Händelsche Gartenparty

Eine Notiz über historisch informierte Aufführungspraxis heute, eine atmosphärische Inszenierung und ein Publikum, das sich billigend auf all das einlässt: Fair Oriana und Opera Settecento mit Händel im Konzerthaus.

Fair Oriana bestehend aus Penelope Appleyard und Angela Hicks /// Fair Oriana (c)

Waren es die Buchsbäume und die romantische Parkbank auf der Bühne des Mozart-Saals? Das hellblaue Cembalo mit den goldenen Ornamenten, das sich organisch in die gleichfarbige Kulisse einfügte? Oder doch der ausdrucksstarke Showmaster, Ensembleleiter und Solist Leo Duarte, der das Dargebotene durch kleinste Regungen seiner Schultern zu lenken schien?

Vermutlich waren es all diese Elemente zugleich, die das geschulte Publikum am Mittwochabend, den 26. Jänner im Konzerthaus zur manierierten Ekstase brachten. Unter dem Schirm des Alte-Musik-Festivals mit dem fabelhaften Namen Resonanzen fand an diesem Abend eine historisch informierte Interpretation zweier Händelwerke statt. Das achtköpfige Ensemble Opera Settecento unter der Leitung des mit seinen Schultern dirigierenden Leo Duarte präsentierte zunächst ein Concerto mit ihm als Oboist und Flötist. Das sollte aber nur die Ouvertüre bleiben zur eigentlichen Attraktion des Abends: Zusammen mit dem Sopranistinnen-Duo Fair Oriana wurde die Kantate Aminta e Fillide halbszenisch auf die Bühne gebracht.

Das waren keine Müsli-Musiker*innen

Um verstehen zu können, warum am Ende des Konzerts derart geklatscht und gestampft wurde, warum die Zuhörerschaft vollends aus dem Häuschen war, muss diese historisch anmutende Performance im Spiegel der Gegenwart betrachtet werden. Konzerte Alter Musik sind schon lange nicht mehr Nischenveranstaltungen einer jungen Generation von Hippie-Künstler*innen, die vor wenigen Jahrzehnten noch despektierlich als „Müsli-Musiker“ bezeichnet wurden. Hier wurde musikalisch wie atmosphärisch, und dabei hochprofessionell, die Illusion geschaffen, sich im Jahre 1708 im Garten des Palastes Ruspoli zu befinden. Dort wurde Aminta e Fillide, eine an die griechische Mythologie angelehnte Kantate, uraufgeführt. Die Hörer*innen wurden Teil der Szenerie, die überraschend überzeugend die Uraufführung imitierte. Ah, deswegen auch die Buchsbäume auf der Bühne!

Mit geringsten Mitteln wurde hier nicht nur von historischen (oder zumindest diesen ähnlichen) Instrumenten ein Klang voller brillanter Obertöne geschaffen, der den doch recht großen Mozartsaal bis zum Bersten füllte. Die pathetischen Manierismen, die die Choreografie der beiden Sopranistinnen ausmachten, wie auch deren historische Kostüme wirkten passend. Und insbesondere die leichten, natürlichen und so unopernhaften Stimmen verflochten sich optimal mit der transparenten Begleitung durch das Ensemble.

Zum Schluss endlich im Duo

„Opera Settecento“ erklärte derweil fast lehrbuchhaft, was gute Artikulation sein soll. All das gipfelte in den letzten Sätzen der Kantate, in denen die beiden Solistinnen schließlich zweistimmig zueinander fanden. Dies geschah, wie vorher auch schon die Instrumentalist*innen vorgemacht hatten, mit solch einer Präzision, dass man Gänsehaut bekommen konnte.

Das Publikum blieb begeistert, aber naturgemäß auch misstrauisch zurück. War das denn jetzt wirklich authentisch? Die standbildhafte Choreografie der Sängerinnen, die häufig die vierte Wand zum Publikum durchbrach, die verwendeten barocken Instrumente, die Ornamentik? Die Antwort darauf ist einerseits:

Wir wissen es nicht.

Andererseits stammt die historisch informierte Inszenierung von einem Musikhistoriker, Brian Robins, und wurde bereits bei ihrer erstmaligen Aufführung 2020 in London lobend besprochen. Trotz berechtigter Skepsis bleibt aber vor allem eins in Erinnerung von diesem Abend im Konzerthaus: ein junges, kleines Ensemble wagt sich auf unkonventionelle Art an ein fast vergessenes Werk und das sonst so klassisch-romantisch erprobte Wiener Publikum, ja, es schätzt dies wert.

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