Kafka als Hörspiel? Reloaded!

Premiere von „Die Verwandlung Reloaded“ im Theater Arche: Eine ziemlich intime Soloperformance in der Form eines immersiven Live-Hörspiels.

Und dann bin ich aufgewacht, käfergeworden. Wenn von einem Tag auf den anderen alles anders ist und die Struktur, auf die wir gebaut haben nicht mehr da ist. Was hält uns da noch zusammen? Am 24. Jänner war die Premiere der Solo-Theaterperformance “Die Verwandlung Reloaded” von Stanislaus Dick im Theater Arche zu sehen. 

Elektronik, Vielstimmigkeit, Atmosphäre

Der Protagonist hinter einer Mauer aus Bildschirmen, aus einer Pluralität an kleinen Räumen, von alternativen Realitäten verbarrikadiert. Mikrofone, Synthesizer, Bildschirme. Ein flauschiger Teppich liegt davor, der das Gefühl und die Illusion der Heimeligkeit vermittelt. Gregor, dabei handelt es sich um die zentrale Figur “Gregor Samsa” aus der Erzählung “Die Verwandlung” von Franz Kafka. Eines Tages wacht er auf und hat sich in ein Ungeziefer verwandelt. Wie dieser neue Umstand das soziale Umfeld und das eigene Leben umwirft, wird auch in der Inszenierung von Stanislaus Dick spürbar. Themen wie Isolation und Verwahrlosung werden dabei durchexerziert, ohne plakativ zu werden. Er spricht mit der Sprache von Franz Kafka wie aus einer früheren Zeit heraus. Die Themen, die dabei verhandelt werden, sind dabei aber universell in ihrer menschlichen Erfahrung und werden durch den Einsatz von elektronischer Musik und Projektionen auf vielschichtige Weise erfahrbar gemacht.

Der korrekte Ablauf der Aufführung hängt einzig von Stanislaus Dick ab: Er ist DJ, spielt Videos auf kleinen Bildschirmen, spielt Musik und Hörspielfragmente ab. Seine Stimme ist durchgehend Teil der Performance. Manchmal verstellt, da er auch alle anderen Rollen verkörpert. Es ist insgesamt aber viel mehr als ein Hörspiel, die Aufführung lebt vom Visuellen, Körperlichen. Er bewirft das Publikum mit Bällen, klettert auf Requisiten und springt herum. Besonders eindrucksvoll verkörpert er den Käfer, wie er auf seinem Rücken liegt. 

Die Erzählung des einzelnen Heldens

Vieles in unserer Gesellschaft ist auf einer individualistischen und wenig nachhaltigen Vorstellung von Heldenerzählungen aufgebaut. Die Form der Solo-Theaterperformance greift diesen Zustand auch auf der Ebene der Inszenierung auf: Was, wenn diese eine Person ausfällt? Was, wenn dieser eine Faden, der unser vermeintlich so sicheres Netz trägt, bricht? Was kommt zum Vorschein, wenn dieser Faden durchtrennt wird?  

Lautsein und die Geschwindigkeit wechseln sich ab mit ruhigen Momenten, welche das Alleinsein Gregors erst so richtig spürbar machen. Die Vielstimmigkeit, sowie die “Vielräumlichkeit” und “Vielpersönlichkeit”, ermöglicht durch die Technologie des Live-Hörspiels, erweckt die Illusion von Gemeinschaft. Mit dem Publikum wird gespielt, das kleine und intime Theater Arche eignet sich gut dafür. Auch das Theater als Ort der Illusion und des Gemeinsam-Seins wird spürbar. Wie reagiert das Publikum? Wer bin ich im Publikum? Bin ich viele? Besonderes Highlight war dabei der Moment der wirklich erlebten Gemeinschaft - im sich gegenseitigen Bewerfen mit bunten Bällen.

Ein sehr stimmungsvoller, nachdenklich machender, aber auch Raum zum Lachen bietender Abend, der viele Eindrücke hinterlässt. Die Performance kann in einer intimen Atmosphäre im Theater Arche bewundert werden, das auf jeden Fall auch an sich eine Entdeckung des Abends war. 

von Katia Steier und Lili Bana

Bohema Bohemowski

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