Mit Oma in den Drag Club
Was klingt wie ein schlechter Scherz hat La Cage aux Folles zur Realität gemacht. Ein Stück das Generationen verbindet! Welcher Zauber steckt dahinter?
Wien, Volksoper, Donnerstag Abend.
Der zweite Gong schrillt – die Schlangen an der Garderobe werden kürzer, der Saal dafür immer voller. Alle glücklichen Besitzer*innen einer Theaterkarte nehmen ihren Platz ein, mit oder ohne Sektfahne. Das überwiegend ältere Publikum tuschelt zwischen Operngukker & Gehstock bis der dritte Gong erklingt. Das Licht erlischt.
Was man nun erwartet sind knapp zwei Stunden unterhaltsame Schauspielleistung in einem Stück welches älter ist als die Zeit selbst. Was man nicht erwartet, ist ein fast schon aktivistisches queeres Musical, und was man noch weniger erwartet, sind minutenlange Standig-Ovations von der Generation 60+.
In La Cage aux Folles erzählt das Ensemble rund um Drew Sarich (Albin aka Zaza) und Viktor Gernot (Georges) eine Geschichte rund um (Queere)Liebe, Familie und Zusammenhalt. Man wird in die Welt des Nachtklubs La Cage aux Folles entführt, welches das Nachtleben von St-Tropez mit erfolgreichen Dragshows in seinen Bann zieht. Geführt wird das Etablismen von Georges und seine große Liebe Albin ist als Zaza der große Star der Show.
Allerdings hat Georges Sohn, Jean-Michel, aus einer vergangenen Liebschaft, eine unheilvolle Idee: Um die konservativen Eltern seiner Verlobten Anne von ihrer zukünftigen Ehe zu überzeugen, möchte er seinen liebevollen Stiefvater Albin für eine Nacht ausquartieren & damit für diesen wichtigen Abend aus seinem Leben verbannen. Dafür soll seine (Raben)Mutter Georges Ehefrau spielen.
Alles im Namen der Liebe
Das Stück ist nicht nur provokant, sondern auch zutiefst berührend. Es erzählt die Gesichte einer liebevollen Familie die wieder zusammenfindet in dem schön schrägen Setting der Queerness. Es ist sich nicht zu schade über Cats herzuziehen oder das Publikum zum Mitmachen einzuladen. Und es hat mitgemacht!
Als Zaza in ihrer besten Dragqueen-Manier gefragt hat, ob wir Spaß haben, waren Senior*innen neben mir um einiges lauter als ich. Es war ein absurd schönes Schauspiel, als die Augen der alten Damen vor Neid leuchteten, als sie die schillernden Drag-Queen Kostüme erblickten und der Herr neben mir von ganzem Herzen lachte, als Zaza einen Witz mit Seitenhieb gegen die konservative Politik machte.
Alle sympathisierten für Albin und seine Familie und gegen den traditionsbewussten Vater von Anne. Wie es wohl sein muss, wenn der queere Enkel mit seiner Oma in diesem Stück sitzt und sich von ihr das Verständiss wünscht, was sie Georges und Albin entgegenbringt?
Queer-freundliche Bubble in der Oper?
Es ist schon erstaunlich welche queer-freundliche Bubble die Volksoper mit diesem Stück geschaffen hat. Am Ende der Vorstellung ist das gesamte Publikum gestanden und hat ununterbrochen applaudiert. Ob es auch die eigenen Enkelkinder so positiv empfangen würde, wenn sie sich outen würden?
Wie haben sie das gemacht? Was ist passiert? Welcher Zauber hat sich auf diese Leute gelegt, dass eine schwules Paar mit Sohn, welches ihr täglich Brot mit Drag Shows verdient in ihr Weltbild passen?
Das Geheimnis ist die unzensierte Darstellung der Probleme, durch die die Zuschauer Empathie empfinden. Zum Einen gibt es das nicht unübliche Problem, dass das Kind sich für seine Eltern schämt, andererseits wird gezeigt, dass es jemanden wie Albin bei so etwas besonders hart trifft.
Zusätzlich dazu wird die Partnerschaft von Georges und Albin von niemanden (außer Annes Eltern) als Besonderheit betrachtet. Das Stück will nicht mit dem Finger auf ein schwules Paar zeigen um zu zeigen, dass sie gar nicht so anders sind, sondern es wird als Normalität behandelt während die Nicht-Akzeptanz abnormal ist.
Das ist der Zauber von La Cage aux Folles.
Ob der Zauber hält?