„Sissi!“, „Franz!“, „Ruhe!“
Wie viele Szenen zu Sisi, Sissi, Elisabeth denn noch? Der Zähler geht kaputt und wirft die Frage auf, wie lang diese Sisi-Nacht noch dauern soll.
Szenen werden aneinandergereiht, gerahmt von der Sisi-Nacht (oder war es doch Sissi?) eines Radiosenders. Immer mal wieder werden Gedichte von Elisabeth vertont, als Metall-Stück, als Spoken Word Poetry mit musikalischer Untermalung…einmal quer durch alle Stile hindurch. Der rote Faden des Abends besteht aus der Frage, wer Sisi denn nun war. Dazu wird ihr gleich mal eine wiederkehrende Depression und bipolare Störung andiagnostiziert.
Aber von vorne: das Bühnenbild (Jürgen Lier) besteht aus einer riesigen Flügeltür, die sich so gut für einen plötzlichen Auftritt eignen würde, ein plötzliches Aufstoßen. Passiert aber leider nicht, dafür krabbeln, lugen und schieben sich Andreas Beck, Tilla Kratochwil, Susanna Peterka, Anna Rieser Uwe Schmieder, Christoph Schüchner, Balázs Várnai und Anke Zillich durch Fenster, kleine Öffnungen und Seitentüren des Bühnenbildes. Die drei Musiker Simon Frick, Christopher Haritzer und Jens-Karsten Stoll nehmen am linken Bühnenrand Platz. Rechts neben der Tür zählt eine Anzeige die Szenen, die abgespielt sind. Oder die Male, die die Darstellenden auf einen Schalter des Inspizient*innen-Pults in der rechten Bühnen-Ecke hauen? Das ist nicht so ganz klar. Uns wird hier offensichtlich ein Blick hinter die Kulissen gewährt. Nur, dass der leider aus viel Schmäh und Klischees besteht. Vielleicht sehe ich das aber auch nur so, weil ich als Piefkin so geradlinig bin. Die sind so, habe ich bei dem Blick hinter die Kulissen gelernt, Wiener*innen hingegen weniger.
Langsam weiß ich, dass es kein Veilchen-Eis gab, danke!
Zurück zum Thema: Die Szenen variieren von Verteidigungen von Sisi zu Verdammungen, zu Klatsch. Über ihre Affäre mit dem schottischen Reitlehrer, die sie hatte oder auch nicht hatte. Über ihre vielen Reisen, ihr andauerndes Bedürfnis nach Bewegung, das auch ganz eindrucksvoll dargestellt wird von allen Darstellenden, marschierend in schicken schwarzen Kostümen mit Hüten und Fächer. Diese marschierende Front hat auch einen gewissen manischen Effekt, besonders als aus dem unruhigen Marschieren ein chaotisches Herumtaumeln wird. Nur der nackte Uwe Schmieder wirkt dann doch ein wenig gewollt skandalös. Bis er dann von Wellen an Bühnennebel überrollt wird – schon wieder. So viel Nebel, meine Güte.
Immer wieder geht es auch um die heutige Perspektive auf Elisabeth, mit Anekdoten von Bechern, die ihr Mund berührt hat, einem Radiogewinnspiel – Stammt der Satz von ACDC oder aus einem Sissi-Film? – und natürlich Romy Schneider. Auch die Schwiegermutter Sisis kommt zu Wort, vor allem als Argument für mehr „Wir“ und weniger „Ich“, das sie Sisi zuschreibt. Zwischendrin wird immer wieder – zu oft, der Witz kommt nicht an - darauf hingewiesen, dass es kein Veilchen-Eis gibt, herrje!
Eine Außenperspektive bringt der Haushofmeister, der die Planungen für eine ihrer Reisen beschreibt, inklusive Entschädigung an die Bauern, deren Äcker sie durch wilde Ausritte zerstört hat. Sein Enthusiasmus wird dann auch dem Szenen-Zähler zu viel, der schließlich streikt, grade als ich mir denke „Oh Gott, lass es bald vorbei sein“.
Zuckerbäckerei-Inspekteur! Brotkorb!
Highlights bestanden in der wütenden Ungarisch-Lektion von Balázs Várnai, die schnell darin überging, die die stehenden furchtbar unbegabten Schüler*innen, das Publikum, auf Ungarisch anzuschreien. Auch die nachgespielte Szene aus dem ersten Sissi-Film zwischen Sissi und Franz mit Originalton war charmant. Hochgradig lustig der letzte Teil der Szene, in dem die Schauspieler*innen den Originaltext selbst sprechen und deutlich wird, wie schmierig die Situation eigentlich ist. Toll ist Sissi in vollem glitzerndem Outfit, die mit Zigarette durch’s Smartphone scrollt und auf ihren Auftritt auf der anderen Seite der Flügeltüren wartet, wo sich die anderen schon dem Bühnenapplaus ergeben. Ein besonderes Lob verdient die orgastisch schwelgende Aufzählung aller Personen, die von Sisi beschäftigt werden, bis hin zum Brotkorb, genauso wie die E-Geige, die mich wirklich überrascht hat.
Fazit: Na ja.
Untertitelt wird Ach Sisi – neunundneunzig Szenen in der Regie von Rainald Grebe am Volkstheater damit, dass es Eine Staatsaktion, ein Nichts, ein Volkstheater sei. Dem kann ich nur zustimmen, vor allem dem Nichts. Der Abend schippert sanft und seicht dahin wie eine nette Komödie, Substanz hat sie aber ungefähr so viel wie Bühnennebel, der sich dann doch irgendwann verzieht.
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