KINDER, SCHAFFT NEUES!*

Weg mit dem Alten, her mit dem Neuen: Die Sommerakademie der Wiener Philharmoniker meistert Mozarts „Don Giovanni“ im Konzerthaus. 

Byron as Don Juan /// Alexandre-Marie Colin (c) Wikimedia Commons

Byron as Don Juan /// Alexandre-Marie Colin (c) Wikimedia Commons

Don Giovanni ist sicherlich die saftigste der Opern von Mozart. Die antiheldische Titelfigur ist ein moralloser und unaufhaltbarer Flirtmeister, der verrückt nach Sex ist und darüber auch noch strengstens Buch führt. Für seine Verbrechen wird er am Ende der Oper in die Hölle geschickt. Da fragt man sich schon zwangsläufig, was denn, um Himmels Willen, in Giovannis Kindheit und Jugend passiert sein muss, dass er so ein skrupelloser Egomane geworden ist. Mozarts 1787 uraufgeführte Oper ist ein „lustiges Drama“, ein sogenanntes „dramma giocoso“. Daher überrascht es nicht, dass das Libretto von Lorenzo Da Ponte sehr humorvoll mit der ganzen Sache umgeht. 

Der Abend im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses stand ganz im Zeichen der Förderung von jungen Talenten. Don Giovanni ist bereits die fünfte Mozart-Oper, die die Angelika-Prokopp-Sommerakademie der Wiener Philharmoniker in Zusammenarbeit mit der Opernklasse der MUK Wien in halbszenischer Aufführung auf die Bühne bringt. Das Orchester, bestehend aus dem Ensemble der Sommerakademie, kreierte einen homogenen und wunderschönen Mozart-Klang. Besonders die Streicher (Konzertmeister: Luka Kusztrich) hinterließen einen betörenden Eindruck. Es sei ein großes Kompliment an die jungen Musikerinnen und Musiker ausgesprochen, denn genau diese Homogenität des Orchesters ist erforderlich um die Mozart’sche Wirkung zu evozieren. Wenn diese Musik nicht fließt, nicht diese fast heilend wirkenden Wellen übertragt, keine Gänsehaut erzeugt, dann stimmt etwas nicht. Von alledem an diesem Abend aber keine Rede. Bravo! Wenn Mozart, dann bitte immer so! 

Dirigent Andrea Alessandrini hatte die Angelegenheit bestens im Griff, wählte ein eher langsameres Grundtempo, zerdehnte die Tempi aber nicht und ließ der Musik dadurch genügend Freiraum zur Entfaltung. Das Regieduo Wolfgang Gratschmaier und Stephanie Schimmer stellte das Orchester in den Mittelpunkt des Geschehens, ließ es auch hin und wieder mitspielen und baute einen Catwalk-ähnlichen Steg rund um und durchs Orchester. Auf diesem Steg agierten die jungen Sängerinnen und Sänger sehr lebendig und durchaus humorvoll. Offensichtlich wurde hier sehr nah an der Musik inszeniert. Viele Bewegungen und Intentionen waren versiert auf ebendiese abgestimmt. 

Auch die Sängerbesetzung konnte sich sehen lassen. Allen voran Anastasia Michailidi als Donna Elvira. Diese wohl geführte Stimme, makellos in den Übergangen und profund in der Höhe, wird man sicherlich bald wieder hören. Durch seine markante Stimme und sein intensives Spiel wird man sich auch an Jinxin Chen als Don Giovanni erinnern. Sympathieträger des Publikums war Jongmin Kim als herrlich schusseliger Leporello. Stimmstark Yichen Gao als Komtur, entzückend und schauspielerisch unschlagbar Diana Alexe als Zerlina. Peter Dolinsek spielte seine Eifersucht als Masetto großartig aus und ließ mit seinem samtigen Bariton aufhorchen. Überzeugend auch das Liebespaar Donna Anna und Don Ottavio. Risa Matsushima steigerte sich im Laufe des Abends zur lyrischen Hochleistung. Weniger lyrisch, umso kerniger legte Niklas Mayer den Ottavio an und meisterte seine anspruchsvollen Arien. Alle Sängerinnen und Sänger sind Studierende an österreichischen Musikuniversitäten.

 Die heftig akklamierte Aufführung ist ein Beweis dafür, dass man in der, nicht nur österreichischen, Theaterlandschaft wachsam sein muss. Besonders nach Corona brauchen die jungen, talentierten Nachwunschkünstlerinnen und Künstler die Möglichkeit, sich ins Business einzuarbeiten. Liebe Theaterdirektorinnen und Direktoren, lasst eure Furcht weichen und stellt junge Talente ein, sonst wird hier gerade die nächste Generation des Theaters zerstört, was eine Schande ohnegleichen ist. Egal, ob wegen Corona oder „weil die Jungen noch nicht so weit sind“...Blödsinn! Wir sind sowas von bereit! Die Oper gehört der Zukunft! 

*Zitat von Richard Wagner

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