Mal wieder geht’s um Inklusion…

... „Sonntag“, ein Ausstellungsprojekt des Kollektivs Die Große, geht dabei neue Wege. Sie denken das Konzept erfrischend neu – ein guter Grund sich das Ganze einmal genauer anzuschauen.

© Francis Hirschl

Von Freitag (Beginn 10.05., 18 Uhr) bis Sonntag findet in der Open Factory im sechsten Wiener Gemeindebezirk die Ausstellung „Sonntag“ des Kollektivs Die Große statt. Heißt also: Ein junges Kollektiv veranstaltet eine Ausstellung. Mal wieder. Man könnte also meinen, dass wieder eine monotone, aber eingespielte Mischung aus Angewandte-Studierenden und Vernissagetourist*innen ihren Freitagabend damit verbringen wird, möglichst informiert über möglichst abstrakte Kunst zu debattieren.

Aber stopp! Vielleicht, ganz vielleicht wird es dieses Wochenende etwas anders sein. Denn „Sonntag“ möchte im Wiener Kunstbetrieb einiges anders machen. Das Projekt unterscheidet sich im Gegenzug zu Vergleichbarem zunächst dadurch, dass Titel und Thema sich auf die Atmosphäre vor Ort beziehen, nicht aber auf die Werke selbst. Verbunden sind die Ausstellungsstücke also nicht durch ein gemeinsames Sujet, sondern durch ihren gemeinsamen Beitrag zu einer gemütlich-gemeinschaftlichen Atmosphäre. „Sonntag“ als atmosphärisches Projekt hat vor allem den Anspruch, Menschen verschiedenster Herkunft ungezwungen zusammen zu bringen, berichtet mir Nóra Engelputzeder, die die Organisation und Kuration übernommen hat. Trotzdem: der Fokus auf die Atmosphäre bedeutet keineswegs, dass die ausgestellte Kunst nur schönes Beiwerk ist. Sie stellt als zentraler Akteur das verbindende Element in dem amorphen Fortgeh/Ausstellungsprojekt dar. Das Kollektiv grenzt sich von klassischen Ausstellungen in den altgedienten Wiener Galerien dadurch ab, dass sie den Besucher*innen nichts abverlangen möchten, kein Geld aber auch kein Vorwissen oder Verbindungen in die Wiener Kunstszene. Im Gegenteil, kostenloser Eintritt und Werke, die kein Kontextwissen erfordern, sollen dafür sorgen, dass der Ausstellungsraum für jede*n zugänglich ist.

© Alina Zubi

„Sonntag“ setzt auf radikales Wohlfühlen, Nóra möchte „unsichtbare Gründe für Unbehagen“ von der Ausstellung verbannen, und das ist auch der Knackpunkt des Projekts, das sie selbst als „Experiment“ bezeichnet: Nicht nur sichtbare Hürden für das Ausstellen eigener Werke und den Kunstgenuss sollen abgebaut werden, sondern auch jene, die man nicht auf den ersten Blick zu erkennen vermag. Damit geht eine Feststellung einher, die zwar immer mehr wie eine böse Prophezeiung über dem lokalen Kunstbetrieb wabert, aus der aber trotzdem immer noch zu selten Konsequenzen gezogen wurden: Der (Wiener) Kunstbetrieb ist exklusiv und das Gefühl, fehl am Platz zu sein, ist bei vielen Veranstaltungen und Vernissagen für viele Menschen sehr real. Da hilft auch nicht der bloße Abbau der objektiv betrachtbaren Hürden.

Inklusion und Atmosphäre waren für Die Große auch auf der Künstler*innenseite die Leitparadigmen – Kriterien für die Einreichung gab es keine und kuratiert wurde nach Gefühl und mit dem Anspruch, eine bunte Mischung aus Künstler*innen mit verschiedensten Hintergründen in die Ausstellung zu integrieren. Dies scheint gelungen zu sein: Zu sehen gibt es eine breite Vielfalt aus verschiedensten Werken, die von Malerei über Mixed Media bis hin zu Skulpturarbeiten die verschiedensten Disziplinen abdecken.

Ausstellungsplakat zur Gruppenausstellung “Sonntag”

Insgesamt kann man ehrlicherweise sagen, dass sich „Sonntag“ von vergleichbaren Ausstellungen vermutlich nur durch Nuancen unterscheidet. Diese haben jedoch das Potenzial, ein neuartiges Erlebnis für Besucher*innen zu bieten. Während Inklusion inzwischen fast immer zumindest genannt wird, so wird sie hier gelebt. Schlussendlich ist eines sicher: Um „Sonntag“ bewerten zu können, muss es erlebt werden. Denn eine Ausstellung, die an der eigenen Atmosphäre gemessen werden möchte, kann eben auch nur beurteilt werden, wenn sie gefühlt wird.

Vielleicht wird die Atmosphäre im Ausstellungsraum ja etwas gemütlicher sein als sonst. Und vielleicht gibt es ja die ein oder andere Person, die sich der (ausgestellten) Kunst dort etwas mehr öffnen kann als sonst. Zu hoffen wäre es!

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