Es war wahnsinnig aufregend!

Mitra Kotte und das Wiener Jeunesse Orchester im Musikverein. Ein Gespräch über die Liebe und Treue zur Musik, Voraussetzungen für Erfolg und die Bedeutung des Moments.

Pianistin Mitra Kotte /// Julia Wesely (c)

Vergangenes Wochenende debütierte Mitra Kotte im Großen Saal des Musikvereins mit Schumanns Klavierkonzert unter tatkräftiger Unterstützung des Wiener Jeunesse Orchesters - ein bewegender Musiknachmittag für alle Anwesenden und ein künstlerischer Meilenstein für die aufstrebende österreichische Pianistin. Hochkonzentriert und dennoch ungezwungen hat sie dem Publikum einen wunderbar transparenten Einblick in die manchmal fast improvisatorisch anmutende Klangwelt des a-Moll-Konzerts eröffnet. Ein Werk, das auf den ersten Blick nicht besonders virtuos wirken mag, musikalisch aber ungemein viel bereithält (davon abgesehen, dass man das Hauptthema im 1. Satz einmal gehört nie wieder aus dem Kopf bekommt).

Mit ihrem äußerst eleganten Anschlag hat Mitra Kotte viele dieser Facetten berührend klar erkundet und das Publikum gerade in den intimen musikalischen Momenten in ihren Bann gezogen. Sichtlich begeistert waren auch die jungen Orchestermusiker*innen genauso wie ihr hochmotivierter Dirigent Jonathan Stockhammer, der fast ununterbrochen ein Lächeln im Gesicht trug. Am Tag der Arbeit hat sich Mitra Kotte Zeit genommen, über ihre Karriere zu sprechen und den Höhepunkt ihrer Auszeichnung als Jeunesse Featured Artist 2022/23 Revue passieren lassen.

„Die Liebe an der Musik ist Kriterium Nummer 1“

Strahlend und merklich entspannt kommt die 1995 in Österreich geborene Pianistin ins Café Prückel hereinspaziert und bestellt ein Soda Zitron, den Kaffee hat sie an diesem Vormittag schon hinter sich. Mit dem Kaffee ist es überhaupt so eine Sache: vor Konzerten für sie eigentlich ein No-Go und gleichzeitig vielleicht doch eine Versuchung, denn gerade vor so einem Auftritt wie im Musikverein fällt das Schlafen alles andere als leicht. Ihre Liebe zur Musik ist früh entstanden, ersten Klavierunterricht erhielt sie mit vier Jahren. Ohne diese Liebe könnte sie sich ihren Beruf nicht vorstellen. Einen Beruf, der für sie eiserne Disziplin und den Willen, Opfer zu bringen, voraussetzt.

Üben? So viel wie möglich, 6 bis 7 Stunden täglich auch (oder gerade) am Tag der Arbeit. Was sie am Klavier so fasziniert, ist die reiche Klangvielfalt und das riesige Repertoire. Besonders geprägt haben sie ihre Lehrer, ihr Auslandsjahr in Korea, von dem sie begeistert berichtet, diverse Meisterkurse sowie Wettbewerbe, durch die sie einen Anspruch auf Perfektion entwickelt und gelernt hat, mit extremen Drucksituationen umzugehen. Prägend ist aber auch das Konzertieren selbst: Mitra Kotte geht es bei ihren Auftritten um den musikalischen Moment, sie betritt die Bühne, um Musik mit Menschen zu teilen, damit diese mit einem Erlebnis nach Hause gehen, zurückblicken und sagen „Schön war’s“. Bei ihrem Konzert im Musikverein ist ihr das glänzend gelungen.

Steps to Success

Was sind die Voraussetzungen für Erfolg im heutigen Musikgeschäft? Eine Frage, die schwer zu beantworten ist, nicht zuletzt, weil die dahinterstehenden Mechanismen doch eher intransparent sind, wie Mitra Kotte findet. Die Frage müsste ja eigentlich lauten, in welcher Kategorie man Erfolg haben will, ob man Social-Media -Star werden oder nicht doch mit den Wiener Philharmonikern spielen will. Für sie ist klar: es gilt, der Musik treu zu bleiben und das Publikum zu bewegen. Eine Stunde üben und den Rest der Zeit Konzertveranstalter*innen anschreiben und Musikvideos drehen, das würde nicht reichen. Das Erreichen eines immer höheren Niveaus und die künstlerische Weiterentwicklung müssen im Mittelpunkt bleiben, auch wenn die Vermarktung irgendwann eine Notwendigkeit darstelle. Einen Druck, sich zu verstellen, spürt sie nicht. Die Zukunft der klassischen Musikszene sieht die junge Pianistin etwa mit Blick auf die asiatische Konzertkultur positiv. Dennoch sollten Zugangsbarrieren gerade in Europa weiter abgebaut werden. Mehr junge Menschen ins Konzert zu bringen, kann nur ein Prozess sein.

Im Musikverein

Erstes Mal Musikverein, erstes Mal Schumann Konzert plus Live-Aufnahme. Kein Wunder, dass man da aufgeregt ist. Und unglaublich wichtig für junge Künstler*innen, die dadurch lernen, mit Drucksituationen umzugehen und auf der Bühne vor Nervosität nicht einzugehen, findet Mitra Kotte. Ihre eigene Aufregung führt sie weniger auf die Publikumszahl zurück, sondern auf die Aura des Musikvereins und ihren Anspruch auf Bestleistung. Wichtig für sie ist, Werke nicht einfach runterzuspielen, sondern im Moment zu musizieren. Etwas, was man durch Erfahrung auch erst lernen muss. Spannend war auch, sich auf die akustischen Gegebenheiten in einem so großen Saal wie dem im Musikverein einzustellen. Rückblickend ist sie sehr froh, dass es dann doch viele Proben gegeben hat. Die Arbeit mit dem Orchester und dem Dirigenten hat ihr sehr gefallen - im Konzert konnte man die gegenseitige Sympathie schwer übersehen/überhören.

Auf ihre Erfahrungen aus den Konzerten als Jeunesse Featured Artist 2022/23 blickt sie überhaupt sehr positiv zurück: etwa ihr Klavierabend im Ehrbar-Saal, der auch im Radio ausgestrahlt wurde oder die vielen anderen Formate, die sie dieses Jahr schon erkundet hat - Projekte mit Lesungen u.a. mit Erwin Steinhauer oder Kinderkonzerte, bei denen sie schätzungsweise 400 Babys kennengelernt hat. Eines ihrer pianistischen Vorbilder: Murray Perahia, dessen Aufnahme vom Schumann Konzert sie uns genauso wie die von Martha Argerich wärmstens empfiehlt. Ihr liebster Ausgleich zum Klavierspielen: Freunde (neben Schlafen). Ihr momentaner Lieblingskomponist: Schubert oder Schumann. Letzterem hat sie bei ihrem Konzert jedenfalls alle Ehre gemacht (Zugabe übrigens: Nr. 14 aus Schumanns Davidsbündlertänzen op. 6).

Wer Mitra Kottes Auftritt im Musikverein verpasst hat, der/die sollte sich unbedingt Zeit nehmen für die Aufnahme des Konzerts im Radio: zu hören am 23.5. um 19:30 Uhr in Das Ö1 Konzert. Dass Musik immer schon Teil von Mitra Kottes Alltag war und auch geblieben ist, empfindet sie als großes Glück und ist sehr dankbar dafür. Wir auch.

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