Klammer – Chasing the Line: Schifoan vs den bösen Kapitalismus

Das Sportler-Biopic „Klammer – Chasing the Line“ zeigt österreichische Geschichte mit einem Hauch von Hollywood, traut sich aber doch kaum über Heimatfilm-Niveau hinaus.

Epo-Film, Sabotage Films Vienna (c)

Österreich versucht sich an Hollywood, und präsentiert mit Klammer-Chasing the Line ein Biopic über Schilegende Franz Klammer (Julian Waldner). Wobei, nicht ganz. Denn der Film behandelt lediglich Klammers Zeit bei den Olympischen Spielen 1976, als er als einer von vier Abfahrtsrennläufern für Österreich in Tirol an den Start ging. Klammer war zu dem Zeitpunkt bereits Weltcupsieger, und eine große Nummer. Insofern belagert nicht nur das ganze Dorf seine Abfahrt Richtung Tirol, die jungen Frauen stehend kreischend vor den Toren zum olympischen Dorf, um einen Blick auf Klammer zu erhaschen. Dabei gehört sein Herz bereits Eva (Valerie Huber), doch die muss in Wien derweil für eine Prüfung büffeln. Eine weitere Hiobsbotschaft ereilt Klammer, als sein Sponsor und Vertragspartner Fischer verlangt, dass er mit neuen Schiern das Wettrennen gewinnen soll. 

Schifoan for Dummies

SPOILER ALERT: Man macht wohl kaum ein Biopic über eine/n Sportler*in, der/die nicht gewinnt. Es gibt jedoch selten Filme, die sich für die Trainingssessions so viel Zeit nehmen. Zu Beginn wird die Situation der Strecke erklärt und vor Augen geführt. So weiß der/ie Zuschauer*in, was die Rennläufer erwarten wird. Die Strecke wird dann erprobt und befahren, wieder und wieder. Sogar im Schlaf üben sie die Strecke. Das Konzept der Videoanalyse wird ebenfalls dem Publikum nähergebracht. Menschen, die vorher noch nie mit sportlichen Wettbewerben zu tun hatten, bekommen so einen guten Einblick in die Materie. Die Schifahrszenen sind alle echt. Nur gelegentlich erlaubt sich der Film ein paar Greenscreen-Aufnahmen, wenn es um ungewohnte Kameraperspektiven wie Frontalansicht etc geht. Apropos Greenscreen. Während der Greenscreen bei den Schifahrszenen doch noch auffällt (was aber nicht so schlimm ist), so sieht das CGI bei den Besucher*innen-Massen gut aus. 

4 sportsmen including Klammer (on the left) posing side by side with mountains in the background

Epo-Film, Sabotage Films Vienna (c)

Es tut auch gut, einen Blick hinter die intrigenreiche Sportwelt zu blicken. Denn der Kapitalismus überragt alles. Schiproduzent Fischer (Robert Reinagl) will unbedingt, dass Klammer den neu-produzierten Schi, der „State of the Art“ ist, bewirbt. Er darf sogar einen wunderbaren Villain-Monolog darüber halten. In dieser Hinsicht erinnert er an Hollywood-Erfolg Le Man 66 – Ford vs Ferrari von James Mangold

Das Production Design sieht toll aus, und auch ohne wirklich auf die damalige Geschichte einzugehen, ist das World-Building vorhanden. So sind die Securities schwer bewaffnet, wenn auch etwas unbeholfen. Innsbruck war einerseits nur zweite Wahl nach dem Ausschied von Denver, und wenige Monate zuvor gab es eine Geiselnahme in Wien, weshalb die Angst vor etwaigen Terrorismus-Aktionen gestiegen ist. Ebenfalls wurden zwei statt eine Olympische Fackel entzündet. All das stellt der Film richtig dar.

Klammer vs Drehbuch

Ein Sportfilm ohne Rivalität geht eigentlich gar nicht, darum gibt’s auch den Schweizer Russi (Raphaël Tschudi). Dieser wird auch sehr theatralisch mit Close-Ups eingeführt. Auch wenn er alles besser zu können scheint als Klammer, so richtig will die Rivalität zwischen den beiden nicht aufkeimen. Ein ungeplantes Wettrennen der beiden endet undramatisch, und auch sonst bleiben die gemeinsamen Szenen eher metaphorisch blutleer. Das hängt unter anderem leider auch mit der Hauptfigur zusammen. Julian Waldner spielt gut und gibt sein Bestes, nur das Drehbuch lässt ihn da im Stich. Nur in wenigen Szenen darf Klammer wirklich auch er selbst sein, wie zB. der Moment, als er seine Entrüstung über die neuen Schi preisgibt. Ansonsten reagiert er nur oft nur auf Situationen, man weiß einfach zu wenig über ihn. „Bei der Pressekonferenz wirktest du so abwesend,“ meint ein befreundeter Journalist zu ihm. Dem/r Zuschauer*in wäre das zu dem Zeitpunkt gar nicht aufgefallen. Klammer wirkt so etwas antriebslos. Ihm fehlen Ecken und Kanten. Anstelle von Russi und Fischer ist eben das Skript der große Antagonist für die Hauptfigur. Immerhin bleiben auch einige Nebenhandlungen offen, ein Problem, das nicht zum ersten Mal in Filmen von Regisseur Andreas Schmied auftritt.

Vom Sportler-Biopic zum Heimatfilm

Valerie Huber spielt sehr gut. In ihrer ersten Szene wirkt sie noch etwas unbeholfen, jedoch ändert sich das rasch mit jedem fortlaufendem Auftritt. Dafür jedoch, dass sie sie weibliche Hauptrolle, und auf dem Filmplakat sogar noch links vor Waldner zu sehen ist, hat sie aber ebenfalls vergleichsweise wenig zu tun. Es gibt keine wirklichen Konflikte zwischen den Figuren oder gar Konsequenzen über die Handlungen, und hier fehlt dem Film doch der Mut, über Heimatfilm-Niveau hinauszugehen.

Dabei hätte er neben Ford vs Ferrari noch Rush – Alles für den Sieg zum Vorbild. Immerhin lassen sie wie in jenem Film auch den echten Franz Klammer am Ende auftreten, der romantisch der nächsten Generation beim Schifahren zuschaut. Es ist Kitsch. Passend für Österreich. Eigentlich nur schade, dass die Schifahrer-Hymne von Wolfgang Ambros nicht verwendet wurde.

Fazit: Weil Schifoan is das leiwandste, wos ma sich nur vurstelln konn

Klammer – Chasing the Line ist ein Schifahrer-Biopic, das Potenzial zu mehr hätte, aber sich leider nicht traut, über die „Heile Welt“-Perspektive hinauszugehen. Der Film sucht Harmonie um jeden Preis, leider auch oft auf Kosten des Dramas. Wenn man darüber mal hinwegsehen kann, dann hat man einen doch soliden Film, mit einigen schönen und ungewöhnlichen Einstellungen. Des Weiteren erhalten Leute einen Einblick in die Vorbereitungszeit von Wettkämpfen. Beim Drehbuch verkanten sich halt ein wenig die Schier. 

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