Midday in Paris
Wenn Künstler weibliche Personen zum Sujet ihrer Kunst machen, vergisst man hinter den ästhetischen Darstellungen häufig die Machtgefälle, welche sich hinter solchen Künstler-Modell-Dynamiken verbergen können. Ein Ausflug nach Paris zu einer Ausstellung, welche dieses Sujet empathisch und gut behandelt, aber gleichzeitig eine Erinnerung daran, wachsam durch Ausstellungen zu gehen.
wortwörtlich Liebe schwerelos.
April 2023.
Paris, Frankreich.
Ich und eine noch fremde Bekanntschaft treffen aufeinander vor dem Musée d’Orsay. Ein ehemaliges Bahnhofsgebäude, das sich einerseits durch die ausgestellten Werke großer Meister - von George Seurat bis Vincent van Gogh -, andererseits durch die Lichtverhältnisse auszeichnet, die den Rundgang zu einem architektonischen Erlebnis machen.
Hunderte von Menschen aus der ganzen Welt kommen tagtäglich an diesen Schauplatz. Dementsprechend wuselt es von Menschenmengen. Kritische Worte, in diversen Sprachen, schreiende Kinder aus verschiedensten Ländern lassen das Kulturerlebnis auch ein wenig als Konzentrationsübung erscheinen.
Als wir die zweite Ausstellung beendet hatten, betraten wir einen Raum, in welchem Bilder des französischen Malers Maurice Denis ausgestellt waren. Genauer gesagt seine Serie mit dem Titel „Les Amours de Marthe“. Ich, ein wenig eingerostet im Punkto Symbolismus und Post-Impressionismus, konnte mit dem Namen anfangs nicht viel anfangen, umso weniger mit seinen Bildern. Auf den ersten Blick fielen die leichten, fast schwebenden Pastelltöne auf, die die Kurven und Facetten einer jungen Frau namens Marthe Meunier skizzierten.
Das Besondere an dieser Ausstellung waren die den Bildern zugeordneten Texte aus seinem Tagebuch. Es waren Bilder und Worte, die seine Liebe zu Marthe ausdrücken sollten. Zusammen haben sie mich auf eine überraschend tiefe Art und Weise berührt und mir das Gefühl gegeben, sie seien unglaublich authentisch und greifbar. Die Darstellungen von Marthe scheinen die Momente einzufangen, in denen er sich langsam in sie verliebte. Unbeschwert und unerwartet stellt Denis die beginnende Liebe den Betrachter*innen vor. Maurice Denis, welcher unter anderem der Lehrer von den Malerinnen Tamara de Lempicka und Daphne Maugham-Casorati war, zeigt in seinen Bildern von Marthe, dass man eine weibliche Darstellung nicht bloß sexualisieren und auf Allegorien, Mystifizierung oder die Fruchtbarkeit reduzieren muss. Die Ausstellung zeigt dies auf einfache, aber ausdrucksvolle Weise. Somit konnte Maurice Denis nicht nur an dem schönen Frühlingstag mein Herz verzaubern, sondern gibt uns ein Paradebeispiel, wie gemalte Liebe auf Augenhöhe aussehen kann.