannten Tag im lokalen Freibad: Sonne, Spaß und hin und wieder halt auch Kontakt mit etwas Pisse.

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