It’s Crazy, It’s Party, It’s United by Music!

Der Eurovision Song Contest 2023 findet am 09., 11. und 13. Mai statt. Doch um was geht es, wer tritt an, und wie sind die Songs?

Bühne frei /// Nick Robinson, BBC (c)

Wie jedes Jahr seit 1956 findet auch dieses Jahr der Eurovision Song Contest statt. Doch dieses Jahr ist etwas anders: zum ersten Mal seit 1980 ist das Gastgeberland nicht das Land, dessen Beitrag im Vorjahr gewonnen hat. Der ESC 2023 ist auch vorerst – ohne eine Verlängerung des Australien-Abkommens – die letzte Teilnahme Australiens am Wettbewerb.

Der ESC findet dieses Jahr in Liverpool, der Partnerstadt zu dem ukrainischen Odessa, statt. Geeint unter dem Motto „United by Music“ wird der Wettbewerb in der kommenden Woche am 09.05. (Halbfinale 1), 11.05. (Halbfinale 2) und am 13.05. (Finale) um jeweils 21:00 Uhr ausgetragen und übertragen.

Wer tritt an? Wie sind die Songs?

Neben Österreich haben auch 36 weitere Länder einen Beitrag ausgewählt, welchen sie nach Liverpool schicken, um den Wettbewerb zu gewinnen. Die „Big 5“ – Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, UK – haben gemeinsam mit der Ukraine als Vorjahressieger automatisch einen Platz im Finale sicher, während sich die übrigen Länder durch die zwei Halbfinale einen Platz im Finale erkämpfen müssen. Österreich tritt dieses Jahr im Halbfinale 2 (11.05.) als der 13. von insgesamt 16 Beiträgen an.

Wer wissen will wer für welches Land antreten wird und um was es geht, findet hier eine Zusammenfassung – inklusive der Videos meiner persönlichen Top 5!

Norwegen

Queen Of Kings von Alessandra ist bereits viral auf TikTok und handelt von (female- und self-) Empowerment und einer mystifizierten Königin der Könige, die sich als Erobererin, Siegerin und Kriegerin behauptet. Ein energetischer Dance Song, der sich auch mit der Zeit überraschend gut hält.

Sprache: Englisch, Italienisch

Malta

Mit Dance (Our Own Party) geht dieses Jahr die Indie-Pop Band The Busker für Malta zum ESC. Das upbeat Lied handelt von Social Anxiety und davon, dass man lieber alleine im Sweater zuhause sitzen würde. Natürlich hat das Lied – klar im Eurovision-Stil – einen wiederkehrenden Saxophon-Hook.

Sprache: Englisch

Serbien

Samo Mi Se Spava transportiert einen in ein dystopisches Umfeld in dem man einfach nur schlafen will, um der brennenden Welt aus dem Weg zu gehen (relatable, I know). Der experimentelle elektro-Sound erzeugt zusammen mit den Visuals und Kostümen eine klare Stimmung, die das ganze Konzept unterstützt.

Sprache: Serbisch, Englisch

Lettland

Aijā der Gruppe Sudden Lights ist musikalisch sehr interessant und wechselt immer wieder zwischen einem 5/4 und 6/8 Takt. Es geht um Schlafen, Aufwachen und den Versuch durch Schlaflieder für Beruhigung zu sorgen. Der Beitrag prägt sich durch seine interessante Rhythmen und den gesamten Vibe definitiv ein und sorgt für ein überraschend ruhiges und tragendes Gefühl.

Sprache: Englisch, Lettisch

Portugal

Oh, Herz. Hier boppt man mit! Mimicat ist mit Ai Coração in Liverpool und hebt sich mit ihrem Kabarettartigen Lied von der Masse ab. Sie singt darüber verliebt zu sein und beschreibt wie/was ihr Herz sie fühlen lässt, dazu verfügt sie über eine super Bühnenpräsenz! Es ist ein Bop!

Sprache: Portugiesisch

Irland

Zu einem Wettbewerb zu gehen, dessen zentrale Idee das Einen und Bilden einer inter-europäischen Gemeinschaft ist, und dann das Lied We Are One zu nennen ist schon irgendwie ein bisschen einfallslos. Wild Youth ist eine interessante Gruppe, das Pop-Rock Lied ist leider allein schon wegen des Titels irgendwie ausgelutscht.

Sprache: Englisch

Kroatien

Die Satire-Band Let 3 (gegründet in 1986) bietet mit Mama ŠČ! ein Statement gegen Krieg, eine Performance voller Chaos und halbnackte alte Männer. Von Traktoren über Psychopaten bis hin zur Armageddon-Oma ist alles dabei. Es ist ein Erlebnis!

Sprache: Kroatisch

Schweiz

Remo Forrer ist mit seinem Lied Watergun dieses Jahr für die Schweiz beim ESC. Mit seinem Anti-Krieg-Lied hat er eine klare und für jeden erkennbare Botschaft: „I don’t wanna be a soldier“. Eine gute Stimme, aber ist die Botschaft einfach zu plakativ und klar? Man muss nicht nachdenken und das nimmt einen gewissen Reiz.

Sprache: Englisch

Israel

Für Israel tritt dieses Jahr die bereits bekannte und erfolgreiche Noa Kirel an. Mit ihrem Dance-Pop Lied Unicorn verkündet sie Stolz, dass sie die Kraft eines Einhorns habe – aber was soll das sein? Es wird „phenomen-, phenomen-, phenomenal“ und „feminin-, feminin-, femininal“.

Sprache: Englisch, Hebräisch

Moldawien

Noch ein bekanntes Gesicht! Pasha Parfeni war bereits 2012 für Moldawien beim ESC und belegte den elften Platz. In seinem Ethno-Pop-Banger Soarele şi Luna geht es – wie der Name schon vermuten lässt – um die Sonne und den Mond. Mit der prominenten Flötenmelodie, den Geweih-Kronen und dem Call-and-Response Gesang hat der Beitrag eine rituelle Ader, die einen packt.

Sprache: Rumänisch

Schweden

Sie ist wieder da! Loreen, die Siegerin des ESC 2012 mit Euphoria, kehrt dieses Jahr mit Tattoo zum Wettbewerb zurück. Dieses Mal singt sie über Liebe, Abschied und Zugehörigkeit – „You’re stuck on me like a tattoo“. Es ist eine gute Produktion, aber irgendwas ist noch nicht bei 100% und man merkt’s.

Sprache: Englisch

Aserbaidschan

Das Zwillingsduo TuralTuranX geht mit Tell Me More – einem Mix aus Pop, Rock und viel 60er/70er-Jahre-Nostalgie – nach Liverpool. Sie singen über Distanz, Liebe und Beziehungen.

Sprache: Englisch

Tschechien

Die multi-nationale Gruppe Vesna setzt mit My Sister’s Crown ein klares (politisches) Zeichen gegen Krieg und für die Ukraine. Mit Lyrics wie „no one wants more boys dead“, „choose love over power“ oder „we stand for you“ ist ihre Botschaft klar. Interessant, aber schnell langweilig.

Sprache: Englisch, Tschechisch, Ukrainisch, Bulgarisch

Niederlande

„I don't find any joy anymore“ – mit dieser Aussage startet Burning Daylight, was direkt eine Frage aufkommen lässt: was ist in den Niederlanden los? Letztes Jahr ging es um eine endlose Tiefe, davor um Rebellion, davor um nicht-erwiderte Liebe. Mia Nicolai & Dion Cooper stellen sich dieses Jahr als verbrennendes Tageslicht dar und singen in ihrer Ballade darüber sich selbst zu verlieren.

Sprache: Englisch

Finland

Käärijä ist da und bringt mit Cha Cha Cha die Party! Es sollte nicht funktionieren, funktioniert aber wundervoll. Rap, Elektro, Metal, Schlager, eine grüne Bolero-Puffer-Jacke, ein nackter Oberkörper und aggressive Cha Cha Tänzer*innen – es klingt verrückt und wirr, aber es macht alles Sinn!

Sprache: Finnisch

Dänemark

Zum ersten mal wird eine Person von den Faröer Inseln zum ESC geschickt! Reiley ist mit Breaking My Heart da und berichtet von seiner Angst sein Herz zu brechen. Ein poppiges Lied, aber nichts besonderes. Irgendwie ist das Musikvideo interessanter als das Lied selbst…

Sprache: Englisch

Armenien

Brunette richtet sich in ihrer Pop-Ballade an ihren Future Lover und berichtet von ihren Vorstellungen und Wünschen. Musikalisch schön, aber nichts herausragendes.

Sprache: Englisch, Armenisch

Rumänien

Theodor Andrei singt in D.G.T. (Off And On) über fleischliche Liebe, Dirty Talk und Verführung. Im Video teilt er sich mit halbnackten Männern und Frauen in Reizwäsche die Bühne – er selbst trägt ein T-Shirt in Netzoptik, welches ihm letztlich vom Leib gerissen wird. Es ist rockig und setzt klar auf den Verkaufsfaktor Sex.

Sprache: Rumänisch, Englisch

Estland

Alika bietet mit Bridges eine schöne und klassische Ballade. Begleitet wird sie nur von einem Klavier und Streichern – der Beitrag ist zurückgenommen und schlicht, aber funktioniert sehr gut.

Sprache: Englisch

Belgien

Gustaphs Because Of You handelt von Empowerment und Self-Love. Mit einem klaren Disco-Soul-Einfluss bedient sich der Beitrag dem Nostalgie-Faktor, wirkt aber dennoch frisch.

Sprache: Englisch

Zypern

Der Australier Andrew Lambrou hat es geschafft dieses Jahr – dank seiner zyprischen Wurzeln – für Zypern anzutreten. Die schöne und gut-radiotaugliche Pop-Ballade Break a Broken Heart ist so wie der Titel selbst: ok, aber einer bisschen ausgelutscht. Doch reicht es, um sich für das Finale zu Qualifizieren?

Sprache: Englisch

Island

Diljá singt mit Power über Selbstbestimmung und Freiheit. Mit einer energetischen Performance hat ihr Dance-Pop die isländische Bevölkerung überzeugt. „You hold no power over me“ ist die zentrale und wiederkehrende Aussage.

Sprache: Englisch

Griechenland

Griechenland schickt dieses Jahr den 16 Jahre Alten Victor Vernicos mit What They Say – der jüngste jemals von Griechenland geschickte Act. Zu seinen Inspirationen gehören Ed Sheeran, Coldplay und John Mayer und man merkt’s. Eine Pop-Ballade darüber, dass man sich nicht von negativen Stimmen runterziehen lassen soll.

Sprache: Englisch

Polen

Blanka ist mit ihrem Lied Solo dieses Jahr für Polen am Start. Sie hat den (durchaus fragwürdigen und potenziell manipulierten) polnischen Vorentscheid gewonnen und wirft im Text mit Weisheiten wie „What goes around comes around“ um sich. Es ist der Sommerhit, den keiner braucht. Es ist camp.

Sprache: Englisch

Slowenien

Für Slowenien tritt dieses Jahr die erfolgreiche Gruppe Joker Out mit ihrem Lied Carpe Diem an. Es geht um Tanzen, Liebe, Spaß, Vergänglichkeit, … In anderen Worten: man soll den Tag nutzen – Carpe Diem. Es zieht einen rein, und macht gute Laune; außerdem machen sie nicht nur gute Musik – sie sehen auch alle sehr gut aus.

Sprache: Slowenisch

Georgien

Die georgische Iru gewann 2011 den Junior Eurovision Song Contest und ist dem Wettbewerb somit bereits bekannt. Mit ihrem Beitrag Echo geht sie jetzt nach Liverpool. Der Text macht absolut keinen Sinn, aber das ist gewollt! Die wirren Zeilen sollen Gedanken widerspiegeln, die im eigenen Kopf hin und her springen und wie ein Echo immer wieder kommen. Interessant, aber ob das bei allen so ankommt?

Sprache: Englisch

San Marino

Der san-marinesische Beitrag Like An Animal von den Piqued Jacks ist eine klassische und sichere Rock-Nummer. Nicht herausragend schlecht, nicht herausragend gut, einfach da. Das Lied handelt von Liebe und einem Verführungsversuch. Es funktioniert.

Sprache: Englisch

Österreich

Für Österreich treten dieses Jahr Teya & Salena als Duo an. Mit ihrem Beitrag Who The Hell Is Edgar? üben sie klare Kritik an der aktuellen Musikindustrie aus. Musikalisch interessant, inhaltlich um einiges interessanter!

Sprache: Englisch

Albanien

Albanien folgt mit Duje der etablierten albanischen Tradition und sendet auch dieses Jahr eine schreiende Frau zum ESC – aber aufgepasst: auch ihre Familie ist dabei! Der Beitrag ist eine Balkan-Ballade über (zerbrechende) Liebe, Zusammenhalt und Erinnerungen.

Sprache: Albanisch

Litauen

Die litauische Monika Linkytė hat schon Erfahrung Litauen beim ESC zu vertreten, denn sie war 2015 für Litauen in Wien. Für welche Zielgruppe ihr Lied Stay ist, erschließt sich mir jedoch nicht. Es ist eine Ballade, aber doch nicht; es ist da, führt aber nirgends hin; dann hört es einfach auf.

Sprache: Englisch, Litauisch

Australien

Seit dem Debüt Australiens in 2015 hatte die Gruppe Voyager regelmäßig versucht für ihr Land auf der großen Bühne anzutreten, und jetzt ist es so weit! Promise ist mit vielen Synth-, Pop- und Rock-Elementen als (vorerst letze) Teilnahme Australiens stattlich, ordentlich und gut.

Sprache: Englisch

Deutschland

Für Deutschland tritt dieses Jahr die Genre-Fluide Glam-Metal Band Lord of the Lost mit ihrem Lied Blood & Glitter an. Die (für deutsche Verhältnisse) gewagte Wahl – letztes Jahr wurde konkret nach Radiotauglichkeit gesucht – wirkt aktuell vielversprechend, ist aber nichts für jeden.

Sprache: Englisch

Frankreich

Wie auch Zypern betreibt Frankreich dieses Jahr Outsourcing – La Zarra kommt nämlich aus Kanada. Ihr Lied Évidemment ist klar französisch, schlicht und zeitgemäß. Mit Einflüssen aus dem Chanson und Disco singt sie für das große Frankreich.

Sprache: Französisch

Italien

Marco Mengoni ist bereits in 2013 für Italien zum ESC gegangen und belegte damals den siebten Platz. Dieses Jahr probiert er es mit dem Liebeslied Due Vite noch einmal. Mit guter Musik, toller Instrumentierung und einer fokussierten Performance ist der Beitrag poliert, klar und ergänzt die exzellenten italienischen Beiträge der letzten Jahre gut.

Sprache: Italienisch

Spanien

Eine interessante Performance, ein poetischer Inhalt, eine hypnotische Wirkung und eine sehr gute Stimme – Eaea und Blanca Paloma haben alles. Angelehnt an den Flamenco und spanische Wiegenlieder, wird man vom Lied in einen Bann gezogen, dem man auch gerne (nicht nur wegen der hübschen Sängerin) verfällt.

Sprache: Spanisch

Ukraine

Das Duo TVORCHI ist mit dem elektro-pop Lied Heart of Steel für die Ukraine am Start. Der Revamp hat dem Lied gut getan, dennoch hat der Chorus ein anderes Gefühl, dass sich nach dem Pre-Chorus irgendwie leicht fremd anfühlt. Rundum aber ein gelungenes Lied.

Sprache: Englisch, Ukrainisch

United Kingdom

Mae Muller hat mit I Wrote A Song ein aktuelles Lied geschaffen, dass von einer gescheiterten Beziehung erzählt. Musikalisch ist das Lied ein durchschnittliches, 08/15 Werk, das vermutlich auf TikTok blühen könnte, aber schnell repetitiv wird. Das Highlight ist der sehr britische Spoken-Word Teil.

Sprache: Englisch

Mit diesem Überblick bleibt jetzt nur noch eine Sache zu tun: die Live-Shows anschauen und herausfinden, wie alles inszeniert ist. Also: los geht’s!

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